Frage an Anton Schaaf von Leif H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo Herr Schaaf!
Im April lagen 3 Anträge zur Einführung von Volksentscheiden im Bundestag zur Abstimmung vor. (FDP,Grüne und Die Linke)
Auf eine Frage von Herrn Würth vom 1.6.2008 antworteten Sie:
"vielen Dank für Ihre Frage zu Volksabstimmungen. Schon zweimal hat meine Fraktion versucht Volksbegehren und Volksentscheide in der Verfassung zu verankern. Dies habe ich immer unterstützt."
Warum unterstützen Sie die Versuche anderer Volksvertreter in dieser Sache nicht?
Der Gesetzentwurf der Günen war exakt derselbe, wie der in der rot-grünen Koalition. Warum haben Sie jetzt nicht mehr zugestimmt?
Ich verstehe das nicht.
Fehlt Ihnen der Mut für die Wähler aus der Reihe zu tanzen?
Die würden Sie für ein solches Verhalten immer wiederwählen -oder sehen Sie das anders? Warum sollte ich SPD wählen, wenn die SPD-Politker im entscheidenden Moment gegen Ihr eigenes Programm stimmen?
In der CDU gibt es bestimmt auch Befürworter des Volksentscheids. Tun Sie sich doch mit denen zusammen!
Finden Sie das doch bitte heraus- ich darf ja nicht einfach ins Paul-Löwe Haus gehen und alle CDU-Politiker persönlich fragen und dann zu Ihnen schicken.
Vielen Dank, daß Sie diese Zeilen gelesen haben. über eine Antwort bzw. Stellungsnahme würde ich mich sehr freuen.
MfG Leif Hansen
Sehr geehrter Herr Hansen,
die SPD-Bundestagsfraktion hatte bereits 1993, im Anschluss an die Beratungen der Gemeinsamen Verfassungskommission, einen Gesetzentwurf eingebracht, mit dem ein Volksentscheid auf Bundesebene ermöglicht werden sollte.
Im März 2002 hat die damalige rot-grüne Koalition ebenfalls einen Gesetzentwurf zur Einführung von Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid eingebracht. Gemeinsam mit unserem früheren Koalitionspartner Bündnis90/Die Grünen waren wir uns darin einig, dass die Partizipationsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger durch die Einführung eines bundesweiten Volksentscheides weiter gestärkt werden sollten. Doch auch diese Initiative kam seinerzeit durch den Widerstand von CDU/CSU nicht zustande, da der Volksentscheid eine Grundgesetzänderung voraussetzt und zu seiner Einführung eine Zweidrittelmehrheit sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat nötig ist.
Im Jahr 2004 haben wir deshalb nochmals versucht, die CDU/CSU-Fraktion umzustimmen, was damals leider nicht gelungen ist.
Im Koalitionsvertrag der 16. Wahlperiode ist jetzt vereinbart: "Die Einführung von Elementen der direkten Demokratie werden wir prüfen." Der Prüfauftrag bedeutet im Klartext, dass man sich in dieser Sache in der Koalitionsvereinbarung nicht einigen konnte, da der Widerstand der Union auch während der Großen Koalition in dieser Frage leider unvermindert groß ist. Dementsprechend geht es auch in dieser Sache daher leider nicht entscheidend voran.
Eine Zustimmung zu einem solchen Vorhaben auf Bundesebene ist weder damals noch heute in Sicht.
Auch im aktuellen Entwurf unseres Regierungsprogramms für die nächste Wahlperiode unterstreichen wir im Abschnitt "Mehr Demokratie wagen" den Stellenwert von mehr direkter Demokratie. Neben der Ausweitung des kommunalen Wahlrechtes für Bürgerinnen und Bürger auch aus Nicht-EU-Ländern sprechen wir uns klar für Volksbegehren und Volksentscheide auch auf Bundesebene aus.
Inzwischen gibt es in allen sechzehn Verfassungen der Bundesländer und im neuen Vertrag von Lissabon bereits Elemente der direkten Demokratie. Das Thema wird auch deshalb auf der politischen Tagesordnung bleiben.
Dennoch wird zur Durchsetzung unserer Position die Sensibilisierung des öffentlichen Bewusstseins nötig und hilfreich sein.
Wenn neben Ihnen auch viele andere Wahlberechtigte ihre Wahlentscheidung an diesem Kriterium orientieren, gibt es vielleicht künftig die nötige parlamentarische Mehrheit dafür.
Mit freundlichen Grüßen
Anton Schaaf