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Antje Tillmann
CDU
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Frage von Wolfgang S. •

Frage an Antje Tillmann von Wolfgang S. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Tillmann,

gerade lese ich hier: https://www.deutschlandfunk.de/europa-und-die-steuerflucht-warum-multinationale-konzerne.724.de.html?dram:article_id=429393

folgendes:

„Das klingt ein bisschen technisch, ist aber sehr einfach. Es geht darum, dass die Konzerne Daten darüber veröffentlichen, wie viele Beschäftigte sie haben, wie viel Gewinn sie machen, und welche Vermögenswerte sie besitzen. All dies weiß die Öffentlichkeit nicht“, sagt Nadja Salson, Steuerexpertin von EPSU, der Europäischen Föderation der Gewerkschaften für den öffentlichen Dienst. Mehr Transparenz sei dringend erforderlich in dieser Schattenwelt. Die EU-Kommission wollte einen Teil dieser Länderdaten öffentlich machen. Da sei man, heißt es auch aus der Kommission hinter vorgehaltener Hand, weniger erfolgreich gewesen.Globaler Standortwettbewerb um niedrige Unternehmenssteuern

„Das ist nur der allererste Schritt. Und schon dieser Vorschlag wird im Rat blockiert. Zum Beispiel von der deutschen, der österreichischen, aber auch der schwedischen Regierung.“

Meine Frage ist einfach: Wieso ist Deutschland teil des Problems und nicht Teil der Lösung? Ist die CDU Helfershelfer der Multmillionäre und Großkonzerne bei der Steuervermeidung? Dieser Eindruck drängt sich mir auch verstärkt auf, wenn ich daran denke, dass CDU/CSU nicht wollen, dass Info-CD´s aus Steuerparadiesen angekauft werden. Wie soll man denn sonst Steuersündern auf die Schliche kommen?

Was unternimmt die CDU/CSU konkret gegen Steuervermeidungsstrategien?

MfG
W. S.

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr S.,

danke für Ihre Nachricht, die ich gern beantworte.

Die Nachrichten der letzten Tage über sog. Cum-Ex- und Cum-Cum-Fälle in verschiedenen europäischen Ländern zeigen, wie schwierig es für die Gesetzgeber ist, krimineller Energie und aggressiven Steuerplanungsstrategien beizukommen. Niemand zweifelt ernsthaft daran, dass es sich auch ohne eine ausdrückliche gesetzliche Erwähnung um eine strafbare Handlung handelt, sich eine nur einmal gezahlte Kapitalertragsteuer doppelt oder mehrfach zurückerstatten zu lassen (so geschehen in den sog. Cum-Ex-Fällen). 2007 und 2012 hat der Bundestag dennoch eine gesetzliche Klarstellung vorgenommen. Auch sog. Cum-Cum-Geschäfte haben wir 2016 nach deren Bekanntwerden mit der Änderung des Investmentsteuergesetzes sofort unterbunden. Es wird allerdings immer wieder deutlich, dass ein effektives Vorgehen gegen Steuervermeidungsstrategien ein global, zumindest aber europäisch abgestimmtes staatliches Handeln erforderlich macht. Deshalb haben wir hier bereits viel getan und setzen diesen Weg gegen Steuervermeidung und Steuerflucht auch weiterhin fort. Im Einzelnen:

Öffentliches Country-by-Country Reporting

Sie sprechen die Diskussionen in den Ratsarbeitsgruppen auf EU-Ebene, ob das Country-by-Country Reporting öffentlich sein soll, an. Die CDU/CSU-Fraktion - wie auch bislang die Bundesregierung - lehnt eine solche öffentliche Transparenz aus wohlüberlegten Gründen ab. Das Vorgehen gegen unfairen Steuerwettbewerb und für mehr Transparenz in steuerlichen Angelegenheiten sind für die Union wichtige Ziele, die nachhaltig verfolgt werden. Dementsprechend begrüßen wir die Umsetzung des Country-by-Country Reporting, durch das die beteiligten Staaten bestimmte steuerlich relevante Informationen multinational tätiger Unternehmen zwischen den Steuerverwaltungen austauschen. Eine Veröffentlichung steuerlicher Daten gegenüber der Öffentlichkeit ist in diesen Projekten nicht enthalten. Es bestand Einigkeit, dass nur dann - unter Wahrung berechtigter Interessen der Unternehmen - die Zielsetzung erreicht werden kann, wenn

- weltweit möglichst viele Staaten für den länderbezogenen Austausch von Unternehmensinformationen gewonnen werden können,

- gleichzeitig die Vertraulichkeit der Steuerinformationen gewahrt und

- die sachgerechte Verwendung der Steuerinformationen sichergestellt

wird. Eine Offenlegung der steuerlichen Informationen würde - entgegen der meist in der Öffentlichkeit verbreiteten These - die genannten Zielsetzungen konterkarieren und darüber hinaus zu Problemen für Unternehmen und Finanzverwaltung führen. Dies sind bei einer Offenlegung z.B.:

- Staaten außerhalb der Europäischen Union könnten ihre Bereitschaft zur Lieferung solcher Daten zurückziehen, denn sie würden die Daten durch die Publizität ohnehin erhalten, ohne sie selbst zur Verfügung stellen zu müssen.

