Frage an Antje Tillmann von Heike R. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Tillmann,
Ihre Partei,die CDU, hat den Euro mit eingeführt und uns verbindlich versprochen, er wird stabiler als die D Mark sein.
Ihre Partei verweigert jetzt eine Aussage, wie ich am besten Geld für meine Altersvorsorge anlegen kann, da der Zins unter Ihrer Regierungstätigkeit verschwunden ist.
Frau Tillmann, lässt die CDU Regierung uns jetzt mit dem Nullzins alleine?
H. R.
Sehr geehrte Frau Rogall,
danke für Ihre Anfrage.
Euro
Ich wiederhole gerne meine Ausführungen vom Januar 2019 an dieser Stelle. Was unsere gemeinsame europäische Währung betrifft, bin ich um ihre Stabilität nicht besorgt. Der Euro ist stabil, mit einer durchschnittlichen jährlichen Inflationsrate von 1,7 Prozent sogar stabiler als die D-Mark mit jährlich 2,8 Prozent während ihres 50-jährigen Bestehens. Auch was den Außenwert des Euro zum Dollar betrifft, besteht seit 20 Jahren – trotz aller normalen Schwankungen über die Jahre – Stabilität: Der Wechselkurs steht aktuell bei rund 1,11 USD, Anfang 1999 waren es 1,17 USD.
Unabhängige Zentralbank
Die Verzinsung von Spar- oder Versicherungsverträgen ist nur mittelbar Folge nationaler politischer Entscheidungen. Sie folgt aus der Anlagepolitik der (Versicherungs-)Unternehmen und der Zinspolitik der Europäischen Zentralbank. Die Politik kann und darf auf die Geldpolitik der EZB aber aus guten Gründen – die gerade Deutschland bei der Errichtung der EZB als von der Politik unabhängiger Zentralbank wichtig waren – keinen Einfluss nehmen. Die aktuelle Zinshöhe hat daher auch nichts mit der Regierungstätigkeit der Bundesregierung zu tun. Auch wenn dies in der aktuellen Phase sowohl für die Politik als auch den einzelnen Bürger in Deutschland schwer zu verkraften und mit enormen Anstrengungen verbunden ist, sollte diese Errungenschaft unabhängiger Zentralbanken, die den Staaten die Möglichkeit nimmt, Einfluss auf die Geldpolitik im Sinne der eigenen Haushaltspolitik zu nehmen, nicht vorschnell zur Disposition gestellt werden. Denn die gesamtwirtschaftlichen Vorteile einer von der Politik unabhängigen Zentralbank überwiegen die Nachteile.
Niedrige/negative Realzinsen kein neues Phänomen
Auch der Trend zu immer niedriger werdenden Zinsen ist kein Phänomen erst der EZB, sondern schon seit einigen Jahrzehnten zu beobachten, auch bereits zu D-Mark-Zeiten. Der Realzins, also das Verhältnis von Inflation und Zinsniveau, war in den vergangenen Jahrzehnten in vielen Phasen nahe Null. Gute Finanz- und Anlageberatung sollte auf diese Tatsache stets hinweisen. Auch dass sich Spargeld über einen gewissen Zeitraum real negativ verzinst, ist nicht erst im aktuellen Zinsumfeld zu beobachten. In Zeiten höherer Inflation überwogen nach Daten der Bundesbank historisch betrachtet sogar die Zeiträume mit negativer Realverzinsung. Die Auswirkungen auf Sparer, Altersvorsorge und Pensionslasten von Unternehmen sind aber in der Tat umso schwerwiegender, je länger die Niedrigzinsphase anhält. Den Negativzins geben die Geschäftsbanken an ihre Kundinnen und Kunden nicht weiter. Ausnahmen gelten bisher nur für Guthaben über 100.000 €. Der Kleinsparer ist daher glücklicherweise nicht betroffen.
EZB muss sich erklären
Die EZB muss deshalb gerade vor dem Hintergrund ihrer Unabhängigkeit ihre Maßnahmen immer wieder neu öffentlich erklären. Vor allem aber muss sie an einem mittelfristigen Ausstiegsszenario arbeiten, um das ihr von Politik, Wirtschaft sowie Sparerinnen und Sparern entgegengebrachte Vertrauen auch weiterhin rechtfertigen können.
