Frage an Annette Widmann-Mauz von Achim L. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrte Frau Widmann-Mauz,
vielen Dank für Ihre Antwort zur sachgrundlosen Befristung. Sie wirft allerdings einige Folgefragen auf, um deren Beantwortung ich bitten würde:
- Sie nennen unbefristete Arbeit als Ziel Ihrer Politik. Zugleich ist nach 12 Jahren CDU/CSU-Regierung die Befristungsquote im öffentlichen Dienst (auch ohne Wissenschaftsbereich) weiterhin höher als in der Privatwirtschaft. Was planen Sie an Maßnahmen dagegen?
- Was für Studien/Daten zur sachgrundlosen Befristung als Brücke können Sie mir empfehlen? Ich fand im Netz nur die Angaben der bpb vom 1. HJ 2012 zur Entfristungsquote (knapp 40%), aber keine Untersuchung, aus der hervorgeht, ob die entsprechenden Stellen nicht auch anderweitig geschaffen würden.
- Die Befristung als Werkzeug zur Abfederung von unternehmerischen Unsicherheiten ist nachvollziehbar, verlagert aber das unternehmerische Risiko und damit die Begründung für unternehmerischen Gewinn teilweise auf die Mitarbeiter. Bräuchte es da nicht aus Ihrer Sicht eine entsprechende Kompensation (z.B. höhere Löhne) und wenn nein, warum nicht?
- Ist Ihrer Ansicht nach ausreichend sichergestellt, dass die sachgrundlose Befristung "im ursprünglichen Sinne des Gesetzgebers" angewendet wird?
- Sie nennen als Prinzip "Sozial ist, was Arbeit schafft." Gibt es für Sie eine Grenze, unterhalb derer Arbeit nicht mehr sozial ist, und wenn ja, woran bemisst sie sich?
- Wo sehen Sie (mit Bezugnahme auf den Anfang Ihrer Antwort) die Verknüpfung von Befristung