- Mit einer Veröffentlichung bestünde zudem die Gefahr der Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen, die Rückschlüsse auf Unternehmensstrukturen oder Kalkulationen ermöglichen. Dies kann zu Wettbewerbsnachteilen (insbesondere auch deutscher) multinationaler Unternehmen gegenüber Drittstaaten führen.

- Der Grundsatz der Gegenseitigkeit würde zum Nachteil der EU-Unternehmen verletzt, wenn nur europäische Unternehmen zu einer Veröffentlichung gezwungen würden, ohne gleichzeitig entsprechende Informationen von Drittstaaten zu erhalten.

- Für die Allgemeinheit hätten die Daten oft keinen Mehrwert. Im Gegenteil: Die Daten könnten zu Fehlinterpretationen führen, die geeignet sind, die Unternehmen in Misskredit zu bringen, ohne dass dies den Tatsachen entspricht.

- Eine Veröffentlichung könnte zu massiven Besteuerungskonflikten mit anderen Staaten führen, denen bislang kein Besteuerungsrecht zusteht, und dort steuerliche Begehrlichkeiten wecken, die dazu führen könnten, dass die gewonnenen Informationen zu einer willkürlichen formelhaften Aufteilung der Gewinne verwendet werden. Dies könnte zu Doppelbesteuerung führen, welche durch Streitbeilegungsmechanismen nicht ausgeräumt werden könnten.

Auch der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 13. Mai 2016 entsprechende Vorschläge abgelehnt.

Anzeigepflicht grenzüberschreitende Steuergestaltungen

Auf europäischer Ebene führen wir Anzeigepflichten für grenzüberschreitende Steuergestaltungen ein. Solche Steuergestaltungen müssen durch die Steuerpflichtigen und ihre Berater den Finanzbehörden künftig rechtzeitig gemeldet werden.

Automatischer Informationsaustausch

Wir unterstützen Initiativen zum automatischen Informationsaustausch als neuen globalen Standard. Hier haben wir bereits konkrete Schritte erreicht. Deutschland hat gemeinsam mit 50 anderen Staaten einen internationalen Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden durch automatische Meldung von Finanzkonten im Ausland vereinbart. Inzwischen haben sich mehr als 100 Staaten dieser Vereinbarung angeschlossen. Anfang 2019 sollen die ersten Daten ausgetauscht werden.

OECD-Projekt: Base Erosion and Profit Shifting (BEPS)

Ein weiterer Baustein zur Bekämpfung aggressiver Steuerplanungen ist der OECD-Aktionsplan gegen Base Erosion an Profit Shifting (BEPS). Um eine solide Staatsfinanzierung zu sichern, Steuergerechtigkeit zu gewährleisten und mehr Wettbewerbsgleichheit zu schaffen, müssen die Staaten Maßnahmen gegen die aggressive Steuervermeidung internationaler Konzerne und den schädlichen Steuerwettbewerb verabreden. Zur Bekämpfung von missbräuchlichen internationalen Steuergestaltungen hat die OECD im Juni 2012 auf Initiative der G20 und unter maßgeblicher Beteiligung des deutschen Bundesfinanzministers dieses internationale Projekt beschlossen. Durch die Vereinbarung von Mindeststandards und die Schaffung von mehr Transparenz wird es gelingen, schädlichen Steuerwettbewerb einzuschränken. Insbesondere für Unternehmen wird es damit ungleich schwerer, sich einer zutreffenden Besteuerung in den einzelnen Staaten zu entziehen.

Tax Rulings transparent machen

Wir setzen uns ebenfalls dafür ein, den zwischenstaatlichen Informationsaustausch über sog. Tax Rulings zu verbessern. Das Instrument der Rulings wurde genutzt, um die planvolle Ausnutzung von Besteuerungsdefiziten rechtlich abzusichern. In Deutschland werden verbindliche Auskünfte, bei denen die Erzielung von Steuervorteilen im Vordergrund steht, nicht erteilt. Vor diesem Hintergrund wurde auf Bestrebungen von EU und OECD vereinbart, solche Rulings transparent zu machen. Aus unserer Sicht sind Tax Rulings nur dann mit dem Wettbewerbsgedanken vereinbar, wenn sie nicht bestimmte Unternehmen selektiv begünstigen, dadurch den Wettbewerb zu verfälschen drohen und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen.

Steuer-CDs

Als Gesetzgeber sind wir immer bemüht, Steuerschlupflöcher nach Möglichkeit sofort und effektiv zu schließen. Den Ankauf von sog. Steuer-CDs sehen wir allerdings kritisch. Unserer Auffassung nach muss die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens gewahrt bleiben. Daher setzen wir auf den bereits genannten internationalen Informationsaustausch, der Zusammenarbeit der Finanzbehörden auf internationaler Ebene und der darauf basierenden Nachbesteuerung. Dies haben wir auch mit dem Abkommen mit der Schweiz im Jahr 2015 bereits getan, das einen gegenseitigen Austausch von Informationen zwischen der EU und der Schweiz ermöglicht. Einer „Zusammenarbeit“ mit Kriminellen, die Steuerdaten sammeln und sie höchstbietend an Behörden verkaufen, bedarf es dann nicht.

Mit freundlichen Grüßen

Antje Tillmann MdB

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