Frage an Axel Knoerig von Oliver S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit seinem am 25.07.2012 verkündeten Urteil entschieden, dass das mit der Änderung des Bundeswahlgesetzes (BWG) neu gestaltete Verfahren der Zuteilung der Abgeordnetensitze des Deutschen Bundestages gegen die Grundsätze der Gleichheit und Unmittelbarkeit der Wahl sowie der Chancengleichheit der Parteien verstößt.
Dies betrifft zunächst die Zuweisung von Ländersitzkontingenten nach der Wählerzahl (§ 6 Abs. 1 Satz 1 BWG), weil sie den Effekt des negativen Stimmgewichts ermöglicht. Darüber hinaus sind die Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit und der Chancengleichheit
der Parteien auch insoweit verletzt, als nach § 6 Abs. 2a BWG
Zusatzmandate vergeben werden und soweit § 6 Abs. 5 BWG das
ausgleichslose Anfallen von Überhangmandaten in einem Umfang zulässt, der den Grundcharakter der Bundestagswahl als Verhältniswahl aufhebt.
Der Senat hat die Vorschriften des § 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2a BWG für nichtig und die Regelung über die ausgleichslose Zuteilung von Überhangmandaten (§ 6 Abs. 5 BWG) für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt. Es fehlt somit an einer wirksamen Regelung des Sitzzuteilungsverfahrens für die Wahlen zum Deutschen Bundestag.
Die zuvor geltenden Bestimmungen leben nicht wieder auf, weil das Bundesverfassungsgericht sie mit Urteil vom 3. Juli 2008 (BVerf¬GE 121, 266) ebenfalls für verfassungswidrig und nur für eine - zwischenzeitlich verstrichene - Übergangsfrist weiter anwendbar erklärt hat.
Über den Sachverhalt, der den drei miteinander verbundenen Verfahren zugrunde liegt, informiert die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 28/2012 vom 7. Mai
2012. Sie kann auf der Homepage des Bundesverfassungsgerichts eingesehen werden.
Mit welcher Berechtigung wird die "Bundestagswahl" durchgeführt, wo doch das "Wahlgestz" für verfassungswidrig erklärt wurde?
Ebenso sieht das "Grundgesetz" keine Wahl von Parteien vor! Ist das Ihre Form von "DEmokratie"?
Sehr geehrter Herr Stang,
Haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage vom 23. September 2017.
Das Urteil des Bundesverfassungsgericht vom 25. Juli 2012 hat nicht das Bundeswahlgesetz in Gänze für verfassungswidrig erklärt, sondern Änderungen an der Wahlrechtsreform von 2011 angemahnt.
Die Richter kritisierten den Effekt des sogenannten negativen Stimmgewichts. Das führte dazu, dass die Abgabe einer Stimme der jeweiligen Partei bei der Berechnung der Abgeordnetenzahl im Ergebnis schadet. Grund dafür war die Bildung von Sitzkontingenten in den Bundesländern. Das Gericht beschränkte die Überhangsmandate auf 15, während bei der Bundestagwahl 2009 insgesamt 24 Überhangsmandate angefallen waren.
Das Bundesverfassungsgericht gab bei diesem Urteil keine sonst übliche Übergangsfrist von 3 Jahren, sondern verlangte eine Änderung des Bundeswahlgesetzes bis zur Bundestagswahl 2013. Der Bundestag änderte das Bundeswahlgesetz in der 22. Novelle, die am 9. Mai 2013 in Kraft trat. Geändert wurde die Paragraphen 6, 46, 48 und 51. Sie betrafen die Zusammensetzung der Landeslisten und die Rekrutierung der Überhangsmandate.
Es werden nicht, wie Sie sagen, Bundestagswahlen mit verfassungswidrigem Bundeswahlgesetz durchgeführt, sondern vor Wahlen wird das Gesetz angepasst. So haben wir mit der Novelle vom 15. Mai 2017 Wahlkreisanpassungen ins Bundeswahlgesetz eingebracht, die der demografischen Entwicklung geschuldet waren. Die Wahl von Parteien steht auch nicht im Grundgesetz, sondern im Bundeswahlgesetz. In Art. 21 Absatz 1 steht, dass die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken, insofern können sie sich auch bei Wahlen beteiligen.
Mit freundlichen Grüßen
Axel Knoerig MdB