Frage an Bärbel Bas von Sebastian S. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Bas,
im Zuge der Abstimmung über das sog. AMNOG wurde am 11.11.2010 die gänzliche Abschaffung der Anwendbarkeit des nationalen Kartellrechts nach GWB für einen Großteil der kleinen und mittelständigen Leistungserbringer im Gesundheitswesen beschlossen. Pflegedienste, Physiotherapeuten, Orthopädie-Techniker, Logopäden, Ergotherapeuten, etc., werden ab 01.01.2011 der Marktmacht und Willkür der mächtigen gesetzlichen Krankenkassen endgültig schutzlos ausgeliefert sein. Auf Beschluss des 14. Ausschusses vom 10.11.2010 (BT/ Drs. 17/3698) wurde § 69 Abs. 2 SGB V in letzter Minute neugefasst. Im Ergebnis führt diese Neufassung zu einem völligen Ausschluss der Anwendbarkeit der kartellrechtlichen Vorschriften des GWB für nicht verkammerte Leistungserbringer in weiten Bereichen des Gesundheitswesens. Eine nachvollziehbare Begründung für die Änderung des § 69 Abs. 2 SGB V gibt es .
Die auf den ersten Blick erfolgte Ausweitung des Anwendungsbereichs des Kartellrechts in der gänderten Fassung des § 69 Abs. 2 SGB V n.F. bei gleichzeitiger Zuweisung von kartellrechtlichen Streitigkeiten zur ordentlichen Gerichtsbarkeit durch § 51 SGG n.F. wird durch die Streichung des 2. Halbsatz in § 69 SGB V a.F. ("...und bei deren Nichtzustandekommen eine Schiedsamtsregelung gilt") pervertiert, ins Gegenteil verkehrt und stellt sich damit als reine Augenwischerei dar. Die Schiedsamtsregelung in § 69 Abs. 2 SGB V a.F. nimmt auf § 89 SGB V Bezug, weshalb es nach der bisherigen Fassung für alle nicht verkammerten und daher besonders schutzwürdigen Leistungserbringer (Pflegedienste, Physiotherapeuten etc., etc.) möglich war, sich auf die Normen des GWB zu stützen. Dies ist nun nicht mehr möglich.
Was ist der Hintergrund der Änderung und wie stellen Sie sich den Schutz der Grundrechte aus Art. 2, 3, 12, 14 und 19 IV GG für kleinere und nicht verkammerte Leistungserbringer im Gesundheitswesen ab 01.01.2011 konkret vor?
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Stegmaier
Geschäftsführer.
Sehr geehrter Herr Stegmaier,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage. Sie haben sich offensichtlich sehr viel Mühe beim Verfassen Ihrer Frage gegeben. Ich kann Ihnen jedoch nicht sagen, warum die Bundesregierung, beziehungsweise die Koalition diese Änderungen so vorgenommen hat. Die in den Ausschusssitzungen vorgelegten Begründungen habe ich jedenfalls für nicht ausreichend gehalten und daher sowohl gegen die Änderungen als auch gegen das gesamte AMNOG gestimmt. Wenn Sie wissen wollen, was sich die Bundesregierung von der Anwendung des Wettbewerbs- und Kartellrechts auf das Gesundheitssystem verspricht und wie es Ausnahmeregelungen rechtlich begründet, müssen Sie die Kolleginnen und Kollegen von der Regierungskoalition fragen.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat jedenfalls die Anwendung des Kartellrechts, ebenso wie die Änderung des Rechtswegs von den Sozial- zu den Zivilgerichten abgelehnt. Die Regierung setzt so Krankenkassen undifferenziert mit privatwirtschaftlichen, gewinnorientierten Unternehmen gleich. Krankenkassen sind aber als Teil der mittelbaren Staatsverwaltung vor allem gehalten, gemeinschaftlich eine wirtschaftliche und leistungsfähige Gesundheitsversorgung des weit überwiegenden Teils der Bevölkerung zu organisieren. Nur innerhalb dieses Rahmens bewegen sich die Möglichkeiten der Krankenkassen, einzelvertragliche Versorgungslösungen für ihre Versicherten zu organisieren. Die Änderung des Rechtswegs wurde im Übrigen bei einer Anhörung im Gesundheitsausschuss sowohl von den Leistungsträgern, also den Kassen, wie auch von den Leistungserbringern deutlich abgelehnt. Die Stellungnahme des Zentralverbands des deutschen Handwerks etwa war unmissverständlich. Leider hat sich die Koalition auch wider besseren Wissenen nicht von ihren Plänen abbringen lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Bärbel Bas