Frage an Antje Tillmann von Heinz W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Meine frage bezieht sich auf den "EU-Vertrag".
Wie konnten Sie als gewählte Verteterin des Volkes es so verraten in dem Sie dem Vertag zustimmen.Wissen Sie eigentlich was in diesem Schandwerk steht oder was es für die "Bundesrepublik für negative auswirkungen hat.
Wieso gab es sowie es sie in Irland geben wird keine Volksabstimmung?
Mit vorherriger aufklärung was genau in dem reformvertrag steht?
Hat denn das Volk nichts mehr zu sagen wenn es um seine zukunft geht?
Weil das macht doch eine echte Demokratie aus,wieso entscheiden denn über alles die Leute die ich alle paar jahre mal Wählen darf.
Sehr geehrter Herr Wolf,
am 24. April 2008 hat der Deutsche Bundestag in namentlicher Abstimmung und mit großer parlamentarischer Mehrheit dem Ratifikationsgesetz zum Vertrag von Lissabon zugestimmt. Im Folgenden möchte ich Ihnen darlegen, warum dieses Vertragswerk unbedingt zustimmungswürdig war und inwiefern die von Ihnen gegen die Zustimmung vorgetragenen Argumente meines Erachtens einer anderen Bewertung bedürfen.
Lassen Sie mich zunächst auf das Argument eingehen, dass die Öffentlichkeit in den Diskussionsprozess über den Vertrag von Lissabon nicht einbezogen gewesen sei und der Vertrag ohne Transparenz für Wählerinnen und Wähler und ohne öffentliche Diskussion ratifiziert werde. Man kann sich natürlich immer eine breitere Beteiligung der Öffentlichkeit wünschen. Bei Politikern wird ein solches Anliegen in aller Regel sogar auf offene Ohren stoßen. Gleichwohl werden häufig die Angebote zur öffentlichen Diskussion nur von bestimmten Interessengruppen wahrgenommen, bei denen eine Befassung zumeist beruflich begründet ist. Ich darf in dem Zusammenhang darauf hinweisen, dass der federführende EU-Ausschuss im Deutschen Bundestag anlässlich des Ratifizierungsverfahrens zwei Expertengespräche und eine Anhörung zu den inhaltlichen Neuerungen des Vertrages von Lissabon durchgeführt hat, die öffentlich waren und sich einer großen Resonanz erfreuten. Ich gestatte mir zugleich den Hinweis, dass es sich bei den Neuerungen des Vertrages von Lissabon europarechtlich nicht um eine völlig neue Materie gehandelt hat, sondern der Reformvertrag in beträchtlichem Umfang die politische Substanz des europäischen Verfassungsvertrages aus dem Jahre 2004 übernommen hat, der leider in Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden scheiterte. Als Ergebnis aus den Anhörungen und Expertengesprächen kann ich Ihnen berichten, dass mit Ausnahme der von der Fraktion DIE LINKE benannten Sachverständigen die Experten einmütig den Abgeordneten die Ratifizierung des Vertrages von Lissabon empfohlen haben.
Ich kann auch dem Argument, der Vertrag sei undemokratisch und behebe das demokratische Defizit des EU-Verfassungsvertrags nicht, schwerlich zustimmen, das Scheitern des Verfassungsvertrages hat den Reformprozess in Europa über Jahre zur Stagnation verurteilt, die erst durch die Deutsche EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 beendet werden konnte. In der Diskussion über die Frage, wie der politische Reformprozess fortgesetzt werden könne, hat sich herauskristallisiert, dass eine Reihe von EU-Mitgliedstaaten dem politischen Ziel, Europa eine Verfassung zu geben, skeptisch bis ablehnend gegenüber stehen. Insofern greift der Vertrag von Lissabon genau diese Bedenken auf und beschränkt die politischen Reformen auf jene Punkte, die von allen Mitgliedstaaten gemeinsam unterstützt werden. Es ist aus meiner Sicht nicht nachvollziehbar, aus dieser Konsequenz etwas Undemokratisches abzuleiten. Hinsichtlich des demokratischen Defizits möchte ich anmerken, dass dem EU-Parlament zwar in der Tat weiterhin kein Initiativrecht zusteht. Die Europäischen Institutionen sind jedoch historisch bedingt mit einem Demokratiedefizit „aufgewachsen“, das im Laufe der Geschichte allerdings schon erheblich gemildert werden konnte. Richtig bleibt dennoch, dass die Demokratisierung der Europäischen Union in kleinen Schritten vorankommt und auch der Vertrag von Lissabon dazu seinen Beitrag leistet. Als großer Erfolg ist z. B. zu verbuchen, dass durch die Festlegung des Mitentscheidungsverfahrens als Regelverfahren in der europäischen Gesetzgebung das Europäische Parlament zum gleichberechtigten Gesetzgeber neben dem Rat wird.
Dass die meisten EU-Mitgliedstaaten die Ratifizierung im Wege von Parlamentsbeschlüssen durchführen, ist in den nationalen Verfassungen für die In-Kraft-Setzung von multilateralen Verträgen geregelt. Lediglich die Republik Irland muss zur Ratifizierung ein Referendum bzw. eine Volksbefragung durchführen. Die Erfahrungen mit dem Verfassungsvertrag zeigen im Übrigen, dass die an der Volksbefragung teilnehmenden EU-Bürger häufig nicht die gestellten Fragen beantworten, sondern politische Rechnungen begleichen, die mit dem Gegenstand des Referendums im Grunde nichts zu tun haben. Es ist natürlich theoretisch möglich, dass eines Tages auch in der Bundesrepublik Deutschland ein Volksentscheid für wichtige politische Fragen eingeführt wird. Gegenwärtig gibt es für die dazu notwendige Änderung des Grundgesetzes im Deutschen Bundestag jedoch keine parlamentarische Mehrheit.
Ich hoffe, Ihnen mit meiner Stellungnahme, die Position der CDU/CSU-Bundestagsfraktion näher gebracht zu haben und danke Ihnen für Ihr Engagement „in Sachen Europa“.
Mit freundlichen Grüßen
Antje Tillmann