Bartosz Lotarewicz
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Andreas B. •

Frage an Bartosz Lotarewicz von Andreas B. bezüglich Umwelt

Werter Herr Lotarewicz,

wenn ich recht informiert bin, lehnen Sie ja neben der Kernkraft auch den Ausbau des Kraftwerkes Klingenberg in Lichtenberg ab.
Wie wollen Sie eine kontinuierliche und störungsfreie Strom- und Wärmeversorgung sicherstellen, zumal ja Wind- und Wasserkraftanlagen in unserem Bezirk sicherlich nicht geplant sind?

Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Werter Hr. Barthel,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Auf diese Frage muss ich etwas differenzierter eingehen.

Es ist erstaunlich und zugleich sehr beunruhigend, dass es über 30 Jahre gedauert hat, bis Parteien wie CDU und FDP endlich verstanden haben, wie unberechenbar, gefährlich und teuer (Atommüll) die Atomenergie ist. Gäbe es uns Grüne nicht, dann wäre in den vielen Jahren nichts passiert, befürchte ich. Dann hätten die andren Parteien gesagt, es gibt immer ein Risiko, mit dem wir leben müssen. Frau Merkle hat noch vor einigen Monaten alle überzeugen wollen, wie sicher und unabdingbar die Atomenergie ist. CDU hat auch die Ängste geschürt, dass wenn wir die AKWs abschalten, es bald kein Licht mehr gibt. Es musste leider erst etwas Dramatisches passieren, damit die CDU und FDP (aus Angst vor Wähler/-innen) ihre Meinung ändern.

Unser Ziel ist es, die Energieversorgung in Berlin stufenweise bis 2050 komplett auf erneuerbare Energien umzustellen, um uns auch von der Abhängigkeit der endlichen fossilen Rohstoffen zu machen und den co2-Ausstoß zu reduzieren (Klimaschutzbeitrag). Wie Ihnen sicherlich bewusst ist, sind mit der Entwicklung der erneuerbaren Energien bundesweit über 300.000 neue Arbeitsplätze entstanden. Alleine durch energetische Sanierung der öffentlichen Gebäude in Berlin sind bis zu 25.000 neue Arbeitsplätze zu schaffen. Der Ausstieg aus der Atomkraft hat ja Fahrt aufgenommen, der Ausstieg aus der Kohle beginnt. Zur Ergänzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Überbrückung insbesondere bis zum Netzausbau, welcher den Anforderungen genügt, werden wir in Deutschland kurzfristig einen Ausbau moderner Gaskraftwerke brauchen. Mit der sogenannten GuD-Technik (Gas- und Dampf) können hohe Wirkungsgrade erreicht werden, und durch die Nutzung von Wärme-Kraft-Kopplung kann Energie gleichzeitig für Heizung und Stromerzeugung genutzt werden. Solche modernen Gaskraftwerke werden in den nächsten 40 Jahren als Übergangstechnologie benötigt werden.

Und da sind wir auch schon bei uns in Lichtenberg. Es ist mehr als überfällig, aus der Braunkohlefeuerung am Kraftwerksstandort Lichtenberg endlich auszusteigen. Abgesehen von der katastrophalen Umweltbilanz kann nicht angehen, dass für unsere warmen Berliner Wohnstuben weiterhin Brandenburgs Dörfer abgebaggert werden. Bei der Diskussion um Alternativen bewegen wir uns im Dreieck Versorgungssicherheit für die Berliner Bürger, den langfristig bezahlbaren Preis für Energie und die ökologische Bilanz. Am Standort Klingenberg laufen diverse Fernheizungssysteme des Berliner Ostens zusammen, wir in Lichtenberg haben somit eine besondere Verantwortung für die künftige sichere, preiswerte und ökologische Energieversorgung unserer Stadt. Dieser wollen wir uns gern stellen. Wir benötigen den Ersatz der Kapazität des Braunkohlekraftwerks Klingenberg durch moderne GuD-Technik. Ob dies nun günstigerweise zur Erreichung der Ziele ein einziger großer GuD-Block sein sollte, oder 2 oder 3 Anlagen etwa in Koppelung mit dem Standort an der Rhinstraße (Kraftwerk Lichtenberg) - die Diskussion wird zurzeit geführt.
Für sichere, preiswerte und ökologische Fernwärmeversorgung dürfte GuD-Technik in den nächsten Jahrzehnten die zeitgemäße Lösung sein.

