Ist kostenloser öffentlicher Personentransport in Deutschland realistisch?
Sehr geehrter Herr Zorn,
in Estland gibt es seit 2013 (zumindest in Tallin) kostenlosen ÖPNV welcher von der Einkommenssteuer bezahlt wird, ist so etwas in Deutschland ihrer Meinung nach realistisch oder erstrebenswert? Wenn ja, haben oder unterstützen sie bestimmte Pläne für die Umsetzung des kostenlosen ÖPNVs?
Falls sie finden, dass dieser Gedanke nicht realistisch ist, was denken sie ist erforderlich, um diesen Plan realistisch zu machen?
Hessen hat zwar schon gute Fortschritte (Jobticket, 365-Euro Ticket, Seniorenticket etc.) gemacht, aber besonders in Frankfurt ist Personen Nahverkehr unglaublich teuer, meine Kernfrage ist also: was hält uns davon ab diesen kostenlos für Bürger*innen zu machen?
Danke für ihre Zeit und herzliche Grüße.
Selina F.
Sehr geehrte Frau F.,
gute Frage! Ja, einen kostenlosen ÖPNV finde ich als Ziel sehr erstrebenswert und sinnvoll. Wir schaffen die notwendige Verkehrswende nur, wenn wir von fossilen Brennstoffen wegkommen, aber zur Entlastung unserer Straßen und Städte reicht es nicht, nur beim privaten PKW von Benzin auf Strom zu wechseln, sondern wir brauchen neue Konzepte von Mobilität, in denen ein guter und möglichst günstiger ÖPNV eine sehr wichtige Rolle spielt. Daher ist es auch richtig und wichtig, Anreize zu setzen, wann immer möglich den ÖPNV statt eines eigenen PKWs zu nutzen. Kurzfristig ist ein komplett kostenloser ÖPNV allerdings kaum finanzierbar. Alleine das 9€-Ticket, das wir angesichts der massiv ansteigenden Energiepreise im Sommer für die gesamte Bundesrepublik umgesetzt haben, hat für nur 3 Monate ca. 2,5 Milliarden Euro gekostet. Den ÖPNV langfristig günstig oder optimalerweise sogar kostenlos zu machen, wird allerdings der Bund nicht alleine stemmen können, sondern Länder und Kommunen, in deren Zuständigkeitsbereich der ÖPNV ja fällt, werden sich ebenfalls daran beteiligen müssen. Aber obwohl der ÖPNV eigentlich gar nicht die Aufgabe der Bundesebene ist, haben wir jetzt mit dem Entlastungspaket III der Regierungskoalition beschlossen, erneut Mittel aus dem Bundeshaushalt bereit zu stellen, so dass ein Nachfolgeticket möglich ist, das zwischen 49 und 69 € pro Monat kostet. Denn aus unserer Sicht war das 9€-Ticket nicht nur ein großer Erfolg, sondern ein deutlich ermäßigtes Monatsticket hilft auch die Bürgerinnen und Bürger zu entlasten und einen Anreiz zu einer nachhaltigen Mobilität zu schaffen. Damit ein solches Ticket noch billiger werden kann, werden aber Länder und Kommunen ebenfalls ihren Teil dazu beitragen müssen.
Mit freundlichen Grüßen,
Armand Zorn, MdB