Frage an Arndt Klocke von Sibylle H. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Klocke,
seit etlichen Jahren arbeite ich als Lehrerin im Schulprojekt ‚Amaro Kher‘ für Roma-Flüchtlingskinder in Köln. Ich stelle fest, dass sich die jüngsten Kinder noch sehr gut fürs Lernen begeistern lassen. Aber je älter die Kinder werden, desto mehr begreifen sie, wie aussichtslos ihre Lebenssituation ist (kein Aufenthaltsrecht, keine Arbeitserlaubnis, dauerhafte Armut, geringe Chancen je die menschenunwürdigen Flüchtlingswohnheime verlassen zu können). Dass mit dieser Erkenntnis die Motivation schwindet, sich für die eigene Zukunft anzustrengen, ist doch verständlich. Meine Bemühungen, über Bildung Veränderung zu erreichen, laufen daher allzu oft ins Leere.
Deshalb frage ich Sie: was werden Sie im Falle einer Regierungsbeteiligung tun, damit die Roma-Flüchtlinge in NRW endlich ein dauerhaftes Bleiberecht erhalten (und zwar jenseits von Bedingungen, die alle mir bekannten Roma-Flüchtlingsfamilien noch nie erfüllen konnten: null Kriminalität, selbstständige Erwirtschaftung des Lebensunterhalts, keine Ein-und Ausreisen in den letzten Jahren)?
Nach all meinen beruflichen Erfahrungen bin ich überzeugt, dass es für die Roma ohne eine derartige Vorleistung der deutschen Gesellschaft nie ein Durchbrechen der sich immer weiter fortsetzenden elenden und kinderfeindlichen Lebensbedingungen geben wird.
Im Voraus vielen Dank für Ihre Antwort,
Sibylle Haag
Sehr geehrte Frau Haag,
zunächst vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihr Engagement!
Am 31.12.2011 sind die vorläufig erteilten Aufenthaltserlaubnisse nach der Bleiberechtsregelung ausgelaufen. Obwohl es in NRW noch keine validen Zahlen darüber gibt, ob und welche Aufenthaltserlaubnisse im Anschluss erteilt wurden, zeichnet sich ab, dass sich eine große Zahl der ehemals Begünstigten aktuell wieder in einem unsicheren Status befindet.
Stichprobenartige Nachfragen zeigen, dass etwa 40 % der Betroffenen bislang lediglich eine Fiktionsbescheinigung erhalten haben. Zahlen zu Betroffenen, die in die Duldung zurückgefallen sind, liegen noch nicht vor. Darüber hinaus leben bundesweit bereits wieder ca. 55.000 Menschen seit z.T. deutlich über 6 Jahren im Duldungsstatus, die aufgrund der Stichtagsregelung nicht in die ausgelaufene Bleiberechtsregelung einbezogen waren. Dies macht deutlich, dass die bisherigen Regelungen das Problem der Kettenduldungen nicht annähernd lösen konnten. In NRW lebten zum Stichtag 31.12.2011 insgesamt 26.614 Menschen mit Duldung.
Auch die Bleiberechtsregelung für gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende, die am 01.07.2011 in Kraft getreten ist, konnte die an sie gestellten Erwartungen nicht erfüllen und bei der o.g, Problemlage keine Abhilfe schaffen. Zum 31.12.2012 waren in NRW gerade einmal 19 Aufenthaltserlaubnisse nach § 25a AufenthG erteilt worden.
Die verschiedenen Bleiberechtsregelungen waren Schritte in die richtige Richtung, weil sie anerkennen, dass lange hier lebenden geduldeten Flüchtlingen eine Bleiberechtsmöglichkeit gegeben werden muss. Auch die Einfügung des §25a ins Aufenthaltsgesetz war ein richtiger Schritt, weil er erstmals eine stichtagsfreie Regelung bietet – aber beides greift leider auch aus unserer Sicht viel zu kurz. Die Bleiberechtsregelung, weil sie die Anforderungen an die Lebensunterhaltssicherung viel zu hoch hängt, durch den Stichtag viele Menschen ausschließt und keine Härtefallregelung für Alte, Kranke und Traumatisierte Menschen enthält; §25a AufenthG, weil er durch das fehlende abgeleitete Aufenthaltsrecht für Eltern und Geschwister einen unzumutbar hohen Druck auf potentiell von der Regelung begünstigte Jugendliche ausübt.
Wie aus dem im Bundestag vorliegenden Gesetzentwurf der Grünen hervorgeht, werden wir uns auch weiterhin für eine entsprechende gesetzliche Regelung einsetzen. Im Übrigen hat die bisherige rot-grüne Landesregierung auch in den vergangenen zwei Jahren sowohl in der IMK als auch im Bundesrat bei den entsprechenden Gelegenheiten für eine stichtagsfreie Bleiberechtsregelung mit abgesenkten Hürden für die LU-sicherung und einer Härtefallregelung eingesetzt.
Mit grünen Grüßen,
Arndt Klocke