Lassen Sie mich noch ergänzend sagen, dass Vattenfall zurzeit am Standort Klingenberg auch noch die Errichtung von Biomasse-Kraftwerken plant. Wir haben als erste auf die Risiken eines solchen "Biomasse"-Kraftwerks in Lichtenberg aufmerksam gemacht, noch lange bevor sich die anderen Parteien mit dem Thema überhaupt beschäftigt haben. Dabei wäre sehr wahrscheinlich, dass u.a. auch alte Bahnschwellen, die mit hochgiftigen Chemikalien/Schwermetallen belastet sind, verbrannt wären. Die Belastung, insbesondere für Lichtenberger/-innen und Berliner/-innen dürfte klar sein. Es gibt nicht ausreichend "saubere" und nachhaltige Biomasse im Umland, damit die Energieerzeugung co2-neutral erfolgen kann. Berlin und Brandenburg müssen jetzt schon Biomasse importieren. Das sind die Fakten. Vermutlich will Vattenfall mit der Errichtung der Biomassekraftwerke Geld an co2-Zertifikaten sparen. Möglich ist aber auch eine nachträglich Umnutzung des Biomassekraftwerks als Müllverbrennungsanlage, die lt. Gesetz nachträglich genehmigt werden muss. Müllanlage ist per se nicht böse. Wenn man aber eine Müllverbrennungsanlage bauen will, dann soll man m.E. a) das so kommunizieren und b) auch eine bauen, die ausreichend Filter hat, damit Mensch, Tier und Umwelt nicht belastet werden! Ein Biomassekraftwerk, so wie es Vattenfall plant (Biomasse aus Liberia!), lehnen wir ab, weil die langfristige Versorgung des Kraftwerks mit Holz, welches Nachhaltigkeitsstandards und sozialen Standards der Herkunftsländer entspricht, nicht garantiert werden kann.

Wir brauchen endlich ein schlüssiges und nachhaltiges Energiekonzept für Berlin, der aber auch gemeinsam mit Land Brandenburg gedacht werden muss. Der rot-rote Senat hat es in 10 Jahren nicht geschafft sich ernsthaft mit einem Energiekonzept zu beschäftigen oder zumindest zukunftsweisende Schwerpunkte zu setzten. Das Konzept muss aus Energieeinsparung (auch durch energetische Sanierung), Energieeffizienz und erneuerbaren Energien bestehen. In Berlin wird sehr viel Energie verschwendet, bei erneuerbaren Energien liegen wir leider bundesweit im Schlusslicht. Sonne, Wind, Deponiegas, Klärschlamm, Abwasserwärme, Bio-Reste sind alles Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen und leider gar nicht oder nicht effizient genug genutzt werden. In Berlin, auch in unserem Bezirk, gibt es so viele Dächer, leider sieht man nur vereinzelt Solaranlagen. Unverständlich, dass die öffentlichen Hand nicht schon längst Ökostrom bezieht um eben bewusst die Erneuerbaren statt Kohle und Atom zu fördern.

Es gibt in Berlin, auch in Lichtenberg immer mehr sog. Blockheizkraftwerke. Diese produzieren aus Gas Wärme für sich und auch für Nachbarhäuser und elektrische Energie, die eingespeist wird. Wir wollen die Fernwärmenetze für dezentrale Lösungen öffnen und ein Klimastadtwerk "Berlin Energie" einrichten, der alle dezentralen Lösungen steuert, damit die Energie nachhaltig, flächendeckend und effizient verteilt werden kann. Die Aufgabe wird auch sein mehr dezentrale Lösungen zu fördern und auch den Bürger/-innen eine Beteiligung zu ermöglichen, damit Energieversorgung auch in der Händen der Berliner/-innen liegt. Und um sich auch von Unternehmen mit Monopolstellung unabhängiger zu machen.

Die Lichtenberger-BVV wird sich in der August-Sitzung mit dem B-Plan (u.a. Klingenberg) beschäftigen. Ich bin der Meinung, dass man mit der Abstimmung bis nach der Wahl warten kann. Bei einer solchen Entscheidung, mit der wir mind. 60 Jahre leben müssen, sollten wir uns Zeit lassen und keine voreiligen Entscheidungen treffen.

Ich hoffe sie ausführlich über meine/ unsere grüne Position infomiert zu haben. Für weiter Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Ihr
Bartosz Lotarewicz