Frage an Antje Tillmann von Ralf K. bezüglich Verkehr
Sehr geehrte Frau Tillmann,
wann wird eigentlich das Straßennetz privatisiert, oder gibt es eine Lobby die eine Privatisierung verhindert?
Das Straßennetz ist doch für Investoren gewinnbringender als die Bahn AG, weil es mehr Straßen und Kfz-Nutzer gibt als Schienenwege und Bahnfahrgäste.
Mit freundlichen Grüßen
Ralf Kuke
Sehr geehrter Herr Kuke,
zunächst möchte ich Sie kurz über den Inhalt des Gesetzes zur Neuorganisation der Eisenbahn des Bundes informieren:
das Bundeskabinett hat am 24. Juli 2007 das Gesetz zur Neuorganisation der Eisenbahnen des Bundes beschlossen. Mit dem Gesetzentwurf werden die Voraussetzungen für eine Teilkapitalprivatisierung der Deutschen Bahn AG geschaffen. Im Vorfeld hat die Union bereits wichtige Änderungen im Gesetzentwurf durchsetzen können, wie zum Beispiel den Wegfall von ursprünglich vorgesehenen Sonderzuwendungen des Bundes an die Deutsche Bahn über den geplanten jährlichen Bundeszuschuss hinaus.
Der vorliegende Gesetzentwurf weist jedoch weiterhin Mängel auf, die im anstehenden parlamentarischen Verfahren beseitigt werden müssen. So ist insbesondere die von Bundesminister Tiefensee zugesagte allmähliche Absenkung des jährlichen Bundeszuschusses zur Instandhaltung der Schienenwege von 2,5 Mrd. Euro im Gesetzentwurf noch nicht umgesetzt. In diesem Zusammenhang wird die Ankündigung der DB AG, mit dem Schienennetz künftig Gewinne erzielen zu wollen, ausdrücklich begrüßt. Falls es sich bei dieser Ankündigung nicht um eine Luftblase von Bahnchef Mehdorn handelt, wird dies durch eine entsprechende Absenkung des Bundeszuschusses zur Entlastung des Bundeshaushalts führen können.
Die Union wird daher die Zusage von Bundesminister Tiefensee in den parlamentarischen Beratungen aufgreifen, die Absenkung des Bundeszuschusses im Gesetz zu verankern, um sicherzustellen, dass auch der Bundeshaushalt von den künftigen Gewinnen des Schienennetzes profitiert.
Ziel der Reform ist, die Bahn für eine Teilkapitalprivatisierung zu öffnen und damit starke Partner für dieses Projekt zu gewinnen. Bei der Umsetzung des Bundestagsbeschlusses vom 24. November 2006 galt es, eine Vielzahl komplexer Anforderungen zu erfüllen. Die erste und wichtigste bildet das Grundgesetz: Es schreibt vor, dass die Mehrheit der Anteile der deutschen Bahn AG (DB AG) beim Bund bleibt. Dies hat das Parlament auch noch einmal ausdrücklich präzisiert: Die Schieneninfrastruktur soll nicht privatisiert werden. Das Eigentum an der Schieneninfrastruktur (DB Netz AG), an der DB Station und Service AG und der DB Energie GmbH wird jetzt direkt dem Bund zugeschlagen, der bisher nur indirekt – also als Anteilseigner der DB AG – eine Eigentümerfunktion innehatte.
In Zukunft soll gelten: Juristischer Eigentümer wird der Bund. Die Bahn darf die Schieneninfrastruktur aber bewirtschaften. Das soll für 15 Jahre gelten. Fällt der Bundestag dann keine Entscheidung für eine Verlängerung dieses Modells, fällt auch das bewirtschaftete Eigentum wieder an den Bund. Die Schieneninfrastruktur wird also nicht privatisiert!
Nun zum Straßennetz:
Auch das Straßennetz muss natürlich im Eigentum des Bundes verbleiben, so wie es derzeit Art. 90 Abs. 1 GG vorsieht. Um eine Privatisierung des Straßennetzes zu erreichen müsste daher Verfassung geändert werden. Dies ist aber nicht geplant und nicht gewollt. Selbst bei der Neuorganisierung der Eisenbahn des Bundes wird das Grundgesetz nicht geändert. Der Bund hat den öffentlichen Auftrag, zum Wohl der Allgemeinheit, insbesondere der Verkehrsbedürfnisse, das Straßennetz zur Verfügung zu stellen und in Stand zu halten. Dies wäre zwar grundsätzlich auch in privatwirtschaftlicher Form möglich, erfordert aber ein kompliziertes Regelwerk, das momentan nicht notwendig ist.
Ein besserer Weg, um die Belastung der Haushalte so gering wie möglich zu halten, sind die sog. PPP-Projekte (Public-Private Partnership). So sieht das sog. A-Modell (erstes bundesweites PPP-Autobahnprojekt) an der A 8 zwischen München und Augsburg vor, dass ein Privater einen Autobahnabschnitt ausbaut und für einen bestimmten Zeitraum in Stand hält. Im Gegenzug erhält er hierfür die LKW-Mauteinnahmen, die auf dieser Strecke erzielt wurden.
Ein anderes Mittel zur Senkung der Kosten (und damit zur Effizienzsteigerung) ist die Vereinfachung der Genehmigungs- und Bauphase von Bundesfernstraßen. So hat der Wirtschaftsrat der CDU festgestellt, dass 35 Prozent der notwendigen Mittel für Verwaltungskosten in der Genehmigungsphase und weitere 21 Prozent für sonstige Verwaltung und Gutachten benötigt werden. Es ist also ein effizienteres Planungsverfahren notwendig, das darauf ausgerichtet ist Kosten zu sparen. Dies könnte im Rahmen der Föderalismusreform II thematisiert werden. Denn solange die Länder die Straßen planen und der Bund für die Kosten aufkommt (Art. 90 Abs. 1 GG), sehen die Länder womöglich keinen Anreiz zum sparen.
Derzeit gibt es zwar bereits die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft (VIFG), die zu 100 % im Eigentum des Bundes steht. Ihre Aufgabe ist die Planung, Finanzierung, der Bau und die Bewirtschaftung von Bundesfern- und Wasserstraßen. Sie kann aber allein die Mittel verteilen, die aus den Maut-Einnahmen erzielt wurden und die ihr der Bund zur Verfügung gestellt hat. Der Koalitionsvertrag sieht aber eine Erweiterung der Aufgabenstellung der VIFG sowie die Überprüfung der Kreditfähigkeit vor.
Mit freundliche Grüßen
Antje Tillmann