Machen Sie sich für die Prüfung eines Parteiverbots der AfD stark?
Sehr geehrte Frau Bas,
ich schreibe Ihnen als Bundestagsabgeordnete meines Wahlkreises in Duisburg.
Die neuesten Enthüllungen von correctiv.org zu geplanten Massendeportationen und die Verstrickung der Partei AfD machen deutlich, wie dringend eine Prüfung eines Parteiverbots wird.
Ich mache mir ernsthafte Sorgen um unsere Demokratie und bitte Sie, gerade in Ihrer Funktion als Bundestagspräsidentin, Ihren Einfluss zu nutzen sich für die Einleitung eines Prüfverfahrens einzusetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr R.
vielen Dank für Ihre E-Mail.
Ich kann Ihnen versichern, dass meine Kolleginnen und Kollegen in der SPD-Bundestagsfraktion wie auch ich Ihre Sorgen teilen. Denn, dass diese nicht unbegründet sind und, dass die AfD in Teilen eine verfassungsfeindliche Haltung vertritt, ist im Rahmen einer mehrjährigen juristischen Prüfung durch die Arbeit der Verfassungsschutzbehörden in drei Bundesländern belegt worden. Wir müssen feststellen, dass drei Landesverbände der AfD als rechtsextremistisch eingestuft sind, die Landesverbände der AfD in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen.
Was die Forderung nach einem Verbot der Partei der AfD betrifft: Gegen Verfassungsfeindinnen und -feinde stellt das Grundgesetz mit dem Parteiverbotsverfahren nach Artikel 21 Absatz 2 das schärfste Schwert unserer wehrhaften Demokratie bereit. Danach sind Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhängerinnen und Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, verfassungswidrig.
Stellt das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit einer Partei fest, ordnet es deren Auflösung an, verbietet die Gründung einer Ersatzorganisation und kann die Einziehung des Parteivermögens zu gemeinnützigen Zwecken aussprechen (§ 46 Absatz 3 Bundesverfassungsgerichtsgesetz). Weiterhin verlieren Mitglieder des Deutschen Bundestages, die dieser Partei angehören, nach § 46 Absatz 1 Nummer 5 des Bundeswahlgesetzes ihr Mandat. Aufgrund dieser drastischen Folgen sind die Anforderungen an das Verbot einer Partei in einer Demokratie, die maßgeblich durch den parteipolitischen Diskurs lebt, hoch. Eine Haltung, durch die oberste Verfassungswerte in der politischen Meinungsäußerung in Zweifel gezogen, nicht anerkannt, abgelehnt oder ihnen andere entgegengesetzt werden, genügt nicht. Eine Partei kann durch das Bundesverfassungsgericht nur dann verboten werden, wenn sie vielmehr planvoll das Funktionieren der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beseitigen will. Dies setzt voraus, dass konkrete, gewichtige Anhaltspunkte vorliegen, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass das Handeln der Partei erfolgreich sein kann.
Wir wissen aus vorherigen Verbotsverfahren, dass diese sehr lange dauern. Im Fall der NPD prüfte das Verfassungsgericht vier Jahre. Mit einem Urteil wäre daher vor den im Herbst anstehenden Wahlen in drei ostdeutschen Bundesländern, aber auch vor den Bundestagswahlen im Jahr 2025 nicht zu rechnen.
Wie in jedem anderen gerichtlichen Verfahren müssen in einem Parteiverbotsverfahren eindeutige Beweise vorgebracht werden. Die hohen Voraussetzungen für ein Parteiverbot stellen auch an die Beweisführung erhebliche Ansprüche. Hierfür sind die Antragsberechtigten auch auf die Ermittlungen hierzu berufener staatlicher Institutionen angewiesen. Seinem gesetzlichen Auftrag entsprechend sammelt das Bundesamt für Verfassungsschutz Informationen über Bestrebungen, die gegen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Aufgrund ihrer immer deutlicher zu Tage tretenden Haltung wird auch die AfD als Gesamtpartei in diesem Sinne als Verdachtsfall geführt. Wir setzen großes Vertrauen in die Arbeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Wir werden deshalb die weiteren Erkenntnisse aus dieser weitergehenden Beobachtung abwarten, bevor wir als SPD-Bundestagsfraktion entscheiden, ob wir uns für die Beantragung eines Verbots der AfD einsetzen. Dabei werden wir sicher die schrecklichen Erkenntnisse, die die Correctiv-Recherche zu Tage gebracht hat, berücksichtigen. Bei der Bewertung der anhand dieser Recherche von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Treffens im November gefassten Ziele sind wir uns einig: Diese sind menschenverachtend und mit unserem Grundgesetz nicht vereinbar.
