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Antje Tillmann
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Frage von Matthias M. •

Frage an Antje Tillmann von Matthias M. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Tillmann,

ich schreibe Sie an als finanzpolitische Sprecherin Ihrer Fraktion, zuvor hatte ich bereits Kontakt zu meinen Wahlkreisabgeordneten Herrman Färber (CDU) und Heike Baehrens (SPD). Ich will von Ihnen wissen wie es sein kann, dass großen Unternehmen, Reichen und Superreichen Sonderrechte eingeräumt und Schlupflöcher gewährt werden, die der Normalbürger nicht hat? Seit der Banken- und Finanzkrise schaue ich genau auf den Politikbetrieb und ich stelle fest, dass dieser mit seiner Lobbypolitik größten Teils pervertiert ist. Die Banken- und Finanzkrise ist der größte Betrug. Hier haben Vermögensverwalter, Ratingagenturen und Investmentbanken ein Schneeballsystem kreiert um wertlose CDO’s weltweit zu streuen. Das was hier mit den Steuerzahlern gemacht wurde ist Betrug in dreifachem Sinne, denn (1.) durch die Ratingagenturen im Zusammenspiel mit den Vermögensverwaltern und den Investmentbanken,(2.) durch die Politik, die dem zusah und mit Basel2 ein System nach dem Perpeduum-Mobile-Prinzip ermöglichte und (3.) durch das "alternativlose" abwälzen der Folgen auf die Steuerzahler. Sie wollen uns weiß machen, dass die Eurokrise eine Folge der Banken- u. Finanzkrise ist, ist es aber nicht aber dieser “Betrug“ läuft in die gleiche Richtung. Superreiche bedienen sich über Sie an den Steuertöpfen. Große Unternehmen zahlen fast keine Steuern mehr und dem Normalbürger wird das Rentenniveau auf 40% abgesenkt während sich Superreiche über Cum-Ex und Cum-Cum-Geschäfte über Steuerrückerstattungen die Taschen stopfen. Warum unternehmen Sie hiergegen nichts und schauen bei solchen Sauereien tatenlos zu? Warum werden die Profiteure und Verursacher solcher Betrügereien nie strafrechtlich verfolgt?

Mit freundlichen Grüßen
Matthias Maunz

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Maunz,

danke für Ihre Nachricht. Den Vorwurf, die deutsche und die europäische Politik blieben gegen Steuerhinterziehung, Steuervermeidung und im Bereich der Finanzmarktregulierung untätig, kann ich nicht bestätigen. Mir ist allerdings wichtig, dass wir genau zwischen Hinterziehung und Gestaltung unterscheiden.

Steuervermeidung

Ihren Ärger über die Steuerpraktiken einzelner Unternehmen kann ich gut verstehen. Gewinnverlagerungen in niedrig besteuernde Staaten sind nicht akzeptabel. Allerdings helfen allein nationale Maßnahmen - wie z. B. Abzugsbeschränkungen von Lizenz-, Patentgebühren und Zinsen - nicht weiter, um legale Steuerflucht zu bekämpfen. Allein nationale Maßnahmen bergen die Gefahr, dass sie ausschließlich zu Lasten der inländischen mittelständischen Wirtschaft gehen und Gewinnverlagerungen ins Ausland und die Nutzung von Präferenzsystemen anderer Staaten sogar zunehmen können.

