Frage an Antje Tillmann von Reinhard B. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrte Frau Tillmann
Ich habe eine Frage zur aktuellen oder schon länger in Deutschland vorherrschenden Situation auf dem Arbeitsmarkt.
Ich bin 50 Jahre alt und habe eine gute Ausbildung, spreche mehrere Sprachen und sehr viele Erfahrungen auf meinem Gebiet. Ich arbeite auch, geschuldet durch die Situation auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland, seit ca. 6 Jahren im Bereich der humanitären Hilfe für Entwicklungsländer im Ausland in einer Manager Position, zur Zeit für die UN in Indonesien.
Wenn ich mich allerdings in Deutschland bewerbe, gibt es für mich und speziell für meine Altersgruppe nur sehr schlechte oder keine Angebote auf dem Arbeitsmarkt.
Vor dem Hintergrund der Rente mit 67, die auch von Ihnen (Ihrer Partei) mit beschlossen wurde, sehe ich hier enorme Probleme auf mich und die Altersgruppe über 50 zukommen. Ich sehe auch nicht, dass dieser Zustand auf dem Arbeitsmarkt sich in absehbarer Zeit verändern wird.
Wie stehen Sie und Ihre Partei zu dieser-in meinen Augen sehr beängstigenden Entwicklung und wie wollen Sie bzw. Ihre Partei dem entgegen steuern.
In der Hoffnung auf eine Antwort, bedanke ich mich im voraus.
Mit freundlichen Grüßen
Reinhard Böttner
Sehr geehrter Herr Böttner,
haben Sie vielen Dank für Ihr Schreiben vom 29. Oktober 2009, in dem Sie mich um eine Stellungnahme zu den Themen "Arbeitsmarktchancen älterer Arbeitnehmer" sowie "Rente mit 67" bitten.
Zu unserem Verständnis von sozialer Gerechtigkeit gehört die Absicherung der großen Lebensrisiken. Wir wollen die solidarische gesetzliche Rentenversicherung als wichtigste Säule der Alterssicherung in Deutschland erhalten. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der dritte Lebensabschnitt der Menschen immer länger wird. Die Lebenserwartung und damit die Rentenbezugsdauer steigen kontinuierlich an. Von 1960 bis heute ist die durchschnittliche Rentenbezugsdauer um 70% angestiegen, von damals 10 Jahre auf heute 17 Jahre. Bis zum Jahr 2030 wird die Lebenserwartung um weitere knapp 3 Jahre ansteigen. Daran wird deutlich: Ohne weitere Reformmaßnahmen wird der Rentenbeitrag langfristig die Grenze von 22% deutlich überschreiten. Das können wir den Beitragszahlern nicht zumuten. Um die demographischen Belastungen fair auf die Generationen zu verteilen, haben wir uns deshalb auf eine schrittweise Anhebung der gesetzlichen Regelaltersgrenze auf 67 Jahre verständigt. Diese Maßnahme wird von Experten seit Jahren gefordert und der überwiegenden Mehrheit der Sachverständigen ausdrücklich begrüßt.
Die Anhebung wird in kleinen Schritten ab dem Jahr 2012 beginnen. Sie soll im Jahr 2029 abgeschlossen sein. In vollem Umfang betroffen von der Anhebung der Altersgrenze auf 67 Jahre werden die Jahrgänge 1964 und jünger sein.
Wenn wir also über die "Rente mit 67" reden, reden wir über das Jahr 2029. Insofern wäre es völlig falsch, die heutige Beschäftigungssituation Älterer einfach auf die Zukunft zu übertragen. Denn dann wird die Erwerbsquote der Älteren allein schon wegen der zu erwartenden Entspannung auf dem Arbeitsmarkt angestiegen sein. Alle Ökonomen sagen uns, dass wir künftig die Menschen über 50 Jahre angesichts der immer geburtenschwächeren Jahrgänge verstärkt brauchen. Diese Entwicklung wird von den Kritikern komplett ausgeblendet.
Nichtsdestotrotz haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, die Beschäftigungschancen älterer Arbeitnehmer zu erhöhen. Im neuen Koalitionsvertrag hat sich die neue Koalition die "Erhöhung der Erwerbsbeteiligung vor allem von Älteren" explizit als Ziel gesetzt. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode haben wir mit der "Initiative 50plus" ein Gesetz zur Verbesserung der Beschäftigungschancen älterer Arbeitnehmer beschlossen. Bestandteil der "Initiative 50plus" ist eine Verbesserung der Förderung der beruflichen Weiterbildung von Arbeitnehmern in kleinen und mittleren Betrieben, die Entgeltsicherung als Kombilohn für ältere Arbeitnehmer, Eingliederungszuschüsse für Arbeitgeber und eine gemeinschaftsrechtskonforme Neugestaltung über befristete Arbeitsverträge mit Arbeitnehmern ab Vollendung des 52. Lebensjahres.
Ich hoffe, dass ich Ihnen deutlich machen konnte, dass wir uns des Problems bewusst sind und bereits Maßnahmen ergriffen haben, um die Beschäftigungsquote Älterer zu verbessern. Um zu gewährleisten, dass die Bundesregierung diesbezüglich am Ball bleibt, haben wir verabredet, dass sie vom Jahr 2010 an alle vier Jahre den gesetzgeberischen Körperschaften über die Entwicklung der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer zu berichten hat. Sie soll eine Einschätzung darüber abgeben, ob die Anhebung der Regelaltersgrenze unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage sowie der wirtschaftlichen und sozialen Situation älterer Arbeitnehmer vertretbar ist und die getroffenen gesetzlichen Regelungen bestehen bleiben können (sog. Bestandsprüfungsklausel).
Falls Sie weitere Informationen benötigen, können Sie sich gerne erneut an mich wenden.
Mit freundlichen Grüßen
Antje Tillmann MdB