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Bärbel Bas
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Frage von Ruth D. •

In der Ukraine gibt es kein Recht auf Kriegsdienstverweigerung. Werden Sie einer Abschiebung ukrainischer Kriegsdienstverweigerer die in Dutschland Zuflucht gesucht habe, zustimmen, wenn Praesident

Selensky die Abschiebung ukrainischer Kriegsdienstverweigerer fordert?

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Sehr geehrte Frau D.,

vielen Dank für Ihre Frage. Ich habe mich hierzu mit den zuständigen Fachkolleginnen und -kollegen innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion ausgetauscht. Es empfiehlt sich, bei weitergehenden Fragen auch direkt Kontakt zu diesen aufzunehmen - etwa mit Dirk Wiese, dem für Innen, Recht, Petitionen, Sport, Kultur zuständigen stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion oder Sebastian Hartmann, dem Vorsitzenden der Arbeitsgruppe Inneres der SPD-Bundestagsfraktion. Diese sind für Ihr Anliegen die richtigen Ansprechpartner.

Ukrainische Staatsangehörige haben grundsätzlich ohne Ansehen des Geschlechts bzw. ob eigentlich Kriegsdienst geleistet werden müsste, Schutz in Deutschland erhalten. Zugleich befindet sich die Ukraine in Folge des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieges derzeit in einem Kriegszustand und ist in ihrer Existenz bedroht. Das bedeutet auch, dass Gesetze zur Landesverteidigung, die die ukrainische Verfassung vorsieht, nun aktiv greifen. Daher ist es Männern im wehrfähigen Alter untersagt, aus der Ukraine auszureisen. Wer es trotzdem in die EU bzw. nach Deutschland geschafft hat, hat dennoch Schutz nach der sogenannten Massenzustromrichtlinie bzw. hier einen Aufenthaltstitel nach § 24 AufenthG erhalten. Und dies ohne Prüfung individueller Asylgründe, zu denen ganz grundsätzlich auch die Kriegsdienstverweigerung zählen könnte. Kriegsdienstverweigerern gewährt Deutschland je nach Einzelfall Schutz. Die Bewertung ist hier juristisch komplex, denn zunächst hat jeder Staat laut Völkerrecht das Recht, eigene Staatsangehörige zum Militär- oder Kriegsdienst zu verpflichten und das auch strafbewehrt. Allerdings kann von niemandem verlangt werden, sich an völkerrechtswidrigen Taten zu beteiligen. In diesem Fall besteht in der Regel ein Anspruch auf Schutz. Und es kommt darauf an, was im Falle der Verweigerung im Herkunftsland passiert, also ob eine nach menschenrechtlichen Grundsätzen nicht mehr hinnehmbare Strafe (z. B. Folter, Todesstrafe, u.a.) droht. Anhand dieser Parameter muss jeder Einzelfall geprüft werden.  

Derzeit haben die betroffenen Männer aus der Ukraine folglich einen Schutzstatus und einen Aufenthaltstitel in Deutschland erhalten. Dieser besteht fort. Deutschland selbst unternimmt auch keinerlei Anstrengungen, sie in die Ukraine zurückzuführen. Eine offizielle Anfrage hierzu vom ukrainischen Präsidenten Selenskyj über eine Auslieferung der entsprechenden Personen ist weder meinen Fachkolleginnen und -kollegen noch mir bekannt.

Grundsätzlich gilt: Der Auslieferungsverkehr zwischen Deutschland und der Ukraine findet nach dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 in Verbindung mit dem Zweiten Zusatzprotokoll vom 17. März 1978 sowie in Verbindung mit dem Dritten Zusatzprotokoll vom 10. November 2010 zu dem vorbezeichneten Übereinkommen statt. Über die Zulässigkeit einer Auslieferung entscheiden die Oberlandesgerichte. Allein die Einberufung zum Militärdienst stellt dabei grundsätzlich kein Auslieferungshindernis dar. Das Grundrecht auf Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe aus Artikel 4 Absatz 3 des Grundgesetzes kann jedoch die Unzulässigkeit einer Auslieferung begründen, wenn dessen Schutz so weit reicht, dass sich Ausländer auf dieses Grundrecht auch gegenüber der Heranziehung zum Wehrdienst in anderen als den deutschen Streitkräften berufen können und die Auslieferung dazu führt, dass die verfolgte Person unmittelbar nach Verbüßung der Strafe wegen eines auslieferungsfähigen Delikts, ohne zuvor das Land verlassen zu können, zum Wehrdienst mit der Waffe herangezogen wird und, falls die Person aus Gewissensgründen diesen Dienst verweigert, Bestrafung zu gewärtigen hat. Die Prüfung obliegt dem im Einzelfall zuständigen Oberlandesgericht, das über die Zulässigkeit der Auslieferung entscheidet. Darüber hinaus kann eine Auslieferung wegen der Entziehung vom Militärdienst durch Kriegsdienstverweigerung auch nach Artikel 4 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens ausscheiden, der im Verhältnis zur Ukraine Anwendung findet. Entscheiden müssten folglich letztendlich die zuständigen Gerichte.  

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass Sie selbstverständlich die Möglichkeit haben, auch auf direktem Weg mit dem Deutschen Bundestag, seinen Abgeordneten oder mir Kontakt aufzunehmen. Zum Beispiel über: https://www.bundestag.de

Mit freundlichen Grüßen

Bärbel Bas

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