Frage an Antje Tillmann von Matthias S. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Tillmann,
vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort auf meine Frage vom April 2018. Ich weiß das sehr zu schätzen. Aus aktuellem Anlass würde ich gerne von Ihnen erfahren, inwiefern die CDU/CSU Einfluss auf die Bestimmung des neuen EZB-Präsidenten nehmen wird. Erschrocken hat mich ein FAZ-Artikel vom heutigen Tag, wonach es um den Zustand der Währungsunion ziemlich schlimm stehen müsse, wenn selbst Frau Merkel keinen deutschen EZB-Präsidenten möchte. Wörtlich heißt es dort: "Ganz offensichtlich sind Merkel die Sorgen der Sparer so egal wie Draghi das Verbot der Staatsfinanzierung."
Diese Entwicklung bestätigt leider meine schlimmsten Befürchtungen über den Zustand der Eurozone und die Tatenlosigkeit der deutschen Politik und ich möchte sie fragen, was konkret die CDU zu tun beabsichtigt. Meine Bankberaterin, der ich Ihr Antwortschreiben gezeigt habe, meinte dazu schon vor Monaten, dass das eher beschwichtigend sei. Die Realität sei viel schlimmer und werde auch noch schlimmer. Es werde knüppeldick kommen, weil im Grunde alle Altersvorsorgepläne von vielen Millionen Menschen durch die Sparerenteignung, Negativzinsen, Inflation und Mietenexplosion hinfällig sind. Man könne diese Anlageprodukte niemandem mehr empfehlen, weil klar ist, dass das angelegte Geld in 20 Jahren wegen Nullzins und Inflation nur noch die Hälfte wert ist. Jetzt das Geld in Aktien anzulegen, sei extrem riskant. Es gebe keinen Ausweg, denn die Enteignung der Ersparnisse der einfachen Mittelschicht sei politisch gewollt und werde seit Jahren knallhart durchgezogen. Die reichen Vermieter, die sie auch berate, seien dagegen von Merkels und Draghis Gelddruck- und Umverteilungspolitik extrem begeistert, wüssten inzwischen aber auch kaum noch, wie sie ihre unverdienten zusätzlichen Mieteinnahmen anlegen sollen. Aufgrund der massiv steigenden Mieten seien die Vermieter aber auf der absoluten Gewinnerseite.
Mit freundlichen Grüßen
M. S.
Sehr geehrter Herr S.,
danke für Ihre erneute Anfrage und Ihre Hinweise.
Zinspolitik
Das von Ihnen angeführte Zitat aus der FAZ stellt die persönliche Meinung eines Journalisten dar, die ich nicht teile. Neben wem Vertreter der Bundesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht sitzen, ist nicht abhängig davon, ob sie dessen politische Meinung teilen oder nicht. Genauso wie ich nimmt auch die Kanzlerin die Sorgen und Nöte der Sparerinnen und Sparer in Deutschland sehr ernst. Ich hatte ja bereits betont, dass sich die deutsche Politik äußerst kritisch mit der EZB-Politik auseinandersetzt, aber auch auf deren Unabhängigkeit verwiesen, die bei aller Kritik immer noch besser zu verkraften ist als das, was wir beispielsweise gerade in der Türkei mit der völligen Entmachtung der Notenbank erleben.
Die EZB hat die gesamte Eurozone in ihre geldpolitischen Erwägungen einzubeziehen, nicht nur Deutschland. In Teilen negative nationale Folgen müssen von der nationalen Politik aufgefangen werden. Das tun wir, soweit dies möglich ist. Das Umfeld bleibt allerdings herausfordernd - nicht nur aber, auch für die Anbieter langlaufender Verträge wie Lebensversicherer, Bausparkassen und Banken.
Als Politikerin kann ich keine Anlageberatung betreiben. Mit verzinsten Anlageprodukten vorzusorgen, kann ein Baustein unter mehreren für die persönliche Altersvorsorge sein. Ihre Anlageberaterin hält offensichtlich inflationsschützende Anlagen für geeignet und wichtig. Eine Prognose, wie sich Zinsen und Inflation über die nächsten 20 Jahre entwickeln, ist natürlich immer mit Unsicherheiten verbunden.
Personalpolitik
In Verhandlungen auf europäischer Ebene setzt sich Deutschland und insbesondere die Kanzlerin immer für geeignete deutsche Kandidaten ein. Selbstverständlich wird dies auch diesmal so sein. Neben der Nationalität kommt es allerdings in erster Linie auf die Eignung und Befähigung für die jeweiligen Aufgaben und die inhaltliche Position an. Bitte haben Sie Verständnis, dass ich mich an Spekulationen über einzelne Personalvorschläge nicht beteiligen werde.
Entlastung der Mittelschicht
Dass es politisch gewollt sei, die Mittelschicht zu „enteignen“, kann ich so nicht stehen lassen. Wir wollen, dass es den Menschen gutgeht. Maßnahmen der Alterssicherung hatte ich bereits genannt. Durch regelmäßige Steuerfreibetragserhöhungen und die Abschaffung der kalten Progression wie auch durch die Erhöhung der Kindergeldes um 25 € in dieser Legislaturperiode werden gerade kleine und mittlere Einkommen und Familien um rund 10 Mrd. € entlastet. Auch von der prominentesten Steuerentlastung dieser Legislaturperiode, der Abschaffung des Solidaritätszuschlags für 90% der bisherigen Zuschlagszahler und der damit verbundenen Steuersenkung um 10 Mrd. € im Jahr, profitiert insbesondere die Mittelschicht. Wir wollen außerdem mit dem Baukindergeld Familien den Einzug in die eigenen vier Wände und damit den Vermögensaufbau erleichtern. Damit sind sie auch vor steigenden Mieten geschützt. Auch hier profitiert insbesondere die Mittelschicht. Daneben stärken wir den sozialen Wohnungsbau auch in den kommenden Jahren mit weiteren Milliarden, um durch vermehrten Neubau steigende Mieten einzudämmen.
Mit freundlichen Grüßen
Antje Tillmann MdB