Frage an Antje Tillmann von Adolf H. bezüglich Finanzen
Zur Finanzkrise hört man viel kritische Stimmen. Wie wir allerdings sicher und dauerhaft herauskommen, dazu vermisse ich von der Politik (aller Farben) ernstzunehmende Konzepte. Die Krise wird auch zu sehr als bloße Staatsschuldenkrise und zu wenig als Krise des gesamten Finanzsystems begriffen.
Es gibt die Internetseite www.eurorettung.org, die einen Weg für die Eurowackelkandidaten aufzeigt, aber auch für die noch "stabilen" Länder modifizierbar ist.
Auf dieser Seite wird vorgeschlagen, ein zusätzlich zum Euro herauszugebendes staatliches Regionalgeld als Nebengeld einzuführen. 1:1 gekoppelt an den Euro. Dieses Regiogeld hat, wie bei Regiogeld üblich, eine Nutzungsgebühr als Umlaufimpuls zur Beschleunigung des Geldumlaufs und zur Verringerung der Möglichkeit mit Geld zu spekulieren. Zusätzlich ist eine "Abflussbremse" vorgesehen, eine Gebühr auf aus dem Regiogeld abfließende Mittel, zur Stärkung der regionalen Wirtschaft. Das führt zu einem höheren Angebot von Anlagekapital, wodurch das Zinsniveau für die Realwirtschaft sinken wird, da längerfristige Geldanlagen vom Umlaufimpuls befreit sind. Dem Staat verschafft das mehr Liquididät und zusätzliche Einnahmen. Gering- und Normalverdiener wird das kaum belasten, allerdings Kapitalflucht und Einkünfte aus Kapital behindern. Das ist eine marktwirtschaftliche Lösung zur Gesundung der nationalen Finanzwirtschaft.
Nun meine Fragen:
Kennen Sie diesen Eurorettungsvorschlag?
Werden Sie sich für eine solche Lösung einsetzen?
Wenn nein, warum nicht?
Sehr geehrter Herr Holland-Cunz,
vielen Dank für Ihre Anfrage und den damit verbundenen Vorschlag zur Einführung einer parallelen staatlichen Regionalwährung, der mir auch bereits bekannt ist.
Lokal sinnvoll
Parallelwährungen können auf Basis freiwilliger Teilnahme an entsprechenden lokalen oder regionalen Initiativen durchaus dazu führen, die lokale oder regionale Wirtschaft zu stärken und anzukurbeln. Sie funktionieren, gerade weil ihr Wirkungsgrad begrenzt ist, nämlich auf die Verwendung vor Ort. In der Bevölkerung stoßen die Initiativen auf breite Akzeptanz, weil das Verlustrisiko relativ begrenzt ist. Denn jeder kalkulierende Kunde nimmt auch nur in dem Maße Parallelgeld mit eingebautem Ablaufdatum auf, wie er sicher sein kann, dass es auch in kurzer Zeit ausgegeben werden kann.
Der Vorschlag eines staatlichen Regionalgeldes als Parallelwährung zum Euro würde aber den währungspolitischen und ökonomischen Interessen der Euro-Zone und insbesondere Deutschlands, das vom internationalen Handel abhängig ist und von der nach innen wie nach außen stabilen Gemeinschaftswährung und dem gemeinsamen Wirtschaftsraum am meisten profitiert, zuwiderlaufen. Eine Einführung wäre in meinem Augen, erst recht wenn sie, wie Sie vorschlagen, nicht nur in den Krisen-, sondern in allen Ländern eingeführt würde, der Anfang vom Ende der Gemeinschaftswährung. Denn dann wäre sie nicht mehr nur auf lokaler Ebene von einem freiwilligen Zusammenschluss getragen, sondern paralleles gesetzliches Zahlungsmittel.
Nur Euro gesetzliches Zahlungsmittel
Gemäß Artikel 128 Absatz 1 Satz 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ist aber nur der Euro gesetzliches Zahlungsmittel im Euro-Währungsgebiet. Gemäß Artikel 282 Absatz 3 Satz 1 AEUV ist allein die Europäische Zentralbank befugt, die Ausgabe des Euro zu genehmigen. Die Ausgabe weiterer Währungen durch die Mitgliedstaaten ist nicht gestattet und folglich ausgeschlossen.
