Frage an Annette Widmann-Mauz von Matthias G. S. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Widmann-Mauz,
in einer Wahlveranstaltung zur letzten BT-wahl haben Sie in einer Klinik in Bad Gottleuba (Sachsen) festgestellt, dass Ärzte zukünftig keine Budgets mehr haben werden. Ich hatte Ihnen widersprochen und behauptet, dass die Budgets nicht aufgehoben werden, sondern nur einen anderen Namen bekommen werden, der schon damals "Regelleistungsvolumen" hieß. Sie haben damals die anwesenden Ärzte mit den Worten zu beruhigen versucht, dass dem definitiv nicht so sei.
Jeder Arzt hat seit 2009 ein Budget zugeteilt bekommen. Meine Frau, Augenärztin, bekommt für die 1500 Patienten jeweils 21 Euro für 12 Wo Behandlung an Honorar aus dem sie die Praxiskosten (Miete, Personal, … Kredite, .... ) bezahlen muß. Behandelt sie mehr, bekommt sie für jeden Patienten zusätzlich nur noch wenige Cent.
1. Ist das ein Budget, oder ist es keines?
2. Der Augenarzt bekommt für die Behandlung eines Patienten 7 Euro pro Monat. Halten Sie diesen Umsatz (Honorar) für angemessen?
3. Glauben Sie, dass man mit diesem Honorar einen Patienten nach aktuellem medizinischen Gesichtspunkten behandeln kann, wie es das Berufs- oder Haftungsrecht vorschreibt?
4. Welches Honorar pro Augenarztbesuch halten Sie für angemessen Bitte geben Sie einfach mal eine geschätzte Summe an, die man aus dem Vergleich des täglichen Lebens heranziehen kann: seriöser Schlüsseldienst 80 Euro, Waschmaschinenreparatur vor Ort 10 Minuten ohne Material 45 Euro, ....
5. Frage 4 ist sicher für die Politik nur aufwändig nach betriebswirtschaftlichen Berechnungen kompliziert zu beantworten, deshalb kann ich auch die Frage anders stellen und bitte auch hier die Frage einfach aus dem Gefühl heraus zu beantworten: Wieviel Euro netto pro Monat halten Sie persönlich angemessen, die ein Arzt pro Monat mit 6 Jahren Studium, 5 Jahren Facharztausbildung und bezogen auf eine für die Vergleichbarkeit mit anderen Berufen definierte 40-Stunden-Woche in der Praxis erhalten sollte?
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Schreiber
Sehr geehrter Herr Dr. Schreiber,
vielen Dank für Ihre Anfrage zur Reform der vertragsärztlichen Vergütung. Sehr gerne nehme ich dazu Stellung.
Wie damals in Bad Gottleuba bin ich noch immer der Meinung, dass mit der vertragsärztlichen Honorarreform die Budgetierung der ärztlichen Vergütung über die sachfremde Anbindung an die Grundlohnsummenrate abgeschafft und der Wille der niedergelassenen Ärzte, endlich nicht mehr in „Muschelgeld“ bezahlt zu werden, sondern getrennt nach Haus- und Fachärzten in Euro und Cent, realisiert wurde. Auch ist das Risiko des steigenden Behandlungsbedarfs von der Ärzteschaft auf die Krankenkassen übergegangen.
Es war die Union, die dafür gesorgt hat, dass das Gesamtvolumen der ärztlichen Vergütung in Deutschland im Vergleich 2007/2009 um mehr als 3 Mrd. Euro angehoben wurde. Ausgehend von den Simulationen des Erweiterten Bewertungsausschusses wird derzeit für die Gesamtvergütung 2009 z.B. für Ihr Bundesland Sachsen ein Plus gegenüber 2007 von 29 % prognostiziert.
Das Regelleistungsvolumen (RLV) ist die von einem Arzt in einem bestimmten Zeitraum abrechenbare Menge der vertragsärztlichen Leistungen, die mit den in der Euro-Gebührenordnung enthaltenen Preisen vergütet wird. Darüber hinausgehende Leistungen werden mit jeweils abgestaffelten Preisen vergütet. Auf diese Weise wurden die starren Budgets durch einen flexiblen Vergütungsrahmen abgelöst. Zudem werden im Durchschnitt rund 20 % der ärztlichen Honorare mit Leistungen erzielt, die außerhalb des RLV liegen und von den Krankenkassen voll zu finanzieren sind. Bei den viel kritisierten Fallwerten handelt es sich also nicht um ein Budget pro Fall, sondern um einen kalkulatorischen regionalen Fallwert der jeweiligen Arztgruppe. Die Fallwerte zwischen den Arztgruppen sind unterschiedlich hoch, weil es auf der einen Seite Arztgruppen gibt, bei denen nur relativ wenige Leistungen unter die Mengensteuerung über RLV fallen und auf der anderen Seite Arztgruppen, bei denen fast alle Leistungen unter diese Mengensteuerung fallen. Tendenziell kann gesagt werden, dass die Fallwerte umso niedriger sind, je weniger Leistungen anteilsmäßig unter die Mengensteuerung über RLV fallen. Gerade bei diesen Ärzten dürfen die RLV deshalb nicht mit dem Gesamthonorar verwechselt werden. Auch darf daraus keine Begrenzung der abrechenbaren Leistungen in einem konkreten Behandlungsfall abgeleitet werden.
Es ist zuallererst die Aufgabe der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen im Bewertungsausschuss, die Höhe der ärztlichen Leistungsvergütung angemessen auszugestalten. Großes Verständnis habe ich für die berechtigte Kritik an verschiedenen Umsetzungsbeschlüssen, die zu zum Teil nicht nachvollziehbaren Ungerechtigkeiten zwischen Regionen, Ärztegruppen und innerhalb dieser führen. Daher halte ich es für dringend notwendig, dass die erforderlichen Korrekturen durch den Bewertungsausschuss dringend vorgenommen werden. Die Politik hat dafür, wie bereits dargestellt, eine ausreichende finanzielle Grundlage geschaffen.
Eine Rückkehr zu den alten Budgets wäre meines Erachtens nicht vertretbar. Die Ungerechtigkeiten des alten Systems waren zu groß, als dass eine simple Rückkehr eine echte Alternative darstellen würde. Denn eine Rücknahme der jetzigen Honorarreform würde eine Verschlechterung der Situation für die Ärzte zur Folge haben und es würde der Zustand wieder eintreten, der von der Ärzteschaft über Jahrzehnte heftigst kritisiert und bekämpft wurde. Zudem wäre damit zwangsläufig eine Rücknahme der Anhebung des Gesamthonorars von 3 Mrd. Euro verbunden.
Es ist mir ein großes Anliegen, dass wir weiterhin wohnortnah über eine qualitativ hochwertige Versorgung mit niedergelassenen, freiberuflich tätigen Ärzten und Fachärzten verfügen, die gerne und unter für sie guten und verlässlichen Bedingungen ihre Patienten in der Praxis versorgen können. Die Freiberuflichkeit und die Therapiefreiheit mit verlässlichen und leistungsgerechten Rahmenbedingungen sind für mich unabdingbar in einem freiheitlichen Gesundheitswesen. Ich gehe davon aus, dass dies nach der dringend erforderlichen Korrektur der Beschlüsse des Bewertungsausschusses künftig gewährleistet wird.
Mit freundlichen Grüßen
Gez. Annette Widmann-Mauz MdB