Frage an Antje Tillmann von Andreas G. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Tillmann,
bestimmte vom Gesetzgeber als besonders förderungswürdig erachtete Sachbezüge können Arbeitnehmern steuerfrei gewährt werden, wenn diese „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ vom Arbeitgeber erbracht werden. Hierzu zählt z.B. die Überlassung eines Fahrrads = Umwelt- und Klimaschutz (§ 3 Nr. 37 EStG), Leistungen zur Gesundheitsförderung (§ 3 Nr. 34 EStG) oder Leistungen zur Unterbringung nicht schulpflichtiger Kinder (§ 3 Nr. 33 EStG). Bis zum Urteil des BFH vom 01.08.2019 (Az. VI R 32/18) war bei derartigen besonders förderungswürdigen Sachbezügen aus Sicht der Finanzverwaltung eine Finanzierung durch Gehaltsumwandlung nicht steuerbegünstigt. Durch das Urteil des BFH wurde diese Sichtweise durch das höchste deutsche Finanzgericht nicht mehr geteilt. Mit Bezug auf diese Rechtsprechung wäre auch eine Finanzierung besonders förderungswürdiger Sachbezüge durch eine Gehaltsumwandlung möglich. Hierdurch ist es insbesondere kleinen Unternehmen möglich ihren Arbeitnehmern derartige Sachbezüge ohne Erhöhung der Lohnkosten zukommen zu lassen. Doch das Urteil fand keine Akzeptanz bei der Finanzverwaltung. Am 05.02.2020 veröffentlichte das Bundesfinanzministerium einen „Nichtanwendungserlass“ zu der oben aufgeführten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes. Dieser sollte im Vorgriff auf eine Gesetzesänderung (Nichtanwendungsgesetz) erfolgen. Zur Zeit besteht eine große Untersicherheit bei Arbeitgebern ob und wie die Rechtsprechung des BFH angewendet werden darf. Besonders problematisch wird dies dadurch, dass die Gesetzesänderung eine Verschärfung der bisherigen Rechtslage darstellt (siehe http://www.portal-sozialpolitik.de/uploads/sopo/pdf/2020/2020-01-22-BdSt_Stellungnahme_RefE.pdf).
Würden Sie einem „Nichtanwendungsgesetz“ zustimmen, das insbesondere Arbeitnehmer in kleinen Unternehmen benachteiligt und die Rechtsprechung des höchsten deutschen Finanzgericht aushebelt?
Sehr geehrter Herr Giebel,
danke für Ihre Anfrage.
Das Bundesministerium der Finanzen hat uns bislang keinen Entwurf für eine Änderung des § 8 EStG vorgelegt, so dass sich die Frage, ob meine Fraktion einer Regelung, die die bisherige Verwaltungsauffassung prolongiert, zustimmen würde, derzeit nicht stellt. Im Entwurf war die Regelung ursprünglich Bestandteil des ersten Referentenentwurfs für das Gesetz zur Einführung einer Grundrente. Aufgrund der Gespräche, die wir bereits im Vorfeld der Kabinettbefassung mit dem Ministerium und dem Koalitionspartner geführt haben, konnten wir die Streichung der von Ihnen kritisierten Norm aus dem Grundrenten-Gesetzentwurf erreichen. Denn, wie der Bund der Steuerzahler in seiner Stellungnahme richtigerweise betont, es handelt sich bei der Änderung der Einkommensteuer um eine steuerrechtliche Diskussion, die im Finanzausschuss zu führen ist und nicht - initiiert durch das Ministerium für Arbeit und Soziales - im Sozialausschuss. Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf daher ohne diese Passage im Einkommensteuergesetz auf den Weg gebracht.
Wir als Gesetzgeber haben im Übrigen schon bei der Neuregelung der Steuerfreiheit von Gutscheinen im Rahmen des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität im vergangenen Jahr klargestellt, dass "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" auch tatsächlich als „zusätzlich“ zu verstehen ist. Die Begründung hebt hervor, dass Gehaltsumwandlungen dieses Kriterium gerade nicht erfüllen und die Steuerfreiheit insbesondere in diesen Fällen ausgeschlossen ist. Diese Klarstellung war unserem Koalitionspartner besonders wichtig. Und auch ich halte das Petitum für nachvollziehbar. Damit sollten Umgehungsmöglichkeiten ausgeschlossen werden. Denn die Steuerfreiheit führt z.B. auch zur Sozialabgabenfreiheit. Sinn und Zweck dieser Befreiungstatbestände ist es aber, dem Arbeitgeber die Möglichkeit zu geben, seinen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zusätzlich und bürokratiearm (zweckgebunden) weiteren Lohn in Form eines als förderwürdig betrachteten Sachbezugs auszahlen zu können, ohne dass diese sich um deren Versteuerung Gedanken machen müssen. Dagegen ist gerade nicht die Möglichkeit beabsichtigt, sich durch Gehaltsumwandlungen bei im Ergebnis gleicher Lohnhöhe auf Kosten der Allgemeinheit seine Steuer- und Sozialabgabenpflichten zu drücken.
Eine solche Regelung würde kleine Unternehmen schon deshalb nicht benachteiligen, weil die bisherige Verwaltungsauffassung den Unternehmen bekannt war. Auch für deren Arbeitnehmer sehe ich keinen Nachteil, weil diese im Rahmen einer Gehaltsumwandlung immer auf entsprechende – zweckungebundene – Gehaltsbestandteile in gleicher Höhe verzichten müssten. Diese Gehaltsbestandteile stehen ihnen auf Dauer dann nicht mehr zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Antje Tillmann MdB