Frage an Anton Schaaf von Klara B. bezüglich Soziale Sicherung
Hallo Herr Schaaf;
hab Sie heute in der BT-Debatte:-- Rente 67-- erlebt, daher meine Fragen
Bekanntermaßen werden auch Versicherungsfremde Leistungen durch die Deutsche Rentenversicherung bezahlt; dies sind insbesondere:
- Kriegsfolgelasten (zum Beispiel Ersatzzeiten, Leistungen nach dem Fremdrentenrecht)
- Arbeitsmarktbedingte Leistungen (zum Beispiel Renten wegen Arbeitslosigkeit)
- Anrechnungszeiten (zum Beispiel Schul- und Hochschulausbildung)
- Zurechnungszeit (bei frühem Rentenfall die Zeit bis zum 60. Lebensjahr oder kennen Sie ein 67jährigen Maurer aufm Bau?)
- Einigungsbedingte Leistungen (zum Beispiel Auffüllbeträge)
- Familienleistungen (zum Beispiel Kindererziehungszeiten).
Die Rentenversicherungsträger wenden jährlich rund 80 Milliarden EUR für die Finanzierung versicherungsfremder Leistungen auf. Da diese in die gesamtgesellschaftliche Verantwortung fallenden Mehrkosten nicht einseitig auf die Beitragszahler umgelegt werden können, müssen sie von der Allgemeinheit getragen, das heißt aus Steuermitteln finanziert werden. Die steuerfinanzierten Bundeszuschüsse an die gesetzliche Rentenversicherung sind für das Jahr 2006 allerdings nur mit insgesamt mit 66.5 Mrd. EUR veranschlagt.(info: Deutsche rentenversicherung Bund).Es fehlen also für 2006 ca 14 Milliarden
Finden Sie dies als ehrliche Politik?
Warum werden diese Milliarden schon seit Jahren, den Rentner und Beitragszahler aufgebürdet?
Was tun Sie persönlich als gelernter Maurer und Ihre Partei um diese Umverteilung zu Lasten der Rentner / Beitragszahler zu beenden?
MfG
Klara Blick
Sehr geehrte Frau Blick,
ich danke Ihnen für Ihre E-Mail.
Tatsächlich liegen die Finanzleistungen des Bundes an die Rentenversicherung deutlich höher (77,4 Mrd. Euro) als die in Ihrem Schreiben genannten 66,5 Mrd. Euro. Im Wesentlichen sind derzeit die „versicherungsfremden“ Leistungen durch steuerfinanzierte Zuweisungen aus dem Bundeshaushalt abgedeckt. Dabei ist jedoch zu beachten, dass es keine allgemeingültige und anerkannte Definition der „versicherungsfremden“ Leistungen gibt und somit auch keinen eindeutigen Leistungskatalog. So gelten unter anderem Kriegsfolgelasten, arbeitsmarktbedingte Leistungen, Anrechnungszeiten, Höherbewertung von Beitragszeiten und Familienleistungen als versicherungsfremd. Dagegen bleibt umstritten, ob und zu welchen Anteilen die Hinterbliebenenrenten als versicherungsfremd einzustufen sind.
In der Vergangenheit wurden eine ganze Reihe von gesamtgesellschaftlichen Aufgaben der Solidargemeinschaft der Gesetzlichen Rentenversicherung übertragen, dementsprechend werden diese auch von der Allgemeinheit getragen. Zur Abgeltung nicht beitragsgedeckter Leistungen zahlt der Bund mehrere Bundeszuschüsse, Beiträge und Erstattungen an die Rentenversicherung. So wird heute ein beträchtlicher Teil von rund 30 Prozent der Rentenausgaben aus Steuermitteln finanziert.
In den 70er und 80er Jahren macht der Bundeszuschuss weniger als 20 Prozent der Rentenausgaben aus, obwohl das Volumen der nicht beitragsgedeckten Leistungen deutlich höher lag. Die Beitragszahler mussten demnach in dieser Zeit die nicht beitragsgedeckten Leistungen der Rentenversicherung zu einem erheblichen Teil mitfinanzieren.
Mit der Rentenreform 1992 wurde der Bundeszuschuss in mehreren Schritten aufgestockt und erreichte 1998 rund 22 Prozent der Rentenausgaben. Darüber hinaus wurde die Fortschreibung des Bundeszuschusses durch das Rentenreformgesetz 1992 auch an die Beitragssatzentwicklung gekoppelt; das heißt bei steigenden Beitragssätzen erhöht sich auch der Bundeszuschuss.
