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Frage von Arndt I. •

Frage an Anton Schaaf von Arndt I. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Schaaf,

vielen Dank für Ihre letzte Antwort!

Am 26.02.2010 haben Sie ein weiteres Mal für die Verlängerung des Kampfeinsatzes deutscher Soldaten in Afghanistan gestimmt, wo am Freitag wiederum drei deutsche Soldaten mit ihrem Leben bezahlen mussten und mehrere Soldaten z. Tl. schwer verletzt wurden. Damit erhöht sich die Zahl der gefallenen deutschen Soldaten bereits auf 38! Ich denke nur mit Schrecken an die bemitleidenswerten Hinterbliebenen! Die Befürchtung der Geheimdienste, dass ein "blutiger Sommer" bevorsteht, scheint sich wohl zu bewahrheiten...
Auf meine Frage in 2008, was deutsche Soldaten am anderen Ende der Welt zu suchen hätten, gab mir damals eine Bundestagsabgeordnete genau die nicht glaubhaften Antworten, die sich heute in einem veröffentlichen CIA-Memorandum finden lassen, mit denen man die deutsche und französische Öffentlichkeit weiterhin zum Blutzoll animieren will (www.rf-news.de/2010/kw13/cia-empfehlungen-zur-zersetzung-der-friedensbewegung). In Langley hat man wohl schon früher bemerkt, dass nur noch ein geringerer Anteil der Bürger dieser Staaten hinter diesem völkerrechlich mehr als bedenklichen Krieg steht. Schließlich handelt es sich weder um die direkte Landesverteidigung noch um einen Katastrophenfall und erst recht nicht um echten Bündnisfall, da es keinen Angriff Afghanistans auf einen Bündnispartner gegeben hat. Man kann sich heute leider allzu oft des Gefühls nicht mehr erwehren, dass die Volksvertreter alles vertreten - nur nicht mehr den Willen des eigenen Volkes.
Meine Frage an Sie: Sind Sie heute immer noch der Überzeugung, dass Deutschland (neben Brücken- und Brunnenbau und Demokratisierung der ungefragten afghanischen Bevölkerung) seine Auffassung von Demokratie - teilweise mit militärischen Mitteln und dem Blut deutscher Soldaten - in ein Dritte-Welt-Land in knapp 5.000 km tragen muss? Vielen Dank im Voraus für Ihre Antwort!

mfG

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Immel,

vielen Dank für Ihre Zuschrift, die sich auf die Verlängerung des Mandats der deutschen Beteiligung an der NATO-geführten internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (ISAF) durch den Deutschen Bundestag am 26.02. 2010 bezieht. Aufgrund der großen Menge von Briefen, E-Mails und Anrufen ist es leider nicht möglich, alle Zuschriften individuell zu beantworten.

Wir Sozialdemokraten haben unsere Vorschläge zum weiteren Vorgehen in Afghanistan frühzeitig dargelegt. Jeder Auslandseinsatz muss zeitlich befristet sein. Das gilt auch für den Einsatz in Afghanistan. Frank-Walter Steinmeier hatte bereits im September 2009, vier Wochen vor der Bundestagswahl, einen Zehn-Punkte-Plan vorgelegt, in dem eine Perspektive für Dauer und Ende des deutschen und internationalen Einsatzes in Afghanistan formuliert sind.

In einem im Februar 2010 veröffentlichten gemeinsamen Positionspapier ( www. spd.de/de/aktuell/nachrichten/2010/02/SPD-Basis-unterstuetzt-Afghanistan-Strategie.html ) von Partei und Fraktion wurden klare Erwartungen an die Bundesregierung formuliert, um den Afghanistaneinsatz erfolgreich beenden zu können.

Die wichtigsten Punkte für uns sind:

- Der Schutz der Zivilbevölkerung, der auch in der noch verbleibenden Zeit im Mittelpunkt unseres Engagements stehen muss,
- eine deutliche Verstärkung der Aktivitäten im Bereich der Ausbildung und Ausstattung der afghanischen Sicherheitskräfte und eine klare Festlegung auf endgültige Zielgrößen beim Aufbau von Polizei und Armee,
- die Erstellung eines konkreten Zeitplans für die schrittweise Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die afghanischen Sicherheitskräfte in der Nordregion, der Beginn des Rückzugs der Bundeswehr parallel zur der von US-Präsident Obama in seiner „Westpoint“- Rede am 1. Dezember 2009 angekündigten Reduzierung der US-Truppen im Sommer 2011,
- Entwicklung und zeitliche Einordnung messbarer und qualitativer Fortschrittskriterien bei der Sicherheitssituation, der Armutsentwicklung, der Versorgung der Bevölkerung und bei weiteren Verbesserungen der afghanischen Regierungsführung;
- Übernahme der Sicherheitsverantwortung durch die afghanische Armee und Polizei bis spätestens 2015, um die Voraussetzung für die endgültige Beendigung des Einsatzes der Bundeswehr in einem zeitlichen Korridor zwischen 2013 und 2015 zu schaffen,
- die Einbeziehung aller Kräfte des Landes in einen Waffenstillstands-, Friedens- und Versöhnungsprozess,
- deutlicher Aufwuchs der Hilfe beim zivilen Aufbau ohne zeitliche Befristung.

