Frage an Bärbel Bas von Klaus B. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Bas,
unter den Abgeordneten gibt es pro und contra (z. B.Bosbach, Scheffler) zur Einrichtung von dauerhaften Rettungsschirmen.Sie selbst haben sich wie bisher Viele dafür ausgesprochen. Aus diesem Anlass habe ich mir das Vertragswerk selbst angesehen. Dem ist u.a.zu entnehmen, dass das genehmigte Stammkapital von 700 Mia.€ jederzeit vom Gouverneursrat geändert (d.h. aufgestockt) werden kann (§ 10 Abs.1), angeforderte Beträge innert 7 Tage bereit stehen müssen (§ 9 Abs.3), das Gremium uneingeschränkte Rechtspersönlichkeit hat ( 32 Abs. 2), daher Vertragspartei sein kann, Vermögen veräußern/erwerben kann, verklagen aber nicht verklagt werden kann (§ 32 Abs. 3). Sämtliche im Gouverneursrat tätige Personen als auch das Gremium als solches und insbesondere das dort einberufene Kapital genießen absolute Immunität (§35).D. h. geheime Archive, kein Zutrittsrecht, weitgehende Steuerfreiheit von ESM und seiner Bediensteten. Der Vertrag ist auch nicht kündbar oder Deutschland könnte sich sonst den Verpflichtungen gegenüber diesem Finanz(regulierungs)institut, das nicht einmal zulassungs- oder lizenzpflichtig ist, entziehen, geschweige denn Leistungen zurück fordern. Nach meiner Erkenntnis würde es sich auch nicht "nur" um Bürgschaften handeln, denn in der Konsequenz würden wir für Alles einstehen müssen, was wir jetzt und in Zukunft haben. Dass Gauck einer entsprecheden Verfassungsbeschwerde eher mit Gelassenheit entgegensieht wundert mich angesichts der im November 2011 ergangenen Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (§ 24) nicht. Friede sei mit ihm. Jeder BILDet sich seine Meinung.
Jetzt aber endlich meine Fragen:
Wie können Sie diesen ESM-Vertrag mit Ihrem Demokratieverständnis vereinen?
Warum wird nicht das Volk befragt?
Sind wir eigentlich (noch) ein souveräner Staat? (Schäuble gab anlässlich des intern. Bankenkongresses Nov. 2011 zu verstehen, dass eine volle Souveränität seit Kriegsende nie vorlag).
Mit besten Grüßen
Klaus Bonow
Sehr geehrter Herr Bonow,
der ESM-Vertrag wurde am 2. Februar unterzeichnet und soll im Juli 2012 in Kraft treten. Dafür muss der ESM-Vertrag wie jeder andere völkerrechtliche Vertrag vom Bundestag ratifiziert werden und die parlamentarischen Beratungen haben Ende März begonnen. Die von Ihnen aufgeworfenen verfassungs- und europarechtlichen Fragen werden von den zuständigen Fachgremien des Bundestages (Haushalts- und Europaausschuss) intensiv erörtert und geprüft. Am kommenden Montag gibt es beispielsweise eine gemeinsame Anhörung beider Ausschüsse. Mein Abstimmungsverhalten werde ich an dem Ergebnis dieser Beratungen orientieren. Eine solche Entscheidungsfindung auf der Basis intensiver Prüfung und Abwägung aller Standpunkte kann ich dann auch gut mit meinem Demokratieverständnis vereinen.
Grundsätzlich bin ich für die europäischen Rettungsschirme, denn sie sind Ausdruck der innereuropäischen Solidarität. Wer glaubt, alle Probleme seien gelöst, wenn Krisenstaaten wie Griechenland keine weiteren Hilfsgelder aus den europäischen Rettungsschirmen erhalten oder gar aus der Eurozone ausscheiden, der irrt gewaltig. Für mich wäre es schlichtweg unterlassene Hilfeleistung, wenn wir die Bürgerinnen und Bürger in den notleidenden Staaten in die wirtschaftliche und soziale Katastrophe schlittern ließen. Und auch der Exportnation Deutschland kann es auf Dauer nicht gut gehen, wenn die Wirtschaft im Rest Europas am Boden liegt. Unser Wohlstand beruht auf den Produkten, die auch von unseren europäischen Partnern gekauft werden.
Diese Solidarität ist selbstredend keine Einbahnstraße. Die betroffenen Staaten müssen ihrer Verantwortung gerecht werden und Schulden abbauen. Die notwendige Konsolidierung der öffentlichen Haushalte kann aber ohne wirtschaftliche Belebung nicht gelingen. Sparen ist gut, reicht aber nicht. Wenn wir Wirtschaft und Arbeitsplätze in Deutschland schützen wollen, brauchen wir Wachstum in Europa. Unser Masterplan für Wachstum sieht vor, dass der Finanzsektor reguliert und durch eine Finanztransaktionssteuer an den Kosten der Krisenbewältigung beteiligt wird. Deshalb fordern wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, dass nicht nur die Steuerzahler, sondern auch die Verursacher der Krise die Zeche zahlen. Mit den Einnahmen wollen wir in Wachstum investieren. Leider hat Frau Merkel bislang aus Angst vor Streit in der Koalition und der Wahl in NRW viel Zeit vertrödelt. Außerdem wollen wir die noch nicht abgerufenen EU-Strukturmittel in Höhe von 13 Milliarden Euro für langfristige Entwicklungen bereitstellen. Und: wir wollen das Kapital der Europäischen Investitionsbank aufstocken.
Aus Sicht der SPD soll der ESM langfristig zu einem schlagkräftigen Krisenreaktionsmechanismus ausgebaut werden, um die Währungsunion dauerhaft zu stabilisieren. Unser Ziel ist eine gemeinschaftliche Lösung in Form eines Europäischen Währungsfonds. Nicht alleine die Staats- und Regierungschefs sollen über Hilfsmaßnahmen und Anpassungsprogramme entscheiden. Die Gemeinschaftsinstitutionen, insbesondere das Europäische Parlament, aber auch die nationalen Parlamente sind zu stärken, um die demokratische Legitimation zu sichern. Die SPD-Bundestagsfraktion kämpft für eine starke Parlamentsbeteiligung und trotz unserer Oppositionsrolle konnten wir schon einige wichtige Forderungen durchsetzen. Vor allem wir Sozialdemokraten haben beispielsweise in der vergangenen Woche bei der abschließenden Beratung des Deutschen Bundestages zur Änderung des Stabilisierungsmechanismusgesetzes dafür gesorgt, dass die Beteiligungsrechte des Bundestages gestärkt wurden.
Um die derzeitigen Probleme zu meistern, brauchen wir nicht weniger, sondern mehr Europa. Nur mit einer starken EU wird Deutschland in einer immer stärker globalisierten Welt auch in Zukunft wirtschaftlich und politisch eine Rolle spielen.
Mit freundlichen Grüßen nach Rheinhausen
Bärbel Bas