OECD-Ebene:
Wir nehmen daher einen anderen Weg: Wir ergreifen Initiativen zum automatischen Informationsaustausch als neuen globalen Standard und zur Bekämpfung von aggressiven Steuergestaltungen. Hervorzuheben ist hier der Aktionsplan der OECD gegen Gewinnkürzung und Gewinnverlagerung (BEPS), der u.a. mehr Transparenz über Steuerzahlungen von Unternehmen sowie vertrauliche Absprachen zwischen Unternehmen und Finanzbehörden offenlegen soll. Dieser neue globale Standard sieht vor, dass sich die Staaten bestimmte Informationen von bei ihnen ansässigen Finanzinstituten beschaffen und diese Daten mit anderen Staaten austauschen. Zu den mit meldepflichtigen Konten verbundenen Informationen gehören u.a. Kapitalerträge wie Zinsen und Dividenden, Einnahmen aus bestimmten Versicherungsverträgen, Guthaben auf Konten oder Erlöse aus der Veräußerung von Finanzvermögen. Von der Meldepflicht betroffen sind u.a. Banken, Verwahrstellen, Makler und Versicherer. Wenn hier internationale Lösungen nicht möglich sein sollten, werden wir nationale Sonderwege prüfen.

Die Vorschläge der OECD und der EU-Kommission, die diese Phänomene beseitigen sollen, liegen nunmehr vor. Damit kann in Europa einheitlich gegen solche Gestaltungen vorgegangen werden. Dies ist ein wichtiger Schritt zu mehr Steuergerechtigkeit.

Darüber hinaus haben wir am Donnerstag in erster Lesung über die Umsetzung der mehrseitigen Vereinbarung über den Austausch länderbezogener Berichte debattiert, mit der sich insgesamt 32 Staaten verpflichten, länderbezogene Berichte grenzüberschreitend tätiger Unternehmen zu erheben und sie dem jeweils anderen Staat in einem automatisierten Verfahren zu übermitteln. Ziel ist die ordnungsgemäße Ermittlung der Steuerpflicht und damit die Bekämpfung legaler wie illegaler Steuerflucht, aber auch die Vermeidung von Doppelbesteuerung.

Ich halte es in diesem Zusammenhang für einen großen Erfolg, dass mit Martin Kreienbaum aus dem Bundesfinanzministerium erst vor wenigen Tagen ein deutscher Spitzenbeamter neuer Vorsitzender des OECD-Steuerausschusses geworden ist.

Cash-GmbH:
Noch in der letzten Legislaturperiode haben wir z.B. das Steuersparmodell der Cash-GmbH beseitigt. Hier wurde Geldvermögen auf eine neu gegründete GmbH übertragen und die Anteile an dieser dann verschenkt. Auf das Geldvermögen wurde in der Folge keine Schenkungsteuer fällig.

Cum Cum:
Die Frage der rechtlichen Bewertung der sog. Cum Cum-Geschäfte läuft noch. Hier dürfte es vom Einzelfall abhängen, ob diese strafbar, illegal oder teils rechtmäßig gewesen sein konnten. Unabhängig von dieser Bewertung hat der Gesetzgeber bei der Reform der Investmentbesteuerung – sogar rückwirkend – Maßnahmen ergriffen, um solche Gestaltungsmodelle auszuschalten. Die Anrechnung der Kapitalertragsteuer ist nur noch möglich, wenn eine gewisse Mindesthaltedauer erreicht wurde und der Entleiher der Aktie wirtschaftlich den Großteil des Wertänderungsrisikos übernimmt.

Steuerhinterziehung

Steuerhinterziehung ist eine Straftat und muss mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln des Strafrechts verfolgt werden. So haben wir 2014 mit der Anpassung der Abgabenordnung zwar an der generellen Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige festgehalten, den Zugang zur Straffreiheit aber deutlich verschärft. Wir haben den Betrag, bis zu dem bei einer Selbstanzeige eine Steuerhinterziehung ohne die Zahlung eines zusätzlichen Geldbetrags straffrei bleiben kann, von 50.000 € auf 25.000 € gesenkt. Den zu zahlenden Geldbetrag haben wir abhängig vom Hinterziehungsvolumen gestaffelt. Nicht erklärte ausländische Kapitalerträge können nun auch für weiter zurückliegende Zeiträume nachbesteuert werden. Darüber hinaus haben wir die Zahlung der Hinterziehungszinsen als neue Tatbestandsvoraussetzung für eine wirksame strafbefreiende Selbstanzeige eingeführt, d.h. ohne Zahlung der Zinsen keine Straffreiheit.

