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Axel Knoerig
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Frage von Oliver S. •

Frage an Axel Knoerig von Oliver S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Knoerig,

der sogenannte EU Vertrag von Lissabon ist nun ratifiziert. Steht dieser EU Vertrag über dem GG?
Wie stehen Sie zu den Passagen, in denen ausführlich beschrieben wird, wie die EU reagieren darf, wenn Menschen in Europa die EU Politik nicht mehr tragen wollen?

Im GG Art.21 Absatz 2 steht:
Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

Welche Abstimmungen des Volkes sind eigentlich gemeint?
Art 21 Absatz 4 sagt:
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Nun der Bundestag ist dabei, diese Ordnung abzuschaffen.
84 % der Gesetze kommen, laut Roman Herzog, aus Brüssel. Worauf Herzog zur Frage kam, ob Deutschland denn noch als parlamentarische Demokratie bezeichnet werden kann.

1.Wie verhalten Sie sich wenn das Volk einen Aufstand gegen den EU Vertrag durchführen will?
2.Haben Sie das Vertragswerk vor der Abstimmung gelesen?
3.Warum gab es erst nach der Abstimmung durch den Bundestag eine Druckversion des EU Vertrages?
Und wie stehen Sie zu dem Passus, das die Todesstrafe verhängt werden kann?

Im Artikel 2 dieser Grundrechtecharta steht unter (2): Niemand darf zur Todesstrafe verurteilt oder hingerichtet werden.
Das Problem liegt im "Kleingedruckten", in den sogenannten Erläuterungen zur Grundrechtecharta.* Da steht:
"Eine Tötung wird nicht als Verletzung des Artikels betrachtet," wenn es erforderlich ist, "einen Aufruhr oder Aufstand rechtmäßig niederzuschlagen".( Was heißt rechtmäßig?) (siehe GG art21 abs 4)
Die zweite Ausnahme, wann die Todesstrafe verhängt werden darf: "Für Taten in Kriegszeiten oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr."

Ihre Haltung würde mich sehr interessieren.

MfG
Stang

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Stang,

haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht vom 27.12.2009.

Der Vertrag von Lissabon ist ein Änderungsvertrag, der nur die Neuerungen regelt, die in den alten Verfassungsvertrag aufgenommen werden. Passagen zum Abstimmungsverhalten der Menschen in Europa sind nicht im Vertragswerk enthalten. Stattdessen wird aber als Novum die sog. Europäische Bürgerinitiative (Art. 11 Abs. 4 EU-Vertrag) aufgenommen. Danach kann die Europäische Kommission aufgefordert werden, einen Gesetzesentwurf zu einem bestimmten Thema vorzulegen, wenn eine Million Stimmen aus einem Viertel der EU-Staaten zusammenkommen. Die Verordnung zu dieser Europäischen Bürgerinitiative ist aber noch nicht ausgearbeitet und wird 2010 in das Vertragswerk aufgenommen. Die Abstimmungsmodalitäten zwischen den Mitgliedsstaaten zu dieser Bürgerinitiative werden zeigen, ob dieses Instrument als Plebiszit in der Praxis angenommen wird. Im politischen Prozess der EU verändert sich dadurch wenig und auch die indirekte demokratische Legitimation bleibt erhalten.

Die von Ihnen angesprochene Unzufriedenheit der Bürger an der Europäischen Union manifestiert sich in der im Vergleich zu Kommunal-, Landtags- und Bundestagswahlen relativ geringen Wahlbeteiligung. Die EU wird von den Mitgliedsstaaten getragen und das repräsentativ.
Art. 21 Abs. 2 Grundgesetz sagt aus, wie das Volk als Souverän mitbestimmt: durch Wahlen und Abstimmungen und durch Organe der Gesetzgebung. Das heisst also, dass die Willensbildung hier indirekt über die Wahl von Angeordneten erfolgt, die das Volk repräsentieren. Insofern ist die Bundesrepublik eine repräsentative parlamentarische Demokratie. Art. 21 Abs. 4 ist als Widerstandsrecht oder wehrhafte Demokratie gemeint, wenn es Bestrebungen gibt, die demokratische Grundordnung zu untergraben oder aufzuheben. Dieses Widerstandsrecht richtet sich nicht gegen den Prozess der politischen Willensbildung im Rahmen der Verfassungsordnung.

Die Abgabe von Hoheitsrechten an die Europäische Union ist in Art. 23 Abs. 1 geregelt. Wenn etwas im Bereich der Wirtschaftspolitik 85 Prozent der Gesetzgebung heute über EU-Recht geregelt wird, heisst das nicht, dass sich der parlamentarische Prozess in der Bundesrepublik auflöst. Bund und Länder arbeiten in der EU-Politik mit und die Bundesregierung ist Mitglied in allen Gremien der Europäischen Union.
Art. 2 der Grundrechtscharta zur Todesstrafe ist in der Tat ein unzureichendes Verbot der Todesstrafe. Die Erläuterungen zur Charta der Grundrechte sind rechtlich nicht verbindlich. Im Lissabon-Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird dieses Problem nicht thematisiert. Die große Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten, u.a. auch Deutschland, haben im 13. Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention vom 3. M 2002 bereits ratifiziert, dass Todessstrafen in Friedens- und Kriegszeiten grundsätzlich verboten sind.

Mit freundlichen Grüßen

Axel Knoerig MdB

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