Kritik aus Deutschland
Wie viele Bürgerinnen und Bürger sowie Wissenschaftler beobachtet daher auch die Bundespolitik das Handeln der EZB mit zunehmender Sorge. Insbesondere die Union kritisiert den geldpolitischen Kurs der EZB schon seit Längerem.
Mag das schnelle Handeln der Zentralbanken und das Herabsetzen der Zinsen während der Finanzkrise und im Anschluss auch richtig gewesen sein, um Kettenreaktionen und ein Zusammenbrechen des Finanzsystems zu verhindern, so würden wir uns eine beherztere Rückkehr in den Normalmodus wünschen.
Aktie stärken
Die CDU „verweigert“ nicht die Aussage, wie Geld von Anlegern am besten angelegt werden sollte. Es ist nicht Aufgabe der Politik, Anlageberatung zu betreiben oder Anlagetipps zu geben. Nichtsdestotrotz ist uns aber wichtig, dass sich Sparen angesichts der Zinspolitik der EZB wieder lohnt. Da die Niedrigzinspolitik es den Sparerinnen und Sparern aber zunehmend schwer macht, eigenverantwortlich für das Alter vorzusorgen und Vermögen aufzubauen, wollen wir die Aktie als Anlageinstrument zur Vermögensbildung wieder attraktiver machen. Aktien als Einzelwerte, als Bestandteile von Investmentfonds oder auch im Rahmen von Riester-Rentenverträgen spielen deshalb eine immer bedeutendere Rolle für die eigene Altersvorsorge. Denn eines ist klar: Mit einer vernünftigen Mischung aus festverzinslichen Wertpapieren und Aktien ist es auch heute möglich, eine zufriedenstellende Rendite zu erwirtschaften. In den Fokus werden wir deshalb Freibeträge, den Werbungskostenabzug sowie auch die Wiedereinführung der Spekulationsfrist nehmen. Denn wer z.B. eine Aktienanlage 10 Jahre lang hält, kann aus unserer Ansicht nach bei der steuerlichen Behandlung von Veräußerungserlösen nicht auf eine Stufe mit Hochfrequenzhändlern und Spekulanten gestellt werden. Wir sehen daher auch das Ansinnen unseres Bundesfinanzministers, gegebenenfalls eine (auf den Verkauf und Erwerb von Aktien zusammengeschrumpfte) Finanztransaktionsteuer im nationalen Alleingang einzuführen, mit allergrößter Skepsis. Die Attraktivität eines eigenverantwortlichen Vermögensaufbaus würde dies nicht stärken. Mit unserem Koalitionspartner diskutieren wir derzeit im Rahmen des Jahressteuergesetzes darüber hinaus auch sehr intensiv darüber, ob der Totalverlust bei Wertpapieren z.B. durch eine Insolvenz künftig (wie die Veräußerung mit Verlust) spiegelbildlich zur Gewinnbesteuerung steuerlich geltend gemacht werden können soll oder nicht.
Wir haben neben dem Verkauf von Wertpapieren über Kreditinstitute in den vergangenen Jahren auch die sog. Honorarberatung ermöglicht, die unabhängige Beratung gegen Entgelt gewährleisten soll. Daneben haben wir den Verbraucherschutz u.a. dahingehend gestärkt, dass wir den Finanzmarktwächter eingeführt und bei den Verbraucherzentralen angesiedelt haben. Hier wird der Finanzmarkt aus der Sicht von Verbraucherinnen und Verbrauchern beobachtet und analysiert. So können durch Meldungen von Verbrauchern z.B. strukturelle Fehlentwicklungen in der Beratung oder rechtswidrige Vertriebspraktiken erkannt und unterbunden werden. Allerdings sollten Sie sich auf Wertpapiere nur einlassen, wenn Sie die Risiken erkennen und im Zweifel auch tragen können.
Ich hoffe, meine Informationen sind für Sie dienlich und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Antje Tillmann