Cum Ex:
Bei den sog. cum ex-Gestaltungen handelt es sich nicht um ein Modell zur Steuergestaltung, sondern um strafbare Handlungen der Beteiligten. Es versteht sich von selbst, dass die doppelte Erstattung von Kapitalertragsteuer, die nur einmal gezahlt wurde, nicht im Einklang mit gesetzlichen Regelungen stehen kann. Strafrechtliche Ermittlungsverfahren laufen bereits gegen mehrere Beteiligte. Es handelt sich hier um sehr komplizierte Sachverhaltsgestaltungen, die von den Ermittlungsbehörden erst sehr sorgfältig aufgearbeitet werden müssen. Erste Urteile werden daher auch entsprechend lange auf sich warten lassen. Dies ist allerdings Aufgabe der Justizbehörden, nicht Politik.

Keine Privilegierung Reicher:
Das deutsche Steuerrecht gewährt „Superreichen“ keine Sonderrechte; es sieht im Gegenteil vor, dass Bezieher hoher Einkommen nicht nur den Spitzensteuersatz von 42%, sondern einen erhöhten Satz von 45% plus Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer zahlen und sich entsprechend an der Finanzierung des Gemeinwesens beteiligen müssen. Soweit gut beratene Steuerpflichtige Schlupflöcher in der Auslegung der Steuergesetzgebung finden, sind wir als Gesetzgeber in den vergangenen Jahren mehrfach tätig geworden, um Regelungen, die ungewollte Steuergestaltungen ermöglichen, entsprechend zu korrigieren und Steuerschlupflöcher zu schließen. Hier ist der Gesetzgeber auf Hinweise von Finanzbehörden, Steuerpflichtigen, Banken und Verbänden angewiesen, um entsprechend reagieren zu können.

Finanzmarktregulierung

Dass der in den 90er-Jahren angestoßene Deregulierungsprozess und das seit 2001 vor allem in den USA über einen langen Zeitraum billige Geld zu globalen Problemen führte, offenbarte sich in der 2008 beginnenden Finanzkrise. Klar wurde aber auch: Banken, die für das gesamte System wichtig sind, durften nicht ungeregelt fallengelassen werden. Die Märkte waren so verflochten, dass eine Bank andere hätte mitreißen können - ein gefährlicher Dominoeffekt. Hinzu kam: Das Vertrauen der Banken und Finanzinvestoren untereinander ging verloren. In dieser Situation mussten die Staaten und Zentralbanken im Interesse aller Bürger, Sparer, Arbeitnehmer und Unternehmer handeln. Ärgerlich und unfassbar für jeden Bürger sowie für uns Politiker war dabei, dass sich scheibchenweise herausgestellt hat, dass im Finanzsektor vor, während und auch noch der Finanzkrise viele kriminelle Energie an den Tag gelegt wurde.

Wir haben in den vergangenen Jahren ein umfassendes Konzept zur Finanzmarktregulierung umgesetzt, um zukünftige Krisen zu vermeiden. Seit der letzten Legislaturperiode haben wir mehr als 40 Gesetzesinitiativen im Bereich der Finanzmarktregulierung auf den Weg gebracht. In vielen Bereichen haben wir dabei in Europa eine Vorreiterrolle eingenommen.

Bankenunion:
Die 120 größten Banken in der Eurozone unterstehen nun der direkten Aufsicht der Europäischen Zentralbank. Alle weiteren Banken werden national, aber nach harmonisierten Regeln beaufsichtigt. Wir haben mit der europäischen Bankenabgabe und dem europäischen Abwicklungsmechanismus dem Grundsatz „Wer den Gewinn hat, trägt auch das Risiko.“ wieder Geltung verschafft. Müssen Banken gerettet oder abgewickelt werden, tragen zu allererst die Eigentümer und die Gläubiger dafür die Kosten. Wenn das nicht ausreicht, wird auf die Mittel des von den Banken mit eigenen Beiträgen gespeisten Abwicklungsfonds zurückgegriffen. Durch die Regeln der Bankenunion sollten wir also weitestgehend ausgeschlossen haben, dass die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler letztlich für die Verluste von Kreditinstituten aufkommen müssen, wenn diese stabilisiert oder abgewickelt werden müssen.

