Werden Sie sich für mehr und strengere Vorgaben zum Schutz von Schweinen im neuen Tierschutzgesetz einsetzen, als die aktuelle Kabinettsfassung vorsieht?
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Grau,
Ferkel in der Ernährungsindustrie in Deutschland erleben in den ersten Tagen ihres Lebens
entsetzliche, menschenverursachte Qualen: ihre kleinen Ringelschwänzchen werden ohne
Betäubung abgeschnitten, ihre Zähne – ebenfalls ohne Betäubung - abgeschliffen und
männliche Schweine chirurgisch kastriert.
Diese Tierquälerei wird durch das Tierschutzgestez in seiner gegenwärtigen Fassung legitimiert. Der aktuelle Kabinettsbeschluss zur Änderung des Tierschutzgesetzes enthält keine nennenswerten Bemühungen dieser legalisierten Tierqäulerei künftig einen Riegel vorzuschieben.
Mit dem Staatsziel Tierschutz (Art. 20a GG) können diese Eingriffe keinesfalls vereinbar sein! Was tun Sie daher, damit
1) das Schwanzkupieren vollständig verboten wird?
2) das Zähneschleifen vollständig verboten wird?
3) die chirurgische Ferkelkastration vollständig verboten wird (sofern nicht medizinisch indiziert)?
Mit freundlichen Grüßen aus Ludwigshafen
Sehr geehrter Herr V.,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Tierschutzgesetz.
Seit 2002 ist in unserem Grundgesetz der Schutz der Tiere als Staatsziel festgelegt. Doch zwischen diesem Auftrag und der Wirklichkeit klafft bislang eine erschreckende Lücke. Das Leid der Schweine, wie Sie es schildern, ist leider nur eines von vielen eindrücklichen Beispielen dafür. Es ist unser Ziel, die noch bestehenden Missstände im parlamentarischen Verfahren der Tierschutzgesetzreform konsequent zu bekämpfen. Diese Novellierung ist nicht nur das umfangreichste tierschutzpolitische Vorhaben dieser Legislatur, sondern sogar der vergangenen Jahrzehnte. Wir wollen unter anderem Verstöße durch höhere Straf- und Bußgeldrahmen und Videoüberwachung in Schlachthöfen besser erkennen und härter bestrafen und nicht-kurative Eingriffe an Tieren reduzieren, indem wir die Haltung den Tieren anpassen und nicht umgekehrt.
Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Tierschutzgesetzes reduzieren wir nicht-kurative Eingriffe (Amputationen) an Tieren durch ein Ende des routinemäßig durchgeführten Kürzens von Schwänzen bei Lämmern und Einschränkungen bei Ferkeln sowie ein grundsätzliches Verbot der Amputation bei Lämmern, um damit eine Praxis zu reduzieren, die nicht mit dem Tierschutz vereinbar ist. Außerdem wird das Kürzen von Lämmerschwänzen, sowie das Ausbrennen der Hornanlagen von Kälbern nur noch mit Betäubung stattfinden (diese Betäubungspflicht gilt bereits für die Ferkelkastration), so dass die Belastung der Tiere erheblich reduziert wird. Außerdem wird bei sämtlichen Amputationen der Einsatz schmerzstillender Tierarzneimittel zur Pflicht. Die Verpflichtung zur Schmerzversorgung wird bei der chirurgischen Ferkelkastration auch auf unter sieben Tage alte Schweine ausgedehnt.
Schweine können mit ungekürzten Schwänzen unter guten Haltungsbedingungen gehalten werden. Das Leid der Schweine und deren Verhaltensstörungen entstehen unter anderem durch unzureichende Haltungsbedingungen und der daraus folgenden Überforderung der Tiere. Anstatt die Tiere mittels tiermedizinisch nicht notwendigen Eingriffen an schlechte Haltungsbedingungen anzupassen, arbeiten wir als Ampel gerade an einem Umbau der landwirtschaftlichen Tierhaltung. Dafür haben wir neben einem verpflichtenden Tierhaltungskennzeichen auch ein Förderprogramm für schweinehaltende Betriebe aufgesetzt und schaffen damit positive Anreize, um weniger Tiere besser zu halten. Die Kürzung der Schwänze wird unnötig werden. Das routinemäßige Schwanzkürzen - wie derzeit praktiziert - beenden wir durch die angestrebte Änderung des Tierschutzgesetzes. Schweinehalter*innen sind nun in der Pflicht und Verantwortung, entsprechende Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass auf die Kürzung der Schwänze verzichtet werden kann. Eine konkrete Risikoanalyse und Reduktionsstrategie, für den sukzessiven Verzicht auf das Halten von Schweinen mit gekürzten Schwänzen sollen dabei helfen, seit 1991 geltendes EU-Recht endlich umzusetzen.
Der vorliegende Entwurf ist das Ergebnis intensiver Verhandlungen zwischen den Ministerien der Bundesregierung. In Koalitionen lassen sich die verschiedenen gesellschaftlichen Interessen, welche durch die Parteien repräsentiert werden, nur im Finden von Kompromissen zusammenbringen. Deshalb haben es manche Grüne und auch manche Ihrer Forderungen leider nicht in den vorliegenden Entwurf geschafft. Wichtig ist aber auch: Dies ist ein Entwurf, noch kein fertiges Gesetz. Im nun anstehenden parlamentarischen Prozess haben die Bundestagsfraktionen die Möglichkeit, Änderungen am Gesetz einzubringen. Es kann sich also in alle Richtungen noch einiges bewegen! Wir freuen uns auf die Beratung im parlamentarischen Verfahren und haben das Ziel weitere Defizite zu beheben.
Ich bedanke mich für Ihr Engagement und dass Sie Ihr Anliegen mit uns geteilt haben. Ich werde versuchen, mich auch in meiner weiteren parlamentarischen Arbeit für ein Tierschutzgesetz, das Tiere wirklich schützt, einzusetzen und wünsche Ihnen weiterhin alles Gute.
Mit freundlichen Grüßen
Armin Grau