Frage an Annette Widmann-Mauz von Richard T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Wie können Sie es rechtfertigen für ein Gesetz gestimmt zu haben das Sie vor der Wahl vehement abgelehnt haben. Das Gleichschaltungsgesetz, auch AGG genannt ist eine Enteignung von Unternehmen, egal ob groß oder klein. Die Vertragsfreiheit ist abgeschafft. was geht es den Staat an welche preise ich für wen kalkuliere. verstehen Sie das unter Freiheit? was ist mit dem Spruch Freiheit oder Sozialismus? Freiheit Ade?
Es ist bedauerlich, aber für Selbständige ist die CDU im Moment nicht wählbar.
Sehr geehrter Herr Theurer,
vielen Dank für Ihre Frage. Die Umsetzung der noch von der alten rot-grünen Bundesregierung ausgehandelten EU-Gleichbehandlungsrichtlinien in deutsches Recht war europarechtlich geboten. Jeder weitere Verzug hätte hohe Strafzahlungen für die Bundesrepublik Deutschland zur Folge gehabt (bis zu 900.000 Euro pro Tag). Die Umsetzung erfolgt nun in Form des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Unmittelbar nach der Erörterung des AGG im Koalitionsausschuss am 1. Mai 2006, bei der CDU und CSU bereits erhebliche Verbesserungen gegenüber dem ursprünglichen rot-grünen Gesetzentwurf erzielen konnten, hat die Spitze der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vertrauliche Verhandlungen mit dem Koalitionspartner aufgenommen, um weitere Verbesserungen bei dem aus unserer Sicht immer noch unbefriedigenden Entwurf durchzusetzen. Es konnte ein entscheidender Durchbruch erzielt werden. Die Fraktionsspitze hat wesentliche Änderungen erreicht, die das AGG in Kernanwendungsbereichen deutlich verbessern. Basis der Änderungen ist eine entsprechende Entschließung des Bundesrates, die in enger Abstimmung mit der Fraktion formuliert worden ist.
Folgende Forderungen der Unionsfraktion wurden durchgesetzt:
1. Die Erstreckung des AGG auf private Vermieter ist praktisch ausgeschlossen. Damit wird ein wesentlicher, höchst umstrittener Anwendungsbereich des AGG vom Diskriminierungsverbot ausgenommen. In einem bedeutenden Bereich der privaten Alltagsgeschäfte ist damit die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen gewahrt. Mieter können weiterhin nach individuellen Kriterien ausgesucht werden. Diese bedeutsame Einschränkung erfolgte durch eine Legaldefinition des Massengeschäftes, nach der der Anwendungsbereich des AGG erst bei Vermietung von mehr als 50 Wohnungen eröffnet ist.
2. Zur Erhaltung einer aktiven, auf soziale Stabilität ausgerichteten Wohnungspolitik wurde zudem vereinbart, dass eine unterschiedliche Behandlung bei der Wohnraumvermietung aus übergeordneten Gründen zulässig ist. Die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen bleibt damit das gute Recht des Vermieters. Die Regelung trägt dem hohen wohnungs- und sicherheitspolitischen Stellenwert stabiler Wohnungsstrukturen Rechnung.
3. Die Beweislastregelung zum Nachweis einer Diskriminierung wurde deutlich zu Lasten der Anspruchsteller geändert. Reichte bisher eine Glaubhaftmachung, die eine Benachteiligung vermuten lässt, zum Auslösen der Beweislast auf der Gegenseite aus, so sind nunmehr die Indizien einer Benachteiligung zu beweisen. Damit wurde die Schwelle zur Geltendmachung von Rechten aus dem AGG deutlich erhöht.
4. Das Merkmal „Weltanschauung“ fällt nicht mehr unter den zivilrechtlichen Diskriminierungsschutz. Damit wurde das Gleichbehandlungsgesetz von einem schwer fassbaren Diskriminierungstatbestand befreit, der insbesondere obskuren Vereinigungen als Schlupfloch hätte dienen können. Die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen in diesem Bereich ist damit gewahrt.
5. Der gesamte Bereich des Kündigungsschutzes wird vom Anwendungsbereich der AGG ausgenommen. Liegt die Benachteiligung in einer Kündigung, findet ausschließlich das Kündigungsschutzgesetz Anwendung. Die Regelungen des Gleichbehandlungsgesetzes haben somit bei der Beendigung von Beschäftigungsverhältnissen keine Relevanz.
6. Ein zusätzliches Klagerecht des Betriebsrates oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft besteht nicht in Kleinbetrieben außerhalb des Anwendungsbereiches des Betriebsverfassungsgesetzes. Darüber hinaus ist es auf grobe Verstöße des Arbeitgebers beschränkt. Ansprüche der Benachteiligten können weder durch den Betriebsrat noch durch die Gewerkschaften gerichtlich geltend gemacht werden.
7. Die Möglichkeit, Antidiskriminierungsverbände als Bevollmächtigte der Betroffenen in gerichtlichen Verfahren zu beauftragen wurde gestrichen.
8. Die Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Schadenseratzansprüchen wurde von 3 Monaten auf 2 Monate reduziert.
Mit den Änderungen werden überflüssige Belastungen für das Wirtschafts- und Rechtsleben verhindert. Den berechtigten Interessen von Wirtschaft und Gesellschaft wird damit Rechnung getragen. Unser beharrlicher Einsatz hat zu ganz entscheidenden Verbesserungen geführt. Daher konnte ich dem AGG zustimmen.
Mit freundlichen Grüßen
Annette Widmann-Mauz