Frage an Anton Schaaf von Clemens W. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Schaaf,
in den letzten Wochen haben schwere Unfälle mit LKW auf deutschen Autobahnen erneut, oder wieder einmal, darauf hingewiesen, dass die Berufskraftfahrer solcher Automobile mit einer sehr großen Verantwortung leben und umgehen müssen - Das seit diesem Jahr geltende Fahrer-Card-System ("Digital-Tacho") soll dazu beitragen, Sicherheitslücken zu stopfen.
Gleichzeitig hat die EU für eine Arbeitszeitrichtlinie gesorgt, die dem dringenden Bedürfnis nach Entlastung der Berufskraftfahrer diametral entgegen steht.
LKW-Fahrer müssen - ich spreche aus eigener Erfahrung als Führer eines Fahrzeuges bis 12t - mindestens 56 Std. pro Woche Arbeitszeit (6-Tage-Woche) aufbringen, um wenigstens eine Basis vo ca. 1.500 Euro (brutto! BRUTTO!) pro Monat zu verdienen. Transportunternehmen aber zwingen die Fahrer, Nichtlenkzeiten als Ruhezeiten auf der Fahrer-Card zu speichern, obwohl zu diesen "Nichtlenkzeiten" gearbeitet wird: aufladen, abladen, z.B.). Mir nichts/ dir nichts entstehen dann - zum Teil über Arbeitsvertrag schriftlich erzwungen (damit ist gemeint: der Arbeitgeber nutzt die Vertragsgestaltung aus, um den Arbeitssuchenden/ Arbeitenden in dessen materieleller und sozialen Not auszunutzen, also eine arbeitsrechtlich unhaltbare Situation!) - Gesamtarbeitszeiten von nicht nur mehr als 56 Std. Lenkzeiten, sondern darüber hinaus unbezahlte Arbeit von weiteren 14 bis 20 Stunden pro Woche (!) werden nichtvergütet.
Dieses gesetzeswidrige und zudem - und das ist mindestens so entscheidend - extrem die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs gefährdende Handeln von Transportunternehmern, dem die auf ihre Arbeit angewiesenene Berufskraftfahrer nichts entgegensetzen können, selbst aber alle Verantwortung, auch strafrechtlich, tragen, MUSS ENDLICH VON DER REGIERUNG DURCH MASSIVE EINGRIFFE IN DAS ARBEITSZEITGESETZ EINHALT GEBOTEN WERDEN!
Was sind Sie bereit, gegen diesen unhaltbaren Zustand auf unseren Straßen zu tun?
Mit freundlichen Grüßen
Clemens Wolf
Sehr geehrter Herr Wolf,
in Umsetzung der EU-Fahrpersonalrichtlinie 2002/15/EG wurde das deutsche Arbeitsrecht zum 1.9.2006 um den neuen § 21a ArbZG ergänzt, der die Frage, welche Zeiten und Tätigkeiten Arbeitszeit darstellen, thematisiert.
Die VO (EG) gibt vor, dass die *tägliche Lenkzeit* neun Stunden nicht überschreiten darf. Eine Verlängerung auf maximal zehn Stunden ist zweimal pro Woche zulässig. Die *wöchentliche Lenkzeit* darf 56 Stunden und die Gesamtlenkzeit in der Doppelwoche darf 90 Stunden nicht übersteigen. Ferner gelten die Grenzen der RL 2002/15/EG, dh. die *wöchentliche Arbeitszeit* darf maximal 60 Stunden und muss durchschnittlich wöchentlich 48 Stunden betragen. Nach einer Lenkdauer von viereinhalb Stunden muss der Fahrer eine *Lenkzeitunterbrechung* von 45 Minuten einlegen, wenn er keine Ruhezeit einlegt. Eine Unterteilung in zwei Unterbrechungen von 30 und 15 Minuten Dauer ist zulässig. Die *tägliche Ruhezeit* beträgt elf Stunden und kann zwischen zwei wöchentlichen Ruhezeiten dreimal auf mindestens neun Stunden verkürzt werden. Wird die Ruhezeit nicht verkürzt, kann diese in zwei Teile unterteilt werden, wobei der erste Teil einen ununterbrochenen Zeitraum von mindestens drei Stunden und der zweite Teil einen ununterbrochenen Zeitraum von mindestens neun Stunden umfassen muss. Ferner ist eine regelmäßige *Wochenruhezeit* von 45 Stunden einzulegen. Zulässig ist jedoch auch, wenn auf eine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit eine reduzierte Ruhezeit von mindestens 24 Stunden folgt.
Unproblematisch *als Arbeitszeit* zu qualifizieren sind Lenkzeiten ebenso wie Zeiten des Be- und Entladens durch den Fahrer oder der aktiven Überwachung von Lade- und Entladevorgängen sowie bei Personenbeförderung die Hilfe beim Ein- und Aussteigen von Fahrgästen. Gleiches gilt für Zeiten der aktiven Fahrzeugreinigung und --wartung durch den Fahrer, für Ladungssicherungstätigkeiten, für die Erledigung von förderungssprezifischen behördlichen Formalitäten sowie für Anfahrtszeiten zur Übernahme eines Fahrzeugs an einen vom Arbeitgeber vorgegebenen anderen Ort als dem Wohnsitz des Fahrers oder Betriebsstätte des Arbeitgebers.
Unzweifelhaft *keine Arbeitszeit* stellen Pausen und Fahrtunterbrechungen, Ruhezeiten und so genannte Wegezeiten dar, ebenso während der Fahrt neben dem Fahrer oder in einer Schlafkabine verbrachte Beifahrerzeiten bei der Doppelbesatzung.
Die Tarif- bzw. Betriebspartner können bezüglich der Arbeitszeit Abweichungen und bezüglich der Arbeitsbereitschaft nähere Einzelheiten regeln.
§ 21a ArbZG enthält für im Straßentransport beschäftigte Fahrer und Beifahrer eine eigene *Aufzeichnungspflicht*. Im Gegensatz zur bisherigen Verpflichtung des Arbeitsgebers, nur die über acht Stunden hinausgehenden Arbeitszeiten der Arbeitnehmer aufzuzeigen, muss für Fahrpersonal die gesamte Arbeitszeit dokumentiert werden. Diese Aufgabe braucht der Arbeitgeber nicht persönlich zu erfüllen, er kann sie an seine Arbeitnehmer delegieren, indem er zur Selbstaufschreibung anweist.
*Verstöße* gegen die höchstzulässige Arbeitszeit stellen eine Ordnungswidrigkeit und ggf. auch eine Straftat dar. Wer derartige Handlungen vorsätzlich begeht und dadurch Gesundheit oder Arbeitskraft eines Arbeitnehmers gefährdet oder beharrlich wiederholt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
Mit freundlichen Grüßen
Anton Schaaf