Frage an Axel Knoerig von Julian W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Knoerig,
In Artikel sechs des Grundgesetzes heißt es, die Ehe sei eine "[...] auf Dauer angelegte, in der rechtlich vorgesehenen Form geschlossene, grundsätzlich unauflösliche Lebensgemeinschaft von Mann und Frau". Das Grundgesetz ist von 1949.
Mittlerweile ist mehr als ein halbes Jahrhundert vergangen und durch den gesellschaftlichen Wandel hat sich das Bild von Familie, Geschlecht und Sexualität gewandelt, sodass auch homosexuelle Paare weitgehend akzeptiert sind.
Nichtsdestotrotz wird ihnen das Recht auf Ehe versagt, indem immer wieder auf den eben angesprochenen Teil des Grundgesetzes verwiesen wird.
Was rechtfertigt Ihrer Meinung nach die Benachteiligung gleichgeschlechtlicher Paare in Bezug auf die Ehe? Sollte in der Debatte weiterhin ein Gesetzesteil herangezogen werden, der zu einer Zeit entstand, in der es schon unvorstellbar war und gesellschaftlich geächtet wurde, wenn zwei Männer oder zwei Frauen nur Händchen hielten oder sich küssten?
Außerdem: Auch wenn Sie sich als "wertkonservativ" bezeichnen, glauben Sie nicht, dass auch gleichgeschlechtliche Paare die gleichen Werte vertreten und vermitteln können, wie Paare verschiedenen Geschlechts? Wie lässt sich dann noch eine Benachteiligung rechtfertigen?
Ein weiteres Argument, dass immer wieder genannt wird, ist, dass Schwule und Lesben nicht selbst Kinder bekommen können und sie deshalb auch nicht staatlich gefördert werden müssten ("Ehe als Vorstufe zur Familie").
Abgesehen davon, dass gleichgeschlechtliche Paare sehr wohl eine Familie gründen und Kinder haben können (Adoption, Kinder aus vorigen Beziehungen etc.), müssten dann nicht auch kinderlose heterosexuelle Paare von der Ehe ausgeschlossen werden?
Ich freue mich auf Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen,
Julian Wortmann
Sehr geehrte Frau Wortmann,
vielen Dank für Ihre Anfrage über www.abgeordnetenwatch.de. Gerne möchte ich zu den von Ihnen gestellten Fragen Stellung beziehen.
Nach Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes steht die Ehe unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Ehe wird nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft von Mann und Frau definiert (vgl. etwa die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Transsexuellengesetz vom 6. Dezember 2005, Rn. 60). Eine Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare wäre mit Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und damit verfassungswidrig.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion bekennt sich zudem ausdrücklich zu der in Artikel 6 niedergelegten Wertentscheidung des Grundgesetzes. Ehe und Familie sind die Keimzelle der Gesellschaft und bedürfen auch in einer Zeit gesellschaftlichen Wandels des besonderen Schutzes und der Förderung durch den Staat. Wir sind daher auch der Überzeugung, dass die Rechtsordnung in bestimmten, sachlich gerechtfertigten Bereichen eine Unterscheidung zwischen Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft machen muss - so etwa, wenn es um die Elternschaft für Kinder geht. In diesem Zusammenhang kann ich Sie auf eine Pressemitteilung der Fraktion anlässlich einer öffentlichen Anhörung im Bundestag aufmerksam machen:
Zugleich ist aber auch darauf hinzuweisen, dass das Institut der eingetragenen Lebenspartnerschaft in der heutigen Rechtswirklichkeit bereits weitgehend der Ehe angeglichen worden ist. Auch in der laufenden 17. Wahlperiode wurden entsprechende gesetzgeberische Maßnahmen, etwa im öffentlichen Dienstrecht und im Steuerrecht, umgesetzt. Hierzu zitiere ich aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (BT-Drs. 17/8248, S. 3):
„Im Koalitionsvertrag haben sich CDU, CSU und FDP dazu bekannt, die Ausgewogenheit von Rechten und Pflichten von eingetragenen Lebenspartnerschaften weiter zu verbessern. Als konkretes Ziel wurde die Übertragung der familien- und ehebezogenen Regelungen über Besoldung, Versorgung und Beihilfe im öffentlichen Dienstrecht des Bundes auf Lebenspartnerschaften genannt. Ferner haben sich die Parteien der Regierungskoalition im Koalitionsvertrag dazu verpflichtet, gleichheitswidrige Benachteiligungen im Steuerrecht abzubauen und dort insbesondere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Gleichstellung von Lebenspartnern mit Ehegatten umsetzen.
Durch das Erbschaftsteuerreformgesetz und das Jahressteuergesetz 2010 wurden die Lebenspartner den Ehegatten im Erbschaftsteuer- und Schenkungssteuerrecht gleichgestellt. Das Jahressteuergesetz 2010 brachte die Gleichstellung auch im Grunderwerbsteuerrecht. Durch das Gesetz zur Übertragung ehebezogener Regelungen im öffentlichen Dienstrecht auf Lebenspartnerschaften wurde die Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft im öffentlichen Dienstrecht rückwirkend zum 1. Januar 2009 erreicht. […]“
Sehr geehrte Frau Wortmann, ich hoffe Ihnen mit meiner Einschätzung weitergeholfen zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Axel Knoerig MdB