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Frage von Michael M. •

Frage an Anton Schaaf von Michael M. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Schaaf,

vielen Dank für Ihre Antwort. Ich befürchte, Sie unterliegen allerdings einem Trugschluss, bei folgendem Kommentar: "In der vergangenen Woche hat EZB-Präsident Mario Draghi bekannt gegeben, dass die Zentralbank ohne Limit Staatsanleihen kaufen werde, ... Auch hier muss die Zustimmung des Deutschen Bundestages eingeholt werden (Mältzer: FALSCH). Denn hier geht es um mögliche finanzielle Belastungen unseres Landes (Mältzer: RICHTIG), sonst ist die Bundesregierung gezwungen, in Brüssel abzulehnen (Mältzer: UNMÖGLICH)." Dem ist nicht so, denn die EZB ist unabhängig. Das Parlament kann lediglich den ESM beeinflussen. Genehmigt es z.B. Hilfe an Spanien (z.B. vorsorgliche Kreditlinie quasi ohne Auflagen), kann die EZB im Anschluss unbegrenzt ohne parlamentarischen Einfluss Anleihen kaufen. Das ist der Punkt, den ich als verfassungswidrig einschätze und was das Hauptverfahren zeigen wird. Sehen Sie das anders?
Lassen Sie mich auch Ihren folgenden Satz kommentieren: "Die Europapolitik von Bundeskanzlerin Merkel fußt auf einem Wählerbetrug von beispiellosen Dimensionen. Während sie öffentlich vor einer "Vergemeinschaftung" von Schulden warnt, lädt sie hinterrücks die Verantwortung für den Bestand des Euro bei der Europäischen Zentralbank ab. .... Das ist Merkels Schuldenunion - heimlich, durch die Hintertür und außerhalb parlamentarischer Kontrolle." Völlig korrekt und eine Unverschämtheit. Allerdings fordert die SPD (wenn ich noch richtig folge, da es erst hieß ja, dann nein, jetzt glaube ich wieder ja in Form eines Schuldentilgungsfonds) Eurobonds. D.h. Sie wollen die europäischen Schulden übernehmen. Glauben Sie mir, die Deutschen Steuerzahler (und deren Kinder) sind es satt, auf dem europäischen Altar geopfert zu werden. Wenn man uns jetzt noch die Spareinlagen in die Haftung stellt (Bankunion), geht die Kapitalflucht auch hier los (was wenigstens gut für die Target Salden wäre). Wie steht die SPD zur Bankunion?

Danke und viele Grüße.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Mältzer,

im Rahmen des Europäischen Rates am 28./29. Juni 2012 haben die Euro-Länder die EU-Kommission beauftragt, Vorschläge für einen einheitlichen Aufsichtsmechanismus für europäische Banken unter Einbeziehung der Europäischen Zentralbank (EZB)vorzulegen. Die EU-Kommission hat angekündigt, Bankenaufsicht der EZB zu übertragen. Sie soll die Aufsicht über sämtliche Banken der Euro-Zone ausüben.
Allerdings sind noch viele Fragen offen.

Für eine gemeinsame Bankenaufsicht in der Euro-Zone gibt es gute Grün­de. In der Finanzkrise wurde/wird die Zahlungsfähigkeit vieler angeschla­gener Banken über das europäischen Notenbanksystem aufrecht erhalten. Künftig sollen Banken aus Mitteln des europäischen Rettungsschirms rekapitalisiert werden können. Diese Vergemeinschaftung der Risiken muss durch eine gemeinsame Kontrolle der Banken in Gestalt einer europäischen Aufsicht begleitet werden - jedenfalls wenn man, wie Kanzlerin Merkel Ende Juni 2012, für eine direkte Bankenförderung in verschiedenen Ländern aus dem ESM eintritt.

Die von der EU-Kommission beabsichtigte Übertragung der Banken­aufsicht auf die EZB sehe ich kritisch. An den damit ver­bun­denen Problemen scheiterte bereits die von der deutschen Bundesregierung geplante Verlagerung von Aufsichtskompetenzen von der BaFin auf die Bundesbank. Die Bankenaufsicht verträgt sich nicht mit der Unabhängig­keit der EZB. Da die EZB spätestens bei der Schließung einer Bank hoheitliche Aufgaben ausübt und Maßnahmen zu treffen hat, die für den Steuerzahler viele Milliarden kosten können, muss sie zwingend einer Rechtsaufsicht unterstellt werden. Diese Weisungsgebundenheit beein­trächtigt den unabhängigen Status einer Notenbank. Noch schwerer wiegt, dass es zu einer Vermischung der Aufgaben der Geldpolitik und der Aufsicht kommt. Die EZB ist der Geldwertstabilität verpflichtet. Als Aufsichtsbehörde könnte sie in Versuchung kommen, notwendige Zinserhöhungen aufzuschieben, um die Lage angeschlagener Banken nicht weiter zu verschlechtern. Der Interessenkonflikt zwischen Geldpolitik und Aufsicht lässt sich in einer solchen Situation kaum auflösen. Mir stellt sich die „Lösung EZB“ höchstens als eine Übergangslösung dar, weil es kaum ein anderes Institut gibt, das diese Aufgabe übernehmen könnte.

Die Bankenaufsicht muss langfristig einer eigenständigen Institution übertragen werden, die ausschließlich dieser Aufgabe verpflichtet ist. Trotz aller bisherigen Kritik kommt dafür z.B. auch die bereits eingerich­tete europäische Bankaufsichtsbehörde (EBA) in Frage. Daneben müsste eine eigenständige europäische Restrukturierungsbehörde ein­gerichtet werden, die die erforderlichen Rettungs- bzw. Abwicklungsmaßnahmen eigenständig durchführt.

Außerdem darf keine abgehobene Superbehörde geschaffen werden. Bei einer direkten Zuständigkeit der europäischen Aufsicht für sämtliche 6.000 Banken der Euro-Zone ließe sich ein enger Kontakt mit den zu beauf­sichtigenden Instituten nicht mehr aufrecht erhalten. Das erforderliche Verständnis für die unterschiedlichen Strukturen und Probleme der einzelnen Institute ginge sukzessive verloren.

Eine einheitliche europäische Bankenaufsicht muss deshalb auf den nationalen Aufsichtsbehörden aufbauen und eng mit ihnen kooperieren. Der europäischen Bankenaufsicht sollten nur die großen systemrelevanten Banken unterliegen, deren Ausfall aufgrund deren Größe, Komplexität und Vernetzung die Stabilität des Finanzmarktes bedrohen würde. National oder regional tätige Institute müssen dagegen weiter von den nationalen Aufsichten überwacht werden.

Mit freundlichen Grüßen

Anton Schaaf