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Antje Tillmann
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Frage von Peter G. •

Frage an Antje Tillmann von Peter G. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Tillmann,

in der plusminus-Sendung vom 20.November 2007 wurde über Probleme im Zusammenhang mit dem Verkauf von Immobiliendarlehen berichtet ( www.daserste.de ).

ZITAT:
Schuldenaufkäufer können ganz legal mehr als den eigentlichen Darlehenswert von Bankkunden verlangen, auch wenn diese immer ihre Raten bezahlt haben. Denn beim Darlehensverkauf ist die ursprünglich als Sicherheit für die Bank eingeräumte Grundschuld nicht mehr an das Darlehen gebunden und kann getrennt verwertet werden. Da sie während der gesamten Laufzeit des Darlehens in voller Höhe besteht, betreiben Investoren oftmals Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in Höhe der Grundschuld und nicht in Höhe des Darlehens abzüglich Zins und Tilgung zum Zeitpunkt des Verkaufs. Obendrein können Investoren nach geltendem Recht drei Jahre rückwirkend 18 Prozent auf die Grundschuld von Bankkunden einfordern.
ZITATENDE.

Das kann ggf bedeuten, dass Erwerber von Grundeigentum einen Teil des Kaufpreises zweimal zahlen. Mit Blick auf die aktuelle Krise an den Finanzmärkten ist zu erwarten, dass Gläubiger (Finanzinvestoren, aber auch Banken) in der nächsten Zeit alles tun, um zu Liquidität zu kommen – da kommt eine solche Gesetzeslücke natürlich gerade recht.

Dieser Umstand ist der Bundesregierung bekannt.
Ich möchte diesbezüglich folgende Fragen an Sie richten:

1.Welche konkreten Maßnahmen haben Sie persönlich innerhalb der Fraktion ergriffen bzw. planen Sie kurzfristig , um vor dieser untragbaren Rechtssituation die Grundeigentümer mit Grundschulden in Ihrem Wahlkreis zu schützen?
2.Welche gesetzgeberischen Aktivitäten zum Schutz der Grundeigentümer hat Ihre Fraktion unternommen bzw. wird diese kurzfristig unternehmen?

Mit freundlichen Grüßen

P. Grimm

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Sehr geehrter Herr Grimm,

ich bedanke mich für ihre Zuschrift und ich kann gut verstehen, dass sich viele Grundstückseigentümer Sorgen über Ihre Hausfinanzierung machen. Lassen Sie mich dazu Stellung nehmen:

Der Beitrag von Plusminus erweckt den Eindruck, dass der Erwerber einer Grundschuld jederzeit die Möglichkeit habe, unabhängig von Existenz und Höhe der zugrunde liegenden Forderung in das besicherte Immobilienvermögen in Höhe des Grundschuldbetrages zu vollstrecken. Dies ist so wie in dem Bericht vereinfacht dargestellt nicht richtig.

Ein Gläubigerwechsel kann durch Abtretung nach §§ 398 ff. BGB mit Hilfe einer Vertragsübernahme oder auf Grund gesetzlicher Anordnung der Rechtsnachfolge (z.B. Ausgliederung nach Umwandlungsgesetz) eintreten. In keinem Fall ändert sich der Inhalt der übertragenen Forderung. Bei einer Vertragsübernahme bleiben ebenso wie bei einer Forderungsabtretung alle Einreden und Einwendungen, die dem Schuldner schon gegenüber dem Altgläubiger zustanden, gemäß § 404 BGB erhalten, so dass der Schuldner bei einer Übertragung seiner Kreditforderung keine Verschlechterung seiner Rechtsposition erfährt. Der Kreditvertrag wird so, wie er zwischen Darlehensnehmer und der Bank vereinbart wurde, übernommen.

Die Grundschuld ist nach deutschem Sachenrecht das dingliche Recht, aus einem Grundstück oder einem grundstücksgleichen Recht (beispielsweise einem Wohnungseigentum oder einem Erbbaurecht) die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages zu fordern. Im Gegensatz zu Hypotheken sind Grundschulden nicht akzessorisch, sondern abstrakt d.h. sie sind nicht von Bestand und Umfang der gesicherten Forderung, beispielsweise Darlehen, abhängig und können für sich allein übertragen oder genutzt werden. Grundschulden können daher – anders als Hypotheken – auch nach deren Bestellung noch für andere Forderungen als Sicherheit herangezogen werden, indem einfach die Sicherungsabrede entsprechend erweitert wird. Das ist auch der Grund, weshalb in der Praxis Grundschulden den Hypotheken vorgezogen werden. Neben dem eigentlichen Grundschuldbetrag werden üblicherweise noch Grundschuldzinsen (dingliche Zinsen) und die Nebenleistung eingetragen. Die Grundschuldzinsen sichern höhere Forderungen mit ab, die z.B. durch Zahlungsverzug entstehen und den Grundschuldnominalbetrag übersteigen.