Ratingagenturen:
Die von Ihnen angesprochenen Ratingagenturen haben sich vor und während der Finanzkrise wahrlich nicht mit Ruhm überhäuft. Sie haben die schlechte Marktlage nicht früh genug in ihren Ratings zum Ausdruck gebracht und diese auch nicht rechtzeitig angepasst, als sich die Krise bereits zugespitzt hatte. Die führenden Agenturen hatten die risikoreichen Kreditpakete viel zu lange viel zu gut bewertet und so ein System der vermeintlichen Sicherheit geschaffen. Nur so war es möglich, notleidende Kredite in Wertpapiere zu „verpacken“ und global zu vertreiben. Ratingagenturen müssen sich in der EU nun registrieren lassen. Außerdem dürfen sie keine Beratungsleistungen mehr für Unternehmen erbringen, die sie selbst bewerten, um so Interessenkollisionen zu verhindern. Um den Einfluss der Ratingagenturen zu verringern, haben wir die automatische Verwendung externer Ratings durch Banken eingeschränkt. Gleichzeitig haben wir die Verpflichtungen bzw. Anreize für Investoren zu einer eigenständigen Risikobeurteilung verstärkt. Mit weiteren Maßnahmen haben wir die Ratingqualität verbessert, den Wettbewerb zwischen den Agenturen gestärkt und zivilrechtliche Haftungsregelungen für Ratingagenturen eingeführt.

Derivatemärkte:
Mit der nahezu vollständigen Regulierung der sogenannten außerbörslichen Derivatemärkte haben wir die Risiken vermindert, die sich aus der Vernetzung der Finanzmarktteilnehmer ergeben. Bislang wurden 90% aller Derivateverträge zwischen Marktteilnehmern bilateral, d.h. nicht auf Börsenplattformen, abgeschlossen. Hier war eine Hinterlegung von Sicherheiten, etwa von Barmitteln, Staats- oder Unternehmensanleihen nicht notwendig. Dies war ein hohes Risiko für die Finanzmarktstabilität. Zukünftig wird nahezu der gesamte Handel über regulierte Handelsplattformen abgewickelt. Die Umsetzung der Regelungen der sog. Finanzmarktrichtlinie, die auf europäischer Ebene überarbeitet wurde, werden einen weiteren Fortschritt bringen. Wir planen die nationale Umsetzung im Frühjahr 2017. Das reduziert die Ansteckungsgefahren im Finanzsektor erheblich, wenn ein Finanzmarktteilnehmer insolvent wird.

Augenmaß behalten:
Bei der Regulierung der Finanzmärkte war uns aber immer wichtig, dass wir mit Augenmaß vorgehen. Die Unionsfraktion hat sich deshalb stets für Erleichterungen für kleine und risikoarme Banken eingesetzt. Zu nennen ist z.B. die Bankenabgabe, bei der erhebliche Erleichterungen für kleine und mittlere Banken erreicht werden konnten. Auch setzen wir uns stets für die Einhaltung des Proportionalitätsgrundsatzes ein. D.h., kleine Banken werden weniger stark reguliert und beaufsichtigt als größere. Uns ist eine zielgenaue Regulierung wichtig. Das ist wichtiger denn je, weil im derzeitigen Niedrigzinsumfeld möglichst viel Geld und Kraft für die Stabilisierung der Banken genutzt werden sollte. Deshalb wird bei weiteren Regulierungsmaßnahmen darauf zu achten sein, dass wir die Wechselwirkungen einzelner Maßnahmen berücksichtigen und die Regulierung zielgenau greift.

Ich hoffe, meine Ausführungen waren informativ für Sie.

Mit freundlichen Grüßen

Antje Tillmann MdB

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