Rolf Mützenich, der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, hatte daher bereits in der vorletzten Woche angekündigt, das Potsdamer Treffen rechtsradikaler Kreise mit AfD-Funktionären im Bundestag zu thematisieren. Auf Antrag der Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP hat der Bundestag im Rahmen einer aktuellen Stunde zum Thema „Wehrhafte Demokratie in einem vielfältigen Land - Klare Kante gegen Demokratiefeinde und Vertreibungspläne" debattiert. Dabei verurteilten Abgeordnete der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP wie auch von CDU/CSU das Treffen von Rechtsextremen in Potsdam und betonten die Notwendigkeit, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu verteidigen. Tags zuvor waren die Berichte über das Treffen der sogenannten Rechtsfront in Potsdam bereits sowohl auf Antrag der Ampel-Fraktionen als auch auf Antrag der Fraktion der CDU/CSU Thema im Innenausschuss des Bundestags.
Wichtig ist es, dass wir den Wählerinnen und Wählern deutlich machen, welche Konsequenzen eine Wahl rechter bzw. rechtsextremistischer Parteien hätte. Entscheidend ist es auch, das rechtsextreme Gedankengut, das durch solche Parteien kanalisiert wird, zu bekämpfen. Wenn wir die Demokratie vor den Gefahren von rechtsextremem Gedankengut, Verschwörungserzählungen sowie Desinformation schützen wollen, brauchen wir gut informierte Bürgerinnen und Bürger, denn das Problem Rechtsextremismus wird die Politik allein nicht lösen können. Angesichts dieser Gefahren sind mir hierbei viele Bürgerinnen und Bürger noch zu leise.
Wir Demokratinnen und Demokraten dürfen daher in diesen Tagen und Monaten nicht nachlassen, lautstark für unsere Demokratie einzustehen. Es ist wichtig, dass seit dieser Veröffentlichung die Menschen überall in Deutschland für Demokratie und gegen Rassismus auf die Straße gehen. Wir müssen lauter werden und deutlich machen: Wir sind mehr. Auf den Straßen, aber auch im Internet.
Um die Menschen dazu in die Lage zu versetzen, sich laut und unmissverständlich für unsere Demokratie einzusetzen, der zunehmenden Demokratiefeindlichkeit und dem erstarkenden Rechtsextremismus entgegenzuwirken sowie Desinformation erkennen zu können, ist politische Bildung von zentraler Bedeutung. Darum machen wir uns als SPD-Bundestagsfraktion stets für die Förderung der politischen Bildung stark. Für mich ist ganz klar, dass Demokratie und politische Bildung von klein auf erlernt werden müssen. Deshalb bin ich u.a. regelmäßig zu Besuch in Schulen, um mich direkt mit Schülerinnen und Schülern über unsere Demokratie und zu aktuellen gesellschaftlichen Themen auszutauschen. Dies nutzt aber natürlich nur mittel- bis langfristig.
Demokratie lebt vom Vertrauen der Menschen. Vertrauen kann aber nur wachsen, wenn die Menschen die Politik auch wirklich nachvollziehen können. Deshalb sehe ich aktuell in einer offeneren und klareren Kommunikation zwischen Bürgerinnen, Bürgern und der Politik einen weiteren Lösungsansatz im Kampf gegen Extremismus und Politikverdrossenheit. Die Politik muss sich wieder in einen stärkeren Dialog mit den Wählerinnen und Wählern begeben, denn meine Erfahrung zeigt, dass Gespräche und der Austausch über politische Entscheidungen es wert sind, geführt zu werden. Um die Bürgerinnen und Bürger wieder mehr für den demokratischen Prozess zu begeistern, setze ich mich für eine Stärkung der politischen Beteiligung ein, u. a. für eine stärkere Einbindung von Bürgerräten in den parlamentarischen Prozess. Damit können wir die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger am politischen Prozess erhöhen und so mehr Verständnis für die Arbeit politischer Gremien und die teilweise schwierige Kompromissfindung schaffen. Die Menschen müssen spüren: Meine Stimme wird gehört. Dann werden sie ihre Demokratie verteidigen. Zugleich müssen wir wieder klarer machen, dass unser politisches System darauf beruht, Kompromisse zu schließen und in einer Demokratie in aller Regel kein Akteur seine Maximalforderungen durchsetzen kann.
Ich kann Ihnen versichern, dass es mir als Ihre Duisburger Bundestagsabgeordnete und als Sozialdemokratin ein Herzensanliegen ist, den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft gerade in diesen Zeiten zu stärken, unsere Demokratie mit Leben zu füllen und sie so sattelfest für die Zukunft zu machen. Dafür werde ich mich weiterhin einsetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Bärbel Bas