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Antje Tillmann
CDU
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Frage von Björn S. •

Frage an Antje Tillmann von Björn S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Frau Tillmann,

ich sehe mich keineswegs als Links-Wähler, hoffe im kommenden Jahr ganz stark auf eine schwarz-gelbe Koalition, bin aber bei dem Thema „gesetzliche Mindestlöhne“ jedoch nicht mit der CDU/CSU-Position einverstanden. Halten Sie es für gerecht, dass Menschen für unter fünf Euro/Stunde arbeiten gehen? Widerspricht das nicht der SOZIALEN Marktwirtschaft, wenn die Notlage arbeitssuchender Menschen auf diese Art und Weise ausgebeutet wird? Was sprich aus Ihrer Sicht gegen einen gesetzlichen Mindestlohn, wie er in vielen anderen (EU-)Ländern seit Jahren existiert? Die Wirtschaft z. B. in Irland oder Großbritannien ist doch durch die Einführung auch nicht zusammengebrochen. In diesem Zusammenhang die ergänzende Frage, was die CDU gegen Lohndumping unternehmen will?

Vielen Dank für die Beantwortung der Frage.

Björn Stelter

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Stelter,

ich kann sehr gut Ihr Unverständnis zur Haltung der CDU zum Thema Mindestlohn verstehen. Bitte glauben Sie mir, dass ich jeder Verkäuferin, Friseurin, jedem Bauhilfsarbeiter einen Lohn zugestehe, von dem er/sie leben kann.
Wir sind aber zu dem Schluss gekommen, dass ein flächendeckender, gesetzlicher Mindestlohn nicht das richtige Mittel ist.
Ein flächendeckender, gesetzlicher Mindestlohn würde Arbeitsplätze bedrohen und die bestehende Tarifautonomie erheblich einschränken. Die Verlierer des gesetzlichen Mindestlohns wären gerade Geringqualifizierte, Wiedereinsteiger, Jugendliche und ältere Arbeitnehmer. Gerade im Niedriglohnsektor käme es zu einer verstärkten Arbeitsplatzverlagerung ins Ausland oder die Jobs wandern in die Schwarzarbeit. Auch die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute lehnen die Einführung eines branchenübergreifenden Mindestlohns in Deutschland ab. Im Frühjahrsgutachten 2008 haben sie eindringlich davor gewarnt, dass selbst die Einführung eines geringen Mindestlohns negative Effekte auf den Arbeitsmarkt haben wird.

Dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber unabhängig von politischen Vorgaben über die Höhe der Tariflöhne verhandeln, ist eines der Erfolgsrezepte unserer sozialen Marktwirtschaft.

Der Hinweis auf Mindestlöhne in anderen europäischen Ländern greift zu kurz. In den Ländern mit Mindestlohn wie z.B. Irland gibt es oft umfassende Ausnahmeregelungen. In Großbritannien ist das Niveau der Sozialhilfe beispielsweise sehr gering. Außerdem ist der Arbeitsmarkt dort sehr flexibel - ganz im Gegensatz zu Deutschland, wo ein hohes Maß an Kündigungsschutz besteht. In Spanien gilt der Mindestlohn lediglich als Referenzwert für soziale Transferleistungen. Andere Länder mit ähnlich hoher sozialer Absicherung wie Deutschland (z. B. Dänemark) haben ganz bewusst auf die Einführung von Mindestlöhnen verzichtet. Und noch eins: In Frankreich, dass am ehesten mit Deutschland vergleichbar ist hat die Einführung eines einheitlichen Mindestlohn nachweislich die Arbeitslosigkeit gering qualifizierter Jugendlicher erhöht. Die Mindestlohnerhöhungen in den Jahren 2004/2005 hatten dort einen sprunghaften Anstieg der Arbeitslosenquote zur Folge.
Da die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland ein Feldexperiment mit sehr unsicherem Ausgang wäre, stehe ich diesem Projekt sehr skeptisch gegenüber.

Aus den o.g. Gründen verfolgen wir zwei Ansätze: Eine Öffnung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes und eine Aktualisierung des Mindestarbeitsbedingungen-Gesetzes von 1952. Gegenüber der Forderung nach einem generellen gesetzlichen Mindestlohn hat diese Vereinbarung einen gewaltigen Vorteil: Sie lässt passgenaue Lösungen zu: In Branchen in denen Tarifverträge über 50 % der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eines Bereiches erfassen, kann der tarifliche Mindestlohn künftig nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz festgesetzt werden. Und überall dort, wo der Organisationsgrad der Arbeitnehmer und Arbeitgeber gering ist und wo es in einer Branche zu keinem oder nur zu Tarifverträgen kommt, die eine Minderheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erfasst, kann künftig ein Mindestlohn nach dem novellierten Mindestarbeitsbedingungen-Gesetz von 1952 festgesetzt werden.
Die Beratungen zu beiden Gesetzesänderungen werden noch in diesem Herbst beginnen.

Viele Grüße

Antje Tillmann

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