Warum wurden in Anbetracht des Artensterbens und des Verlustes an Biodiversität die Halm-Förderungen für Streuobstwiesen in Hessen noch weiter zusammengestrichen?
Hallo Frau Tesfaiesus,
ich habe die neuen Richtlinien für die Landwirtschaftlichen Halm 2 - Förderung in Hessen erhalten, die Förderung des Streuobstanbaues wurde nochmals verschlechtert. Weiterhin wurde das Wort Nachpflanzung wie im alten Halm beibehalten. Das bedeutet die Förderung von 55€ je Baum gibt es nur wenn eine Streuobstwiese schon vorhanden ist, ein Flugzeug abstürzt und dabei einen alten Baum beschädigt. Noch schlimmer: Im alten Halm war die Mindesthöhe eines Hochstammbaumes auf 1,60m bis zum Kronenansatz festgelegt. Im neuen Halm wurde das auf 1,80m heraufgesetzt. Warum nicht gleich auf 2,50m oder 3,00m? Da auch in vielen Altbeständen die Kronenhöhen unter 1,80m liegen fallen alle diese Bäume auch aus der Förderung heraus. Streuobst scheint also in dem von den Grünen besetzten Amt für Umwelt und Klimaschutz nicht wirklich beliebt zu sein. Das wäre doch mal etwas womit sie sich auseinandersetzen könnten, oder meinen Sie nicht?
Liebe Grüße
Martin G.
Lieber Herr G.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Fragen und Hinweise zur Förderung von Streuobstwiesen in Hessen.
Ich kann ihre Verwunderung nachvollziehen und möchte Ihnen die Gründe darlegen, die zu diesen Entscheidungen geführt haben.
Das Ziel der Förderung der Streuobstbestände im Rahmen des Hessischen Agrarumwelt- und Landschaftspflege-Maßnahmen (HALM 2) ist – genau wie Sie sagen – das der Nachpflanzung. Damit sollen bestehende Streuobstbestände verjüngt und fit für die Zukunft gemacht werden.
Die völlige Neuanlage von Streuobstwiesen soll auch weiterhin nicht über HALM laufen, da hier andere Instrumente, wie z. B. die Finanzierung im Rahmen des naturschutzrechtlichen Ausgleichs, greifen.
Die Vorgabe zur Mindeststammhöhe von 1.80m wird vom Bund vorgeschrieben. Da dieses Programm von Bund & Land gemeinsam finanziert wird, muss sich das Bundesland Hessen an die Vorgaben des Bundes halten.
Und gerade weil uns der Umwelt- und Artenschutz uns so sehr am Herzen liegt, wurde sich für die von Ihnen angesprochene Erhöhung der Kronenhöhe entschieden..
Es ist aus naturschutzfachlicher Sicht so, dass das Biotop Apfelbaum wertvoller wird, desto höher der Kronenansatz ist. Viele Spechte bauen ihre Baumhöhlen erst ab einer bestimmten „Stammlänge“. Diese Höhlen sind ein wertvolles Strukturelement und ein wichtiger Sekundärlebensraum für Steinkauz, Sieben- und Gartenschläfer, verschiedene Käfer, Hornissen, bestimmte Pilze und viele weitere & erhaltenswerte Arten. Würden überall in Deutschland nun niedrigstämmige Obstbäume nachgepflanzt werden, so hätten wir in einigen Jahren so gut wie keinen Lebensraum mehr für bestimmte Arten.
Ein weiterer Grund welcher für ein Heraufsetzen der Kronenhöhe sprach, ist die Qualität von standortangepassten Obstbäumen.
Von vielen hier ansässigen Baumschulen wissen wir, dass in Deutschland primär Hochstammbäume mit einer Kronenhöhe ab 1,80 m nach den entsprechenden Gütebestimmungen für Baumschulpflanzen der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. (FLL) erzeugt werden. Die Bäume, welche eine kleinere Stammhöhe haben und trotzdem als Hochstämme verkauft werden, kommen oft aus Baumschulen aus dem europäischen Ausland. Mit der Förderung wollen wir ja aber genau auf die Verwendung von qualitativ hochwertigen, regional typischen und an die örtlichen Boden- und Klimaverhältnisse angepassten Bäume zielen.
Aus diesen Gründen wurde sich bei der Förderung für eine Stammhöhe von 1.80m ausgesprochen.
Von einigen PraktikerInnen hören wir übrigens, das die Bewirtschaftung unter den Bäumen durch eine höheren Kronenansatz vereinfacht wird: die Beweidung oder das Mähen der Wiese ist so besser möglich und die Bewirtschaftungskosten des Grünlands gehen zurück..
Für Sie aber noch der Hinweis, dass den Bundesländern die Möglichkeit eröffnet wurde in begründeten Ausnahmefällen von der Stammhöhe von 1.80m abzuweichen. Und Hessen ist hier – unter bestimmten Voraussetzungen - durchaus bereit eine Ausnahme zu machen.
Daher empfehle ich Ihnen, sich vor dem Kauf der nachzupflanzenden Bäume an das für Ihre Region zuständige Landratsamt zu wenden und dort den Fachdienst Landwirtschaft zu kontaktieren.
Hier können Sie vorher eine Einschätzung erhalten, ob in Ihrem Fall von der 1.80m Vorschrift abgewichen werden kann.
Ich bedanke mich für Ihr Interesse und Ihr Engagement in Sachen Biodiversität und Streuobstwiesenerhalt.
Ich hoffe Ihnen weitergeholfen zu haben und verbleibe mit freundlichen Grüßen Awet Tesfaiesus