Während die SPD mit dem Zehn-Punkte-Plan, mit einer internationalen Konferenz, mit einem Positionspapier und mit einer Diskussion innerhalb der Partei frühzeitig die Debatte über einen Strategiewechsel und eine Abzugsperspektive bestimmt hat, konnte sich die Bundesregierung erst Ende Januar auf ein gemeinsames Konzept verständigen, das die Bundeskanzlerin einen Tag vor der Londoner Konferenz am 27.1. dem Bundestag präsentierte. Inzwischen hat die Bundesregierung einen neuen und veränderten Antrag zur Fortsetzung der Beteiligung der Bundeswehr am ISAF-Einsatz vorgelegt. Zentrale Forderungen der SPD wurden von der Bundesregierung in ihren Antrag übernommen. Das betrifft zum Beispiel die Verdopplung der Mittel für den zivilen Wiederaufbau und die Erhöhung der Zahl der Ausbilder für die afghanischen Sicherheitskräfte. Die Bundesregierung hat sich auch unsere Forderung zu Eigen gemacht, in sicheren Distrikten so schnell wie möglich mit der Übergabe der Sicherheitsverantwortung in afghanische Hände zu beginnen. Und auch in Bezug auf die von uns geforderte Abzugsperspektive hat die Regierung eingelenkt und angekündigt, der Abzug solle 2011 beginnen. Auf einen Zeitkorridor für die Beendigung des Einsatzes will die Regierung sich nicht festlegen. Aber Kanzlerin und Außenminister haben inzwischen einhellig erklärt, dass sie die afghanische Regierung darin unterstützen, bis 2014 die volle Sicherheitsverantwortung ohne ausländische Streitkräfte zu übernehmen. Angesichts der reflexhaften Empörung, die unser Vorschlag eines Korridors für den Abzug der Bundeswehr zwischen 2013 und 2015 am Anfang ausgelöst hat, ist das eine bemerkenswerte Entwicklung.

Die SPD-Bundestagsfraktion hat von Beginn des Afghanistaneinsatzes an deutlich gemacht, dass der Kampf gegen den Terrorismus mit militärischen Mitteln allein nicht zu gewinnen ist und den neuen globalen Bedrohungen auf Dauer nur mit einer konsequenten zivilen Konfliktbearbeitung und Krisenprävention entgegen gewirkt werden kann. Wir erwarten, dass sich die Bundesregierung auch nach der Londoner Afghanistankonferenz aktiv und mit Nachdruck dafür einsetzt, dass die internationalen Bemühungen um einen Strategiewechsel weiter konkretisiert und zügig in die Tat umgesetzt werden. Es ist nicht Aufgabe und Ziel von ISAF, einen „Krieg“ in Afghanistan zu führen. Schwerpunkt des deutschen Afghanistan-Engagements muss auch weiterhin der Wiederaufbau und die Unterstützung der afghanischen Regierung zur Übernahme der Sicherheitsverantwortung im Land sein.

Unsere Zustimmung zur Neu-Mandatierung erfolgt für zwölf Monate. Sie ist verbunden mit dem klaren Auftrag für einen Strategiewechsel, der eine verantwortbare Abzugsperspektive öffnet. Während der kommenden zwölf Monate wird die SPD-Bundestagsfraktion sorgfältig darauf achten, ob die Bundesregierung ihre gemachten Zusagen einhält. Dies gilt insbesondere für den Umgang mit der „flexiblen Reserve“, aber auch mit Blick auf die notwendige Übergabe beruhigter Regionen in afghanische Verantwortung und weitere Vorbereitungen für die jetzt auch von der Bundesregierung für 2011 in Aussicht genommene Truppenreduzierung in Afghanistan. Ob hier Wort gehalten wird, ist eine Frage der Glaubwürdigkeit und des Verhältnisses von Parlament und Regierung im Umgang mit dem schwierigen Thema der Auslandseinsätze und wird nicht nur mit Blick auf künftige ISAF-Mandate, sondern bei allen künftigen Mandatsentscheidungen eine entscheidende Rolle spielen.

Mit freundlichen Grüßen

Anton Schaaf