Regionale Parallelwährungen stellen keine Währungen im eigentlichen Sinne dar. Charakteristisch für sie ist ihre regionale und zeitliche Abgeschlossenheit, weshalb sie als finanz- oder währungspolitisches Steuerungsmittel nicht eingesetzt werden können. Sie können lediglich auf örtlicher Ebene zur Stärkung der regionalen Wirtschaft verwendet werden. Ohne örtliche und sachliche Beschränkung würde der Währungscharakter zu sehr überwiegen, so dass sie beispielsweise in Deutschland auch von der Strafnorm des § 35 Bundesbankgesetz (Unbefugte Ausgabe und Verwendung von Geldzeichen) umfasst wären. Lediglich für die Verwendung derartig beschränkter Tauschmittel besteht die Möglichkeit einer Einführung.
Zweitwährungen ökonomisch falsch
Das Verbot von Zweitwährungen ist ökonomisch begründet. Die Einführung von miteinander konkurrierenden Zahlungsmitteln wäre ein Rückschritt in eine währungspolitische Kleinstaaterei, die die modernen Wirtschaftsbeziehungen nachhaltig beeinträchtigen würde. Die globalisierte und stark arbeitsteilige Wirtschaft erfordert Zahlungsmittel, die wertbeständig sind, allgemein akzeptiert werden und frei konvertierbar sind. Parallelwährungen erfüllen diese Kriterien nicht. Aufgrund ihres „Gutscheincharakters“ sind sie nicht-monetäres Zahlungsmittel, welches nur innerhalb eines eng beschränken Rahmens funktionsfähig ist. Daher stellen sie auch keinen Beitrag zur Überwindung der aktuellen Schwierigkeiten im Euro-Währungsgebiet dar, deren Ursachen die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit sowie die Überschuldung einzelner Mitgliedstaaten der Eurozone sind.
Stattdessen würde die Funktionsweise des Parallelgeldes die Menschen ärmer machen. Denn wenn die Bürgerinnen und Bürger aufgrund eines immanenten „Ablaufdatums“ gezwungen wären, ihr Geld schnell wieder unter die Leute zu bringen, ist die Wirtschaft versucht, ihre Preise anzuheben. Das führt zu Inflation. Diejenigen, die diesem Ausgabedruck nicht folgen, erleben die Geldentwertung auf die andere Art, nämlich über das „Ablaufdatum“, das Papier und Münzen wertlos macht. Gerade die für den Aufbau von Wohlstand in einer Bevölkerung so wichtige Sparquote würde gegen Null tendieren. Investitionen und Vermögensaufbau würden nicht mehr stattfinden. Eine Akzeptanz in der Bevölkerung kann ich unter diesen Umständen nicht erkennen. Zudem stellt sich die Frage, welche internationalen Handelspartner eine solche Währung akzeptieren sollten. Folge wäre die Abschottung der nationalen Märkte und die Rückgängigmachung der über den gemeinsamen Markt und die Währung erreichten wirtschaftspolitischen Errungenschaften in Europa.
Die Ziele einer Parallelwährung - Stärkung der Wirtschaft des Währungsraums -, auf einen Staat wie Deutschland übertragen, hieße, sich von Wohlstandsmehrung durch Austausch und Freihandel, sprich: vom europäischen Binnenmarkt zu verabschieden. Gerade den schwächeren Ländern würde dies aber die Möglichkeit erschweren, durch größere Wettbewerbsfähigkeit und vermehrte Exporte in stärkere Länder wie Deutschland wirtschaftlich zu gesunden.
Importe wie Exporte würden einen Währungstausch nötig machen und damit Transaktionskosten verursachen, die die Waren und Dienstleistungen wiederum verteuerten. Diese Transaktionskosten zu reduzieren bzw. zu beseitigen und den Binnenmarkt zu stärken, ist aber gerade der Sinn der Gemeinschaftswährung.
Haushaltskonsolidierung und Strukturreformen unausweichlich
Die derzeitigen Probleme, die nicht durch den Euro ausgelöst wurden, können nur durch langfristig wirkende Strukturreformen sowie eine glaubwürdige Konsolidierungsstrategie überwunden werden. Im Sinne einer dauerhaften Krisenlösung haben sowohl die Staats- und Regierungschefs der Eurozone als auch die Europäische Zentralbank umfassende Maßnahmen auf den Weg gebracht. Den Ursachen der Krise wird mit einer Strategie begegnet, die sich auf Reformen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Peripherieländer, der Verbesserung der wirtschaftspolitischen Koordinierung und finanzpolitischen Überwachung zwischen den Mitgliedstaaten der Währungsunion und damit eine Gesundung der Staatsfinanzen sowie eine gezielte Verbesserung der Regulierung und der Aufsicht über den Finanzsektor stützt.
Mit freundlichen Grüßen
Antje Tillmann, MdB