Frage an Antje Tillmann von Christian W. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Frau Tillmann,
zugegeben - initiiert aus Verärgerung über den letzten Einkommenssteuerbescheid - meine Frage: Wie erklärt sich das eklatante Mißverhältnis zwischen steuerlichem und unterhaltsrechlichem Existenzminimum für Kinder?
Meine Situation als Trennungsvater: ich zahle für zwei Kinder > 14 Jahre nach Düsseldorfer Tabelle Stufe 6 Kindesunterhalt i.H. v. 9432 .- Euro jährlich und stelle damit deren Existenzminimum sicher, dies übrigens gerne, bei einem Nettoeinkommen von 35000.- Euro jährlich. Meine geschiedene Frau bekommt zudem deren hälftigen Kindergeldanteil ( 1848.- Euro) bzw. den halben Kinderfreibetrag (5808.- Euro), da Bar- und Betreuungsunterhalt gleichwertig sein sollen.Nur am Rande: ich wende ca. 3000 .- Euro im Jahr dafür auf, meine Kinder regelmäßig zu sehen (Fahrkosten, Verpflegung etc.) und decke so 20% der Betreuung der Kinder ab - ohne Möglichkeit, dies steuerrechtlich oder unterhaltsrechtlich geltend zu machen, da ich dafür den hälftigen Kinderfreibetrag von 5808.- Euro bzw. hälftiges Kindergeld von 1848.- Euro bekomme, welches ich aber für das Barexistenzminimum einzusetzen habe ... was ja an die Mutter geht.
Jetzt wirds aber kompliziert, ich seh`s ein.
Vereinfacht: dem unterhaltsrechtlichen Existenzminimum von 9432.- Euro (für zwei Kinder) für den Barunterhalt, welches ich als Trennungsvater alleine aufzubringen habe, steht ein steuerlicher Kinderfreibetrag von 5808.- Euro gegenüber,mit dem ich die Zusatzkosten zum Barunterhalt zur Erfüllung der Umgangspflicht auch noch finanzieren soll. Die Mutter verfügt so über das 1 1/2 fache des Existenzminimums, ich kann nur den halben Satz steuerlich geltend machen.
Wieso?
MfG
Wasser
Sehr geehrter Herr Wasser,
vorneweg möchte ich die späte Beantwortung Ihrer Frage entschuldigen.
Ihre Frage hinsichtlich der Unterschiede zwischen steuerlichem und unterhaltsrechtlichem Existenzminimum möchte ich folgendermaßen beantworten. Die Kinderfreibeträge richten sich nach dem sächlichen Existenzminimum des Kindes, das wiederum gekoppelt ist an Rentenwert und Sozialhilfesätze. Der Gesetzgeber hat sich also gegen eine Berücksichtigung des tatsächlichen Aufwands und für die Festlegung von Pauschalen entschieden, was auch verfassungsgemäß ist. Der Kinderunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle orientiert sich dagegen eher am tatsächlich notwendigen Unterhalt.
Das zu versteuernde Einkommen soll grundsätzlich nur solche Ausgaben mindern, die mit dem Beruf zusammenhängen (die Werbungskosten oder Betriebsausgaben). Ausgaben für die private Lebensführung sind deshalb grundsätzlich unbeachtlich. Und Kinderbetreuungskosten (genauso wie die Kosten für die eigene Verpflegung/Wohnung/Kleidung, etc) sind typische Kosten der privaten Lebensführung. Dass überhaupt ein (pauschalierter) Kinderfreibetrag besteht, ist daher schon ein Entgegenkommen des Staates und in gewisser Weise ein Systembruch.
Da Unterhaltszahlungen in Höhe der Regelbeträge nicht das Barexistenzminimum eines Kindes sichern, erfolgte eine Gesetzesänderung dahingehend, dass eine Anrechnung des hälftigen Kindergeldes ab 01. Januar 2001 nur noch in den Fällen erfolgt, wo der Unterhaltsverpflichtete mindestens monatlich Unterhalt in Höhe von 135 Prozent des jeweiligen Regelbetrags der jeweiligen Altersstufe zahlt.
Wie intensiv wir uns selber mit dem Thema Unterhalt auseinandersetzen, sehen Sie vielleicht an der derzeitigen Diskussion um das Bundesverfassungsgerichtsurteil. Bei allem was wir tun, sollten wir jedoch immer bedenken, dass dies nicht zu Lasten der Kinder gehen sollte. Ich denke, dass wir uns in diesem Punkt einig sind.
Darüber hinaus teile ich Ihren Ärger: Wir nehmen Familien über Steuern Geld weg, um es auf unterschiedlichen Wege über Sonderleistungen wieder auszuzahlen. Trotz heftiger Kritik halte ich in diesem Fall das Kirchhoff-Modell (Grundfreibetrag von 8.000 Euro pro Kopf der Familie) nach wie vor für den richtigen Weg. Im neuen Grundsatzprogramm sprechen wir uns für einen Übergang zum Familiensplitting aus. Alles Wege um Kinder steuerlich besser zu berücksichtigen. Leider überlagert die Diskussion über die Kinderbetreuung im Moment andere Lösungswege. Seien Sie sicher, dass wir aber auch diese Ansätze weiter verfolgen.
Mit freundlichen Grüßen
Antje Tillmann