Frage an Antje Tillmann von Sabine R. bezüglich Finanzen
Guten Tag Frau Tillmann,
Verlustverrechnung bei Termingeschäften nach § 20 Abs. 6 EstG:
Ich bin da gerade etwas sprachlos:
1.) Wie soll ich in Zukunft mein Depot zur Altersvorsorge absichern?
2.) Warum gilt dieses neue Gesetzt ausschließlich für Kleinanleger?
3.) Warum sind Banken Hedgefonds etc. von dem Gesetz ausgenommen?
4.) Ist dieses Gesetz - Ihrer persönlichen Meinung nach - mit dem Grundgesetz vereinbar?
Durch das neue Gesetzt sieht es jetzt folgendermaßen aus:
Ein erfolgreicher Kleinspekulant handelt regelmäßig Hebelzertifikate, CFDs oder Optionen, Bonus- und konservative Discount- Zertifikate etc. Dass dabei auch eine gewisse Zahl an Verlust-Trades anfällt, liegt in der Natur der Sache. Hat er bislang auf das Gesamtjahr gerechnet 100.000 Euro Gewinn und 80.000 Euro Verlust gemacht, so hatte er 20.000 Euro zu versteuern, was einer Steuerlast von € 5.000.-- entsprach..
Nach der neuen Regelung werden allerdings 90.000 Euro umgehend vom Broker versteuert.
Die Steuerlast würde also € 22.500 EUR betragen, obwohl eigentlich nur 20.000 Gewinn gemacht wurden.
Der Anleger hätte somit sogar eine Art Nachschusspflicht gegenüber dem Staat von € 2.500.
Ich will nicht sagen, dass die Planer dieses Gesetztes keinen Verstand haben, nur sehe ich leider den Verstand nicht.
Lediglich 10.000 Euro seiner Verluste sind p.a. absetzbar. Die Steuer auf die Gewinne erfolgreichen Trades werden stets automatisch + sofort abgezogen – die Erstattung auf Verluste muss sich der Anleger gedeckelt auf € 10.000 p.a. jahrelang vom Fiskus zurückholen.
Ob klasssische Anlagezertifikate wie strukturierte Anleihen, Bonus- oder defensive Discountzertifikate unter die Definition eines „Termingeschäfts“ im Sinne der neuen Regelung fallen, geht aus dem Gesetzestext nicht eindeutig hervor.
5.) Bitte teilen Sie mir auch genau mit, welche Papiere genau unter die Definition „Termingeschäfte“ im Sinne der neuen Regelung fallen und welche nicht, damit ich 2020 Planungssicherheit habe ?
MfG
S. R.
PS. und noch eine weitere Frage:
Warum gibt es bis jetzt kein Leerverkaufsverbot in Deutschland.
Spanien, Italien, Frankreich, Belgien und Südkorea haben Leerverkäufe verboten.
Amerikanische Hedgefonds wetten fröhlich in riesigen Summen auf einen weiteren Ausverkauf des DAX und hier passiert nichts.
Da muss man doch nicht ewig lange auf die EU warten.
Sehr geehrte Frau Rögner,
danke für Ihre Anfrage. Ich habe Fragen zur Beschränkung von Verlusten aus Termingeschäften in den vergangenen Wochen auf Abgeordnetenwatch bereits mehrfach beantwortet. Daher meine Antworten hier in der gebotenen Kürze:
1. Als Politikerin kann ich keine Auskunft zu Absicherungsinstrumenten oder -strategien für Wertpapierdepots geben. Die Aufgabe, hier die geeigneten Instrumente zu identifizieren, muss ich den dafür entsprechend ausgebildeten Anlageexperten und Fachjournalisten überlassen.
2. Die Regelung gilt für Privatanleger. Werden Geschäfte im Betriebsvermögen getätigt, sind Verluste als Betriebsausgaben abziehbar. Unserem Koalitionspartner war in den Verhandlungen wichtig, die in seinen Augen bestehenden Möglichkeiten der Spekulation mit Termingeschäften für Privatanleger einzuschränken. Das Bundesfinanzministerium wollte sogar eine komplette Nichtberücksichtigung dieser Verluste erwirken: Hier sollte die bis 2016 geltende Finanzverwaltungspraxis gesetzlich manifestiert und die BFH-Rechtsprechung vom 12. Januar 2016 (BStBl. I 2017 II, S. 264) überschrieben werden. Danach wären Verluste dann in Gänze nicht anzuerkennen gewesen. Das konnten wir jedoch verhindern. Die jetzige Lösung ist ein Kompromiss: Verluste werden anerkannt, aber nur bis zu einer Höhe von 10.000 €. Damit wollten wir insbesondere zumindest die Kleinanleger davor schützen, einen Totalverlust komplett nicht geltend machen zu können.
3. Es geht dem Bundesfinanzministerium, wie erwähnt, um den besonderen Schutz von Privatanlegern, die nach dessen Auffassung jedenfalls im Durchschnitt weniger Erfahrungen und Kenntnisse bezüglich der Wirkungsweise und Risiken derartiger Finanzinstrumente haben.
4. Das Bundesfinanzministerium nimmt für den Gesetzgeber im Vorfeld von gesetzlichen Regelungen die Prüfung der Verfassungskonformität vor. Eine eigene verfassungsrechtliche Prüfung ist mir als Abgeordneter nicht möglich, da ich keine Verfassungsjuristin bin.
5.
Das Bundesfinanzministerium hat in einem am 16.03.2020 veröffentlichten Entwurf zur Ergänzung des Anwendungsschreibens zur Abgeltungsteuer die Neuregelung aufgegriffen. Betroffene Verbände können nun bis 13.04.2020 Stellung hierzu nehmen. Das Ministerium äußert sich darin u.a. zur Definition der ganzen oder teilweisen Uneinbringlichkeit einer Kapitalforderung und zur Ausbuchung wertloser Wirtschaftsgüter:
* Eine Forderung ist demnach uneinbringlich (Forderungsausfall), wenn dem Gläubiger keine gesetzlich gebilligte Möglichkeit zur Durchsetzung des Anspruchs (mehr) offensteht. Davon ist insbesondere auszugehen, wenn das Insolvenzverfahren mangels Masse abgelehnt wurde. Nicht ausreichend ist laut BMF die bloße Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners.
* Ein Forderungsausfall liegt laut BMF auch in Fällen eines Forderungsverzichts auf eine nicht werthaltige Forderung vor.
* Im Fall eines Verlusts aus der Einziehung wertloser Wertpapiere ist laut BMF die Wertlosigkeit gegeben, wenn der Handel mit dem Wertpapier eingestellt wurde, das Wertpapier aufgrund der Insolvenz der Kapitalgesellschaft eingezogen wurde oder das Wertpapier infolge der Herabsetzung des Kapitals ausgebucht wurde.
In Bezug auf die Anwendung von § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG erweitert das Bundesfinanzministerium u.a. seine bisherige Definition der Termingeschäfte, wonach künftig neben Optionsgeschäften, Swaps, Devisentermingeschäften, Forwards oder Futures auch sogenannte Contracts for Difference (CFDs) erfasst sein sollen.
Meine Fraktion ist derzeit mit betroffenen Verbänden in konstruktivem Austausch. Wir nehmen alle uns in den vergangenen Wochen übermittelten Argumente und Beispiele gerne auf und werden auch nochmal auf unseren Koalitionspartner zugehen.
Mit freundlichen Grüßen
Antje Tillmann MdB