Warum hört keiner im Bundestag zu?
Sehr geehrte Frau Bas,
Warum hören die meisten Abgeordneten (wenn sie mal da sind) den Rednern nicht zu,
oder hantieren mit Ihren Handys? Wie soll da was positives für alle herauskommen?
Sehr geehrter Herr L.,
vielen Dank für Ihre Frage. Da Sie sich auf meine Aufgaben als Bundestagspräsidentin beziehen, antworte ich Ihnen nicht in meiner Funktion als Abgeordnete, sondern als Vertreterin des Verfassungsorgans Deutscher Bundestag und der Gesamtheit seiner Mitglieder sowie dank der Zuarbeit der Bundestagsverwaltung:
Mir ist bewusst, dass die Bilder aus dem Plenarsaal nicht immer den Erwartungen der Zuschauerinnen und Zuschauer entsprechen. Fairerweise sollte man jedoch die besonderen Arbeitsbedingungen und Abläufe des parlamentarischen Alltags berücksichtigen.
Die Fernsehübertragungen aus dem Plenum zeigen nur einen kleinen Ausschnitt dessen, was die Arbeit der Abgeordneten ausmacht. Der größte Teil der parlamentarischen Aktivitäten findet in den Fachausschüssen des Bundestages und in den Arbeitskreisen bzw. Arbeitsgruppen der Fraktionen statt. In einem mehrstufigen Beratungsprozess werden hier Probleme erörtert, Initiativen angestoßen, Alternativen geprüft, Gesetzentwürfe diskutiert, Änderungen erarbeitet und die Entscheidungen vorbereitet, die das Plenum am Ende trifft.
Aus diesem Grund sind bei den Plenardebatten viele Argumente und Einwände den Kolleginnen und Kollegen aus den Fachausschüssen bereits vertraut. Die politische Willensbildung findet eben nicht erst – und schon gar nicht ausschließlich – im Plenarsaal des Deutschen Bundestages statt. Plenardebatten haben dennoch eine besondere Funktion: Sie machen für jeden Interessierten die politische Auseinandersetzung sowie die am Ende getroffenen Entscheidungen nachvollziehbar, weil die Abgeordneten ihre oft unterschiedlichen Positionen hier öffentlich darlegen und begründen.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass sich Abgeordnete und Regierungsmitglieder oft zeitgleich verschiedenen Angelegenheiten widmen müssen: Der laufenden Debatte ebenso wie der fraktionsinternen Abstimmung zu einem Antrag, aktuellen Ereignissen in den Wahlkreisen oder eiligen Presseanfragen. Der Anspruch, über Entwicklungen laufend informiert und jederzeit erreichbar zu sein, ist dabei mit den modernen elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten noch gestiegen. Dies gehört längst zum parlamentarischen Alltag. Gerade in der Zeit der Pandemie haben sich an vielen Stellen unseres gesellschaftlichen Lebens die Vorteile der technischen Hilfsmittel und der digitalen Kommunikation gezeigt.
Gemeinsam mit dem Ältestenrat haben wir im Präsidium Absprachen zum Umgang mit Handys und anderen mobilen elektronischen Geräten getroffen. Die Absprachen basieren letztlich auf einer Abwägung zwischen dem „Störpotential“ einerseits und der erhofften Arbeitserleichterung andererseits. Demnach soll im Plenarsaal nicht mit Handys telefoniert werden. Der anderweitige Gebrauch von Handys und Smartphones sowie von Tablet-PCs wird jedoch toleriert, solange der ordnungsgemäße Ablauf der Plenarsitzung dadurch nicht gestört wird.
Ich hoffe, Ihnen ein besseres Bild von den Abläufen und Hintergründen des Plenarbetriebs vermittelt zu haben. Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass Sie selbstverständlich die Möglichkeit haben, auch auf direktem Weg mit dem Deutschen Bundestag, seinen Abgeordneten oder mir als seiner Präsidentin Kontakt aufzunehmen. Zum Beispiel über: https://www.bundestag.de
Mit freundlichen Grüßen
Bärbel Bas