Trotz der rechtlichen Unabhängigkeit der Grundschuld von der gesicherten Forderung als persönlichem Anspruch sind Grundschuld und gesicherte Forderung durch die Sicherungsabrede (Zweckerklärung für Grundschulden) verbunden. Nach der Rückzahlung aller durch die Grundschuld gesicherten Forderungen entsteht aus der Sicherungsabrede ein Rückgewähranspruch. Der Rückgewähranspruch kann auf Rückabtretung der Grundschuld, auf Verzicht durch den Gläubiger sowie auf Löschung der Grundschuld gerichtet sein. In der Praxis wird dieser Anspruch von Kreditinstituten aber meistens auf den Anspruch auf Erteilung einer Löschungsbewilligung beschränkt.

In der Praxis enthalten die Kaufverträge über Kreditforderungen oder Kreditportfolien in der Regel eine Klausel, wonach der Erwerber bei einer Vollstreckung aus der Grundschuld an die Sicherungsvereinbarung zwischen dem Veräußerer und Darlehensnehmer gebunden ist. Durch einen Verkauf ohne diese Klausel würde der Veräußerer gegen die Sicherungsvereinbarung (Zweckbestimmungserklärung) mit dem Darlehensnehmer verstoßen und sich diesem gegenüber schadensersatzpflichtig machen, sobald der Erwerber die Sicherheiten entgegen den Regelungen der Sicherungsvereinbarung verwerten würde. Selbst wenn die Klausel nicht vereinbart werden würde, könnte der Erwerber aus der Grundschuld nicht ohne Berücksichtigung der Forderung vollstrecken. Zwar kann der Eigentümer seine Einreden gegen die Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld dann nicht geltend machen, wenn der Erwerber die Höhe der ausstehenden Forderung nicht kennt. In der Praxis ist es aber - anders als im Beitrag von Plusminus vom 20. November 2007 dargestellt – weitgehend ausgeschlossen, dass der Forderungserwerber aus einer Grundschuld gutgläubig in vollem Umfang vollstreckt, obwohl die Forderung nur noch zum Teil valutiert. Weiter ist deutlich hervorzuheben, dass die Investoren, die Kredite von Banken erwerben, sich bereits aufgrund ihrer vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der verkaufenden Bank stets und ausnahmslos an die Sicherungsvereinbarungen halten.

Zum weiteren Verfahren: Im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages fand am 19. September 2007 ein Fachgespräch zum Verkauf von Kreditforderungen mit zahlreichen Experten aus der Wirtschaft und der Wissenschaft statt. Dabei hat sich gezeigt, dass grundsätzlich gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht. Der Gesetzentwurf zum Risikobegrenzungsgesetz enthält einen Prüfauftrag zur Verbesserung der Transparenz bei Verkäufen von Kreditforderungen. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Praxis, Forderungen aus Verträgen über Immobilien- und sonstige Kredite an in- oder ausländische Stellen – auch solche außerhalb der EU und des EWR – zu verkaufen, wird derzeit geprüft, ob und inwiefern gesetzliche Maßnahmen zur Regelung des Verkaufs angezeigt sind. Insbesondere ist zu erörtern, wie die Transparenz für die Kreditnehmer zu verbessern ist.

Für die Union könnte eine Selbstverpflichtung der Banken ein symbolisches Ziel sein, um mehr Fairness bei den Banken gegenüber den privaten Kreditnehmern zu erzielen. Gesetzliche Maßnahmen zur Sicherung der Rechte der Kreditnehmer sind aber wohl unvermeidlich. Es bedarf verbesserter Hinweispflichten für die Kreditnehmer, wenn ein Kredit verkauft wird und bevor ein solcher ausläuft. Ob ein Sonderkündigungsrecht bei Verkauf des Kredits durch die Bank an Dritte für den Kreditnehmer – wie von Teilen der SPD angedacht – Sinn macht, ist zweifelhaft. Denn zum einen würde die in dem Kreditzins eingepreiste Vorfälligkeitsentschädigung dann möglicherweise entfallen. Zum anderen könnte dieses den Verkauf von Krediten zur Portofoliobereinigung und Freisetzung von Eigenkapital bei den Banken verzögern bzw. unmöglich machen. Mit den Rechtspolitikern sind darüber hinaus Änderungen im BGB und im Zwangsvollstreckungsrecht zu diskutieren, um gehäuft auftretende Problemfälle bei einer Zwangsvollstreckung von notleidenden Krediten durch Dritte begegnen zu können. In der Gesamtbetrachtung ist für uns entscheidend: Wir wollen das Recht der Kreditnehmer auf Information stärken, ohne dabei aber den volkswirtschaftlich sinnvollen Verbriefungsmarkt zu gefährden. Wir sind überzeugt davon, dass dies möglich ist und erwarten von der Kreditwirtschaft, sich an der Lösungsfindung konstruktiv zu beteiligen.

Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Risikobegrenzungsgesetz und in den Gesprächen mit unserem Koalitionspartner diskutieren wir das Thema Verkauf von Krediten derzeit eingehend.

Ich hoffe Ihnen damit ein wenig weitergeholfen zu haben und verbleibe

Mit freundlichen Grüßen
Antje Tillmann

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