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Astrid Rothe-Beinlich
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Frage von Detlef H. •

Frage an Astrid Rothe-Beinlich von Detlef H. bezüglich Soziale Sicherung

Die Natur ist nicht nur Ihnen wichtig! Ich finde jedoch, das Klima und die Umwelt können wir nicht von aus Deutschland retten. Schauen Sie sich Mittelmeer und Rotes Meer an, da schwimmt Plastikmüll.
Sie sollten auch nicht vergessen und dazu stehen, das Ihre Partei unter Kanzler Schröder Harz 4 mit
beschlossen hat und somit zur Spaltung der Gesellschaft beigetragen hat. Meiner Meinung nach war das der erste Schritt zum Aufstieg der Populisten. Ich komme mit ihrer Partei nicht klar.
Wie stehen Sie zum Verhältnis Ökonomie - Ökologie? Was nützt den Menschen eine gesunde Natur,
wenn sie dadurch ihre Arbeitsplätze verlieren ( Kohleausstieg ), ihre überteuerten Mieten nicht zahlen
können, von gesunder Ernährung ganz zu schweigen. Als langjähriges Gewerkschaftsmitglied erkenne ich bei ihnen nur. Umweltschutz um jeden Preis um die Menschen und ihre sozialen Probleme kümmer wir uns später oder überlassen es Anderen. In der Hoffnung auf eine Antwort, MfG D.Kalb

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr H.,

vielen Dank für Ihre Frage.

Das ist ein ziemlich großer Komplex, den Sie da ansprechen, ich
versuche, in der gebotenen Kürze, darauf zu antworten.

Es mag sein, dass man das weltweite Klima nicht allein von Deutschland
aus retten kann. Wenn aber jedes Land nur egoistisch reagiert, wird das
aber definitiv gar nichts mit dem Klimaschutz. Genau dafür gibt es
internationale Abkommen, in denen sich eine deutliche Mehrheit der
Staaten gegenseitig verpflichtet haben, energische Maßnahmen zu mehr
Klimaschutz zu ergreifen, jüngst erst mit dem Klimaaabkommen von Paris.
Was jedoch tut Deutschland, um nicht vertragsbrüchig zu werden?  Ich
sehe da leider wenn überhaupt nur sehr wenig.

Fakt ist: Der Klimawandel ist längst Realität. Ein Jahrhundertsommer
folgt dem nächsten - ich halte das nicht für einen Zufall. Einige
Wissenschaftler gehen inzwischen von einer weltweiten Erwärmung um die 4
Grad aus. Das würde u.a. nach sich ziehen, dass nur noch ca. 1 Mrd.
Menschen auf der Erde Platz haben würden. Größere Teile Deutschlands
würden bei diesem Szenario perspektivisch unter Wasser liegen.

Insofern hilft es auch nichts, auf das Mittelmeer zu verweisen, ja dort
schwimmt Plastikmüll - viel zu viel - und etliches davon stammt auch aus
Deutschland - in Nord- und Ostsee oder unseren Flüssen schwimmt auch
Plastikmüll. Daneben finden sich im Wasser auch viel zu viele
Antibiotika oder Herbizide und andere Gifte. Stoffe, die z.B. über das
Trinkwasser oder Nahrungsmittel den Weg direkt zu uns oder unseren
Kindern finden. Es gilt daher: Global denken und lokal handeln - in
Deutschland und hier vor Ort.

Wir haben als großes Industrieland auch eine internationale
Verantwortung. Unser Land war mal weltweit ziemlich weit vorn im Umwelt-
und Klimaschutz, das ist allerdings mittlerweile lange her. Von den 10
dreckigsten Kohlekraftwerken Europas steht die deutliche Mehrzahl in
Deutschland. Wir sind in Europa beim Klimaschutz leider ziemlich weit
hinten - d.h. wir leben so gut auf Kosten der Natur, auf Kosten von
anderen.

Der Kohleausstieg wird kommen, da bin ich mir sicher. Natürlich wird das
in einer ohnehin strukturschwachen Region wie der Lausitz einige und gut
bezahlte Arbeitsplätze kosten. Ich kann verstehen, dass die Betroffenen
vor Ort entsprechend reagieren. Ein einfaches weiter so können wir uns
aber auch volkswirtschaftlich nicht leisten. DIe Folgen des
menschengemachten Klimawandels kosten uns heute schon viele Millionen
jedes Jahr, Unwetter nehmen zu, Unwetterschäden damit auch. Es ist auch
volkswirtschaftlich notwendig, sich auf den Klimawandel einzustellen und
zu versuchen, diesen möglichst noch einzudämmen und
Klimaanpassungsmaßnahmen voran zu bringen. Aktuelles Beispiel sind die
Millionenschäden in den Wäldern nach zwei Trockensommern, wo wir gerade
Millionensummen im dreistelligen Bereich zur Beseitigung der Schäden
allein in Thüringen bereitstellen..

Mit dem unter der rot-grünen Bundesregierung etablierten
Erneuerbare-Energien-Gesetz wurden in der dazugehörigen Industriebranche
zehntausende Arbeitsplätze neu geschaffen. Mit dem Abwürgen dieses Booms
unter schwarz-gelb wurde die übergroße Mehrheit dieser Arbeitsplätze
vernichtet. Wo war da der Aufschrei? Blieb dieser aus, weil es nicht
ganz so große Firmen waren? Insofern kann man trefflich streiten, ob
Umwelt- und Klimaschutz Arbeitsplätze kosten oder nicht im Gegenteil
viele neue schafft. Jede noch so kleine Photovoltaik-Anlage schafft
Aufträge für die lokalen Handwerker, die diese z.B. installieren und
warten. Das ist auch ein Vorteil einer dezentralen Struktur der
Energieversorgung, es sichert und schafft Arbeitsplätze vor Ort.

Ich sehe daher keinen Gegensatz zwischen Ökonomie und Ökologie. Ich bin
vielmehr davon überzeugt, dass es notwendig ist, zwischen Ökonomie,
Ökologie und dem Sozialen einen Dreiklang herzustellen und nicht eines
gegen das andere auszuspielen.  In diesem Sinne regulierend einzugreifen
und eben nicht das eine gegen das andere zu setzen, wie es aktuell in
der Bundesregierung der Fall ist - das sehe ich als Aufgabe kluger und
ausgewogener Politik.

Und ja - die Bundestagsfraktion meiner Partei hat seinerzeit
mehrheitlich für die Hartz-Reformen gestimmt. Ich habe nie ein Hehl
daraus gemacht, das ich diese Entscheidung für falsch hielt. Und ich bin
sehr froh darüber, das sich meine Partei auch als erste für deutliche
Änderungen wie die Abschaffung von Sanktionen und eine Grundsicherung,
zunächst für Kinder und Senioren, ausgesprochen hat. Persönlich habe ich
mich beispielsweise immer für eine Bürger*innenversicherung im Bereich
Kranken- und Pflegeversicherung ausgeprochen -Eine für Alle - und bin
auch selber freiwillig gesetzlich versichert.

Andere Länder wie Österreich zeigen, dass auch eine klassische
staatliche Rentenversicherung gut und auskömmlich im Sinne deutlich
höherer Renten sein kann, wenn man sie klug ausgestaltet und möglichst
viele Bürger*innen und möglichst viele Einkommensarten einbezieht. Daher
stehe ich und wo nötig streite ich auch dafür.

Mit freundlichen Grüßen Ihre Astrid Rothe-Beinlich