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Armand Zorn
SPD
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Frage von Mehmet C. •

Tag des Steuerzahlers am 13. Juli: Wie ist Ihre Meinung dazu, dass der durchschnittlich Deutsche, mehr als die Hälfte seines Lebens für den Staat arbeitet?

Sehr geehrter Herr Zorn,
am 13. Juli war der Steuerzahlergedenktag 2022. D.h. bis dahin, hat der durchschnittliche Deutsche für den Staat gearbeitet (Quelle: https://www.steuerzahler.de/steuerzahlergedenktag/) Ja, man darf niemanden verhungern lassen, aber eine Umverteilung in dem Ausmaße dass das halbe Arbeitsleben an den Staat verloren geht. Finden Sie das als ehemaliger PwC Mitarbeiter fair? Warum reduzieren Sie diesen Prozentsatz nicht erstmal bevor Sie den Mindestlohn erhöhen, Bürgergeld etc. einführen wollen?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr C.,

gerne antworte ich auf Ihre Frage, die nicht nur Sie bewegt.
Zuallererst will ich darauf hinweisen, dass ich die von Ihnen zitierte Darstellung, „der durchschnittliche Deutsche“ würde eine Jahreshälfte ausschließlich „für den Staat arbeiten“ für falsch halte. Zum einen stört mich daran, dass eine Durchschnittsangabe in dieser Frage nicht weiterbringt, denn die Bandbreite der Einkommens- und Vermögensverteilung in Deutschland ist sehr groß und dementsprechend gibt es auch nicht „den/die durchschnittliche*n Steuerzahler*in. Vielmehr ist die individuelle steuerliche Belastung sehr unterschiedlich, eben abhängig von der jeweiligen Einkommenssituation. Für die allermeisten Menschen in Deutschland ist das weit weniger als die Hälfte Ihres Jahreseinkommens.

Zum anderen halte ich es für falsch bei dieser Berechnung auch die Sozialversicherungsbeiträge und den Rundfunkbeitrag als vermeintliche „Abgabe an den Staat“ miteinzubeziehen. Denn Sozialversicherungsbeiträge und Rundfunkbeitrag sind keine Steuern und fließen auch nicht in die Staatskasse. Und gerade hier ist es ja ganz offensichtlich: Für die eingezahlten Beiträge erhält der/die Beitragszahler z.B. Krankenversicherungsschutz, eine lebenslange Rente nach Beendigung des Arbeitslebens, eine Absicherung im Fall der Arbeitslosigkeit, Reha-Leistungen und vieles mehr. M.a.W. dieses Geldes fließt also an die Beitragszahler*innen zurück. Und da es sich um Versicherungsleistungen handelt, kann das sogar (z.B. bei sehr schweren Erkrankungen oder langer Arbeitslosigkeit) mehr sein als die Betroffenen jemals eingezahlt haben.

Aber auch Steuern sind kein „geraubtes“ Geld, denn auch dafür erhalten die Steuerzahler*innen eine Gegenleistung des Staates. Denn mit unseren Steuern wird die notwendige öffentliche Verwaltung bezahlt, aber auch der Bau und Unterhalt von Straßen und Infrastruktur, Schulen, Schwimmbäder, Museen, Theater, Polizei und Justiz, Feuerwehr und Rettungsdienste, die Förderung von Wissenschaft und Forschung, Landesverteidigung, Umweltschutzmaßnahmen, internationale Verpflichtungen und, und, und ….. Also alles Dinge, von denen wir alle profitieren und die oft erst ermöglichen, dass sowohl Unternehmen als auch jede*r Einzelne hierzulande überhaupt in der Lage sind, ein Einkommen zu generieren (z.B. durch die Sicherung des Rechtsstaates, den Unterhalt von Infrastruktur, Bildung etc.) und die somit zum Wohlstand unseres Landes beitragen.

Selbstverständlich muss unser Steuer- und Abgabensystem dabei gerecht sein; dieser Meinung bin ich auch. Und ich gebe zu, hier müssen wir noch besser werden. Wenn es darum geht, dass breite Schultern mehr Last tragen können als schmale, dann müssen die, welche hierzulande über besonders hohe Einkommen und Vermögen verfügen, nach meiner Überzeugung einen höheren Anteil zur Finanzierung aller staatlichen Ausgaben leisten, während niedrige Einkommen stärker entlastet werden müssen. Aber dafür braucht es eine politische Mehrheit im Deutschen Bundestag. Und mit der FDP, welche die Bezieher*innen hoher Einkommen und Vermögen sehr einseitig bevorzugt, ist dies leider sehr schwierig umzusetzen. Daher empfehle ich, bei der nächsten Bundestagswahl die SPD zu stärken, um ein gerechteres Steuer- und Abgabensystem in Deutschland zu bekommen!

Aber zu guter Letzt will ich auch noch darauf hinweisen, dass der Bundestag mit den Stimmen aller Koalitionsfraktionen erst vor kurzem das Steuerentlastungsetz 2022 beschlossen hat. Dieses enthält eine ganze Reihe steuerlicher Entlastungen, die sich bis zum Jahr 2026 auf über 22 Mrd. Euro summieren! Dazu gehört bspw. die Anhebung des Steuerfreibetrages (rückwirkend zum 1. Januar 2022), die Erhöhung der Entfernungspauschale, die Erhöhung des Arbeitnehmerpauschbetrags für Werbungskosten (seit 2011 nicht mehr erhöht), die Abschaffung der EEG-Umlage, die einmalige Zahlung einer Energiepreispauschale für alle Arbeitnehmer*innen in Höhe von 300 Euro und die Zahlung eines einmaligen Kinderbonus in Höhe von 100 Euro für jedes Kind.

Über weitere Steuerentlastungen wird derzeit innerhalb der Regierungskoalition beraten und wir werden diese voraussichtlich in Kürze beschließen. Dazu gehören auch Maßnahmen gegen die so genannte „kalte Progression“ (Verschiebung der Tarifeckwerte), von denen alle Bürgerinnen und Bürger in Deutschland profitieren, die Einkommensteuer bezahlen (ca. 48 Millionen Menschen). Wenn wir gleichzeitig auch den Mindestlohn anheben und ein Bürgergeld einführen, um „Hartz IV“ (ein Begriff, der hoffentlich bald der Vergangenheit angehört) zu reformieren, dann ist das in meinen Augen eine gerechte Politik, die allen hilft und unser Land voranbringt.

Mit freundlichen Grüßen, 
Armand Zorn, MdB 

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