Frage an Antje Tillmann von Matthias S. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Tillmanns, ich hatte Ihnen vor einiger Zeit geschrieben wegen der anhaltenden negativen Realzinsen, die meine ganze Altersvorsorge kaputt gemacht haben. Sie hatten mir damals Aktien als Alternative genannt und geschrieben, dass die Union nun den Aktienbesitz fördern möchte. Ich hatte daher gehofft, dass es vielleicht neue Förderinstrumente fürs Aktiensparen geben wird (ähnlich wie beim VL- oder Riester-Sparen) oder dass es wieder eine Spekulationsfrist von z.B. einem Jahr geben wird, damit man Aktien auch leichter zur Depot-Optimierung umschichten kann, ohne gleich extra Steuern auf Kursgewinne zahlen zu müssen. Man zahlt ja ohnehin schon Steuern auf die Dividenden. Nun lese ich aber, dass genau das Gegenteil von der Bundesregierung geplant ist: Sie wollen uns den Erwerb von Aktien erschweren, bei jedem Kauf oder Verkauf einer Aktie sollen wir eine neue Steuer bezahlen, die Sie Finanztransaktionssteuer (FTT) nennen, obwohl die richtig spekulativen und gefährlichen Finanzprodukte von der Steuer befreit sein werden. Nur der normale einfache Aktionär soll besteuert werden, und dass obwohl Aktien bei der Bankenkrise/Finanzkrise überhaupt keine Rolle gespielt haben, wohl aber viele andere Finanzinstrumente, die Sie nicht besteuern wollen. Mir ist das schleierhaft, dass Sie jetzt so vorgehen, und das bei Rekordsteuereinnahmen der öffentlichen Haushalte. Können Sie das Vorhaben, das wohl insbesondere von der SPD betrieben wird, nicht stoppen? Sehr übel stößt mir auf, dass Herr Scholz einen Staatssekretär von Goldman Sachs angestellt hat und nun die FTT so ausgestaltet, dass Firmen wie Goldman Sachs nicht betroffen sind mit ihren vielen seltsamen, intransparenten, spekulativen und gefährlichen Finanzinstrumenten. Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Schwarzer,
vielen Dank für Ihre erneute Anfrage.
Die Linie der Unionsfraktion war und ist klar: Einem nationalen Alleingang ähnlich wie in Frankreich werden wir nicht zustimmen: Nur im Rahmen einer gemeinsamen europäischen Lösung ist eine solche Steuer in Zeiten, in denen Börsenplätze frei wählbar und Aktiendepots mobil sind, tragbar. Wir sind gegen eine zusätzliche Belastung von Altersvorsorgeprodukten und von Kleinsparern und haben das dem Bundesfinanzminister in mehreren Gesprächsrunden so auch mitgegeben. Ich gehe davon aus, dass der Minister unsere Bedenken in den weiteren Verhandlungen auf europäischer Ebene auch so vertritt. Wir werden im Gesetzgebungsverfahren jedenfalls sehr genau darauf achten.
Die SPD verfolgt die Idee einer Finanztransaktionsteuer seit über 10 Jahren. Auf globaler Ebene und gestützt auf eine breite Bemessungsgrundlage hätte sie auch Sinn gemacht, weil sie dann geeignet gewesen wäre, die Stabilität der internationalen Finanzmärkte zu unterstützen. Dies würde aber voraussetzen, dass sinnvollerweise auch alle Finanzprodukte, die zum Entstehen der Finanzkrise beigetragen haben, in die Besteuerung einbezogen werden. Denn die eigentlichen Mitauslöser der Krise waren Derivate und strukturierte Wertpapiere, die Schrottkredite gebündelt und dadurch letztlich verschleiert haben. Auch den Hochfrequenzhandel wollten wir ursprünglich an den Kosten der Krise beteiligen, da er ungerechtfertigte finanzielle Vorteile für die Wenigen schafft, die ihn sich leisten können.
Ein Konsens auf internationaler Ebene scheiterte aber schnell. Wir haben uns dann darauf verständigt, eine Finanztransaktionsteuer zunächst zumindest auf europäischer Ebene einzuführen. Auch hier gab es aber nur wenige Unterstützer. Obwohl wir das für die schlechtere Lösung gehalten haben, haben wir auch die Verhandlungen im Wege der Verstärkten Zusammenarbeit (VZ) mit neun europäischen Partnern mitgetragen. So mussten wir es schließlich auch in unsere Koalitionsvereinbarung mit der SPD aufnehmen, weil ansonsten keine Große Koalition zustande gekommen wäre, die nach dem Ausstieg der FDP aus den Koalitionsverhandlungen der einzige Ausweg zur Bildung einer Bundesregierung ohne Neuwahlen war.
Nachdem sich ohnehin nur ein kleiner Unterstützerkreis für die Steuer zusammengefunden hat, war innerhalb dieser VZ-Staaten ein Konsens auf eine breite Bemessungsgrundlage nicht möglich. Als kleinster gemeinsamer Nenner ist die Besteuerung von Käufen und Verkäufen von Aktien nach französischem Vorbild als Verständigung übrig geblieben. Darauf haben sich die Finanzminister im März im Grundsatz geeinigt. Ohne weitere Vorkehrungen bliebe damit aber ein hohes Risiko, dass die einfache Aktienanlage des "kleinen Mannes" - die mit Spekulation und der Stabilität der Finanzmärkte absolut nichts zu tun hat - künftig stärker belastet wird.
Auf Initiative mehrerer Staaten werden in den kommenden Monaten auf europäischer Ebene noch weitere Verhandlungen in Bezug auf die Herausnahme von Altersvorsorgevermögen geführt werden. Auch über die Verteilung der Einnahmen aus der Finanztransaktionsteuer besteht noch keine Einigkeit.
Wir werden weiter darauf dringen, dass die Anlage in Aktien für den Normalanleger nicht unattraktiver wird.
Mit freundlichen Grüßen
Antje Tillmann MdB