Seit 1998 gibt es einen zusätzlichen Zuschuss zur Rentenversicherung. Zu dessen Finanzierung wurde die Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt angehoben. Dieser Zuschuss wird von Jahr zu Jahr mit der Veränderungsrate der Steuern vom Umsatz fortgeschrieben. Zudem wurde festgelegt, dass der Bund den Rentenversicherungsträgern die Aufwendungen für Leistungen nach dem Fremdrentenrecht sowie für bestimmte einigungsbedingte Aufwendungen erstattet.
Eine weitere bedeutsame Änderung ist, dass der Bund seit Juni 1999 Beiträge für Kindererziehungszeiten an die Rentenversicherung zahlt. Die aufgrund dieser Zeiten erworbenen Rentenanwartschaften sind seitdem durch Beitragszahlungen gedeckt.
Um den Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung längerfristig zu stabilisieren, hat der Gesetzgeber mit dem "Haushaltssanierungsgesetz" vom 28.12.1999 eine weitere Erhöhung des zusätzlichen Bundeszuschusses durch die Verwendung von Mitteln aus den weiteren Stufen der Ökosteuer vorgenommen. Der Erhöhungsbetrag verändert sich jährlich entsprechend der Entwicklung der Bruttolohn- und Gehaltssumme.
In den Jahren 2003 bis 2005 flossen jährlich insgesamt Steuermittel in Höhe von etwa 77 Mrd. Euro. an die gesetzliche Rentenversicherung. Für das Jahr 2006 waren 77,4, für 2007 sind 78,4 Mrd. Euro an Rentenversicherungsleistungen in den Bundeshaushalt eingestellt. Den Hauptanteil bilden die Bundeszuschüsse an die allgemeine Rentenversicherung. Sie betrugen im Jahr 2006 54,9 Mrd. Euro. Den Bundeszuschüssen hinzuzurechnen sind weitere Beitragszahlungen und Erstattungen wie beispielsweise die Beitragszahlung zu Kindererziehungszeiten in Höhe von rd. 11,4 Mrd. Euro und Erstattungen für einigungsbedingte Leistungen in Höhe von 0,5 Mrd. Euro. Der Bund leistet ebenfalls einen Zuschuss zur knappschaftlichen Rentenversicherung, der für 2006 6,8 Mrd. Euro beträgt. Darüber hinaus erstattet der Bund der Deutschen Rentenversicherung die Aufwendungen, die dieser aufgrund der Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatzversorgungssystemen der ehemaligen DDR in die Rentenversicherung entstehen. Für das Jahr 2007 betragen diese 2,6 Mrd. Euro. Der Bund erstattet des Weiteren die Zuschüsse zu den Beiträgen zur Rentenversicherung der in Werkstätten beschäftigten behinderten Menschen.
Neben den finanzpolitischen dürfen meines Erachtens jedoch die sozialpolitischen Aspekte nicht aus dem Blick geraten. Auch nicht beitragsgedeckte Leistungen sind grundlegend für das Fortbestehen der sozialen Sicherungssysteme. So hat das Bundesverfassungsgericht eindeutig festgestellt, dass in einer umlagefinanzierten Sozialversicherung Erziehungsleistungen konstitutive Bedeutung für die Funktionsfähigkeit des Systems haben. Wenn zu wenig Beitragszahler "nachwachsen" hat dies weit reichende Konsequenzen für dessen Stabilität. Zudem wird die Lohn- und Beitragsbezogenheit der Rente verschiedentlich durch Elemente des Solidarprinzips durchbrochen. So wird es möglich über das Sicherungssystem einen politisch gewollten und auch notwendigen (wie bei der Kindererziehung) sozialen Ausgleich zu organisieren. Deutlich wird dies auch auf individueller Ebene, denn nahezu alle Renten – allerdings in unterschiedlichem Umfang – setzen sich auch aus nicht beitragsgedeckten Anteilen zusammen.
Darüber hinaus möchte ich hinzufügen, dass auch Renten wegen Arbeitslosigkeit nicht voraussetzungslos (ohne vorherige Beitragsleistung) gewährt und der Bezug einer vorzeitigen Altersrente heute nur unter Inkaufnahme lebenslanger Abschläge möglich ist.
Mit freundlichen Grüßen
Anton Schaaf