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Astrid Welter-Herzberger
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Frage von Michael P. •

Frage an Astrid Welter-Herzberger von Michael P. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrte Frau Welter-Herzberger,

Als Problemkind im Schulsystem schlechthin gilt ja die Hauptschule. Manchmal denkt man ja geradezu, dass dort nur dunkle Gestalten sind, die dort Drogen nehmen, sich gegenseitig verprügeln und sich auf eine Hartz-IV oder Verbrecherkarriere vorbereiten, wenn man denn alarministische Zeitungsberichte oder verzerrte Darstellungen im Film oder Fernsehn glauben schenkt. Dazu kommen immer wieder Berichte, dass auf der Hauptschule sehr viele Schüler einen "Migrationshintergrund" haben - was bei vielen Leuten nicht gerade Vertrauen schafft.

Ist dieses extrem negative und völlig falsche Bild vielleicht nicht sogar mit eines der größten Probleme der Hauptschule? Welches dazu führt, dass Eltern alles unternehmen, um ihre Kinder ja nicht auf diese "schlimme" Schule zu schicken? Oder das viele Unternehmen grundsätzlich eine mittlere Reife als Vorraussetzung für eine Lehre erwarten?

Und was kann man dagegen tun?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Pock,

herzlichen Dank für ihre Anfrage. Bitte entschuldigen Sie, dass meine Antwort so lange auf sich warten lies, es war leider nicht früher möglich. Sie schneiden ein ganz wichtiges Thema an, das mir sehr am Herzen liegt. In der Tat ist es so, dass die Hauptschulen nach außen ein schlechteres Image haben, als es tatsächlich der Fall ist. Aber leider kann ich Ihnen nicht zustimmen, dass das Bild der Hauptschulen völlig falsch sei:

Fakt ist, dass 1.600 Lehrerstellen an den Hauptschulen hier in Bayern gestrichen wurden, statt sie dazu zu nutzen, die Klassenstärken zu verkleinern. Fakt ist auch, dass an manchen Schulen die Anzahl der Kinder mit Migrationshintergrund bis zu 50% / 60% beträgt. Wobei Bayern noch recht wenig davon betroffen ist, vielmehr andere Bundesländer.

Aber auch in Bayern gibt es "Problemschulen". Und vor einigen wenigen Monaten zum Beispiel war hier im Ingolstädter Bereich eine Veranstaltung mit Hauptschülern, die sich zu "ihrem" Image geäußert haben. Da kamen dann auch Aussagen wie "wir sind die, die keiner mehr haben will", "wir sind die, die keine Chancen haben" usw. Das ist bitter. Dieses Bewusstsein bei den jungen Menschen, dass sie bereits "auf der Verliererstraße" sind, führt zu Demotivation.

Allerdings werden auch aus der Wirtschaft heraus Stimmen lauter, die sagen, dass die Hauptschüler nicht mehr (ganz) den Anforderungen einer Berufsausbildung genügen. Zum Beispiel wird angeführt, dass im Bereich Mathematik (Geometrie) oft Lücken im Grundwissen vorhanden seien.

Als ehemalige Hauptschülerin fühle ich mich diesen Schülern in besonderer Weise verbunden, obgleich mir alle Schüler wichtig sind. Zu meiner Zeit hatte man als Hauptschülerin durchaus gute Perspektiven, sein Leben meistern zu können. Ich bin mir sicher, dass die Schüler heute nicht dümmer sind, als wir damals. Daher ist es mir auch ein besonderes Anliegen, dass auch die heutigen Schüler eine Perspektive haben.

Nach meiner Einschätzung ist der erste Schritt, der dringend gegangen werden muss, der, dass die frühe Selektion nach der vierten Klasse wieder abgeschafft wird. Dieser Schritt sollte frühestens nach der 6 Klasse vollzogen werden. Es ist heute unstrittig, dass leistungsstarke Kinder die leistungsschwächeren mitziehen und motivieren. Wer sich nicht mehr mit den besten messen kann, verliert auch die Lust an der Leistungssteigerung, weil der Anreiz fehlt. Zudem glaube ich, dass zumindest auf dem Land neue Wege gegangen werden müssen, um Schulstandorte zu erhalten. Eine Möglichkeit bietet die sogenannte Regionalschule, in der Haupt- und Realschüler zusammengefasst werden. Und zwar nicht nur als zwei Schulen unter einem Dach, sondern hier werden die Schüler soweit wie möglich gemeinsam unterrichtet und nur dort "selektiert", wo es notwendig ist. Diese Schulform gibt es mittlerweile in fast allen Bundesländern, egal von welcher Partei sie regiert werden.

Ein weiterer wichtiger Schritt wäre die Änderung der Unterrichtsform. Wenn wir in die Länder der Pisa-Sieger schauen, stellen wir fest, dass dort, wenn überhaupt noch, wesentlich weniger Frontalunterricht statt findet, als hier. Dies bedarf eines völlig neuen Konzeptes, das auf Regionale Eigenheiten abgestimmt werden muss. Außerdem halte ich die verbindliche Ganztagsschule für absolut notwendig. Von den Eltern wird immer mehr Mobilität und Flexibiliät erwartet, die Wirtschaft benötigt in absehbarer Zeit jede verfügbare Arbeitskraft: Wer soll denn da die Kinder am Nachmittag noch fördern, wenn niemand zu Hause ist? Und Nachhilfe kann die Lösung nicht sein. Mal ganz davon abgesehen, dass sich dies auch die wenigsten leisten könn(t)en. Bildung ist Aufgabe des Staates und ich finde, er muss seiner Verpflichtung auch unter geänderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nachkommen. Außerdem sind doch die Lehrer diejenigen, die zur Wissensvermittlung ausgebildet sind, nicht die Eltern. Und, wie viele Beispiele auch in der Bundesrepublik zeigen, die Lehrer machen es gerne, wenn das Konzept stimmt und niemand - auch die Lehrer nicht - übervorteilt oder überfordert wird.

Das für diese Änderungen Geld notwendig ist, ist wohl jedem klar. Was nicht jedem klar ist: Wie kann Deutschland in eine gute Zukunft gehen, wenn sie an dem spart, was ihr wichtigstes und wertvollstes "Gut" ist: An unseren Kindern? Mir, und natürlich auch der Bayern-SPD, ist das vollkommen klar. Und uns sind die Kinder das auch Wert. Deshalb wollen wir deutlich mehr in die Bildung investieren, als es die bayerische Staatsregierung seit langem macht.

Herzliche Grüße
Astrid Welter-Herzberger