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Frage von Jens A. •

Frage an Anton Schaaf von Jens A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Schaaf,

wieso beantworten Sie meine Fragen nicht? Überfordern Sie meine Fragen? Sind Ihnen diese Fragen zu kritisch? Oder sind sie einfach nicht am Dialog mit allen Bürgern dieses Landes interessiert? Ich bin ein wenig enttäuscht.
Hier nochmal die Fragen:

1. Wieso hat die SPD in all den Jahren ihrer Regierungszeit diese Dinge nicht schon längst umgesetzt, und wie glaubwürdig sind daher Ihre Aussagen?
2. Wäre es möglich, dass die SPD in Regierungsverantwortung nicht urplötzlich von "alternativlosen Sachzwängen" zu einer anderen Politik gezwungen werden könnte?
3. Würden Sie mir zustimmen, wenn ich behaupte, dass die deutsche Politik längst von Washington (Chicagoer Schule, Pax Americana) gelenkt wird?
4. Wieso sind so gut wie alle Staaten in der Eurozone (insbesondere die grossen Volkswirtschaften) heillos verschuldet und könnte man dahinter nicht ein "System" der Hochfinanz vermuten?
5. Wie viele Milliarden wird die "Rettung" Italiens kosten und könnte das nicht einer dieser "alternativlosen Sachzwänge" sein, von denen ich bereits in Frage 2 schrieb?
6. Können Sie mir Fiatgeld erklären?
7. Haben Sie schon einmal vom Wörgler Freigeld, bzw. Schwundgeld gehört, und wenn ja, wie stehen Sie dazu?

Mit freundlichen Grüßen, Jens Andraczek

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Andraczek,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 27.2. und 11. 5. 2012.

Für die SPD ist „soziale Gerechtigkeit“ nach wie vor zentrales Thema. Wir wissen, dass wir in unserer Regierungszeit Entscheidungen getroffen haben, die von vielen Bürgerinnen und Bürgern nicht geteilt wurden. Hartz IV und die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre sind dabei zentrale Punkte. Wir haben diese Entscheidungen vor dem Hintergrund sehr hoher Arbeitslosigkeit und des sich anbahnenden demografischen Wandels getroffen. Bei einigen Entscheidungen waren wir zum Kompromiss mit CDU und CSU gezwungen, die zu der Zeit die Mehrheit im Bundesrat besaßen und viele unserer Initiativen darüber aushebeln konnten.

Hieraus haben wir Konsequenzen gezogen. Notwendige Anpassungen und Neuerungen sind in den ganz aktuellen Verhandlungen zum "Hartz IV"-Paket vorgenommen worden. Die SPD hat sich hier in entscheidenden Punkten gegen die zunächst ablehnende Haltung der Regierungskoalition durchgesetzt und soziale Verantwortung für die Menschen in Deutschland übernommen.

Die Ausweitung des Mindestlohns auf 1,2 Millionen Beschäftigte in der Zeitarbeit, im Sicherheitsgewerbe und in der Weiterbildungsbranche sowie die schrittweise Entlastung der Kommunen bei den Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung konnten wir durchsetzen. Wir haben deutliche Verbesserungen beim Bildungs- und Teilhabepaket für Kinder und Jugendliche erreicht. Davon profitieren nicht nur Familien im SGB II-Bezug, sondern auch einkommensschwache Familien, die auf aufstockende Sozialleistungen wie Wohngeld und Kinderzuschlag angewiesen sind. Die geringfügige Erhöhung des Arbeitslosengeldes II ist aus unserer Sicht unzureichend, die Anpassung an die Lohn- und Preisentwicklung stellt hier aber eine zufriedenstellende Lösung dar.

Auch was die Sanktionsregelungen bei Hartz IV anbelangt, haben wir Korrekturen vorgenommen. In gewissen Umfängen sind nach Urteil der Bundesverfassungsrichter vom Februar 2010 Leistungseinschränkungen zulässig. Diese dürfen allerdings nicht das physische Existenzminimum, also Nahrung, Kleidung, Wohnung und eine medizinische Versorgung einschränken. Deshalb fordern wir seitens der SPD-Fraktion auch eine wirkliche Prüfung, ob eine Sanktion das Existenzminimum einer Grundsicherungsbezieherin oder eines Grundsicherungsbeziehers gefährdet, wodurch in der Folge sogar ganze Familien in Not geraten können.

• Die Leistungen für Unterkunft und Heizung müssen von den Sanktionen ausgenommen werden. Hierdurch besteht zudem die Gefahr, dass alle Familienangehörigen in Mithaftung genommen werden.
• Wir brauchen mehr Flexibilität bei den Sanktionen. Wenn ein Arbeitsuchender erkennt, dass er einen Fehler gemacht hat, dann muss eine Sanktion auch schnell zurückgenommen werden können. Die Sanktionsdauer kann derzeit nicht flexibel verringert werden.
• Bevor eine Sanktion verhängt wird, muss zuvor zwingend eine schriftliche Belehrung erfolgen. Die Neuregelung der schwarz-gelben Koalition, die unter bestimmten Voraussetzungen eine schriftliche Information für entbehrlich hält, muss geändert werden. Denn die oder der von Sanktionen Bedrohte muss davon vorher wissen.
• Es gibt keinen erkennbaren Grund, warum Jugendliche härter sanktioniert werden als Ältere.

Wir haben die Bundesregierung aufgefordert, Lösungsvorschläge vorzulegen und werden uns für Änderungen bei den Sanktionsregelungen einsetzen.

Dass es aber auch Missbrauch gibt, ist eine Tatsache. Im Rahmen seiner Möglichkeiten versucht der Gesetzgeber hier Grenzen zu setzen, wenn beispielsweise Vereinbarungen mit dem Jobcenter nicht eingehalten, Maßnahmen oder Arbeitsangebote abgelehnt werden. Allerdings müssen Sanktionen mit Augenmaß erfolgen und dürfen keine Schikanen sein. Deshalb wollen wir mehr Flexibilität bei den Sanktionen, um auf Individualitäten einzugehen, die jeder Einzelfall mit sich bringt.

Wir halten es für notwendig und gerecht, dass die Bezieher höherer Einkommen einen angemessenen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten. Das ist keine Neidforderung; es handelt sich um einen Beitrag zu sozialem Patriotismus!

Wir wollen deswegen gut fünf Milliarden Euro (gesamtstaatlich / Bundesanteil: knapp 2,5 Mrd. €) bei der Einkommensteuer durch Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 49% ab einem Einkommen von 100.000 Euro/200.000 Euro zur Stärkung der Zukunftsfähigkeit des Landes erzielen. Dazu wollen wir nach einer Proportionalzone zwischen 52.885 - dem jetzigen Spitzensteuersatz - und 64.000 Euro eine 3. Progressionszone ab einem Einkommen von 64.000 Euro/128.000 Euro schaffen und das Ehegattensplitting für zukünftige Ehen durch eine Individualbesteuerung mit Unterhaltsabzug umgestalten. Eingetragene Lebenspartnerschaften sollen gleich behandelt werden. Damit wird bis zu einem Einkommen von 64.000 Euro/Einzelveranlagung, 128.000 Euro/Gemeinsame Veranlagung niemand stärker belastet als heute; insgesamt sind weniger als 5 % der Steuerpflichtigen betroffen.

Ihre weiteren teils persönlichen Fragen, richten Sie diese bitte direkt an das Abgeordnetenbüro in Berlin per E-Mail an
anton.schaaf@bundestag.de .

Mit freundlichen Grüßen

Anton Schaaf