Wie stehen Sie zur Koalitionsvereinbarung zur Streichung der Steuerklassen 3 und 5 zugunsten von Steuerklasse 4 plus Faktor / Seite 91 und 92?
Das Thema Gleichstellung findet sich im Koalitionsvertrag auf Seite 91 und 92.
Hier wird die Steuergerechtigkeit, die unterjährig durch die Einteilung in 3 und 5 aus dem Gleichgewicht kommt, angesprochen. Durch die ersatzlose Streichung zugunsten der Steuerklasse 4 plus Faktor würde eine Steuergerechtigkeit innerhalb des Jahres eintreten.
Weitere Faktoren, die nicht nur den monetären Bereich betreffen, wie soziale Gerechtigkeit oder auch das Wissen der Ehepartner untereinander über Löhne usw., spielen ebenso eine wichtige Rolle.
Bisher habe ich noch keine Lesung zum Thema wahrgenommen, und die Zeit drängt.
Sehr geehrte Ursula N.,
Vielen Dank für Ihre Frage! Das Thema Gleichstellung ist unserer Fraktion sehr wichtig. Das Bundesfinanzministerium arbeitet an einem Gesetzentwurf, den SPD, FDP und Grüne im Koalitionsvertrag vereinbart hatten. Danach werden die Steuerklassen 3 und 5 gestrichen. Paare sollen künftig nach Steuerklasse 4 zahlen müssen. Die wird an die einzelne Familie angepasst. Das Finanzamt errechnet die Einkommensverteilung des Paares, stellt Freibeträge fest und verteilt das auf die beiden Steuerpflichtigen das sogenannte "Faktorverfahren".
Beim Ehegattensplitting geht es neben dem Aspekt der Gendergerechtigkeit vor allem um die faire Familienbesteuerung. Im Koalitionsvertrag heißt es hierzu: „Wir wollen die Familienbesteuerung so weiterentwickeln, dass die partnerschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche Unabhängigkeit mit Blick auf alle Familienformen gestärkt werden. In der letzten Debatte zum Antrag der Union mit dem Titel „Familien steuerlich stärken – Von der Kinderbetreuung bis zur Seniorenpflege“ (20/11620) am 07.06.2024 hat Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn für Bündnis 90/Die Grünen betont, dass es Ziel sein muss, Familien mit der neuen Steuerklassenregelung zu entlasten. Ein Ziel das wir alle in der Ampel teilen.
Aber wir müssen eigentlich viel grundsätzlicher nachdenken, wenn es um die steuerliche Entlastung geht. Der sogenannte Familienleistungsausgleich umfasst das Ehegattensplitting, das Kindergeld und den Kinderfreibetrag. Wir Grünen wollen diesen Familienleistungsausgleich reformieren, weil er an der Ehe ausgerichtet ist. Familie ist aber weit mehr als Ehe. Kinder leben auch mit nichtehelichen Eltern zusammen. Und natürlich gibt es auch Ehen, die keine Kinder haben, bei denen sich die Frage stellt, warum diese steuerlich gefördert werden müssen?
Bei der Kinderförderung ist es bisher so, dass Menschen mit höherem Einkommen mehr bekommen als Menschen mit mittlerem Einkommen: über 100 Euro mehr über den Kinderfreibetrag. Das ist ein Punkt, den wir mit dem Garantiebetrag der Kindergrundsicherung ändern wollen.
Wir haben gemeinsam als Koalition im Koalitionsvertrag vereinbart, dass dieser Betrag perspektivisch so hoch sein soll, dass er die Anforderung der Sicherung des Existenzminimums erfüllt und das derzeitige Kindergeld ersetzt. Also, der Garantiebetrag soll der steuerlichen Ersparnis durch die Kinderfreibeträge entsprechen. Das wäre ein gerechter Schritt.
Das haben wir als perspektivisches Ziel in den Koalitionsvertrag geschrieben. Und die Koalition hat schon noch mehr als nur einen Schritt gemacht. Um dieses Ziel zu erreichen, ist das Kindergeld überproportional erhöht worden. Dadurch ist diese Gerechtigkeitslücke schon ein Stück weit geschlossen worden. Zentral ist auch die Abschaffung der Steuerklassen III und V. Das Ehegattensplitting soll damit zwar nicht abgeschafft werden, aber zumindest sollen Fehlanreize, die es jetzt gibt, korrigiert und das Steuerrecht entsprechend verändert werden. Das wird nach der Sommerpause kommen.
Ich danke Ihnen für Ihr Engagement und Ihre konstruktiven Anregungen. Sollten Sie weitere Fragen oder Anliegen haben, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Awet Tesfaiesus
Mitglied des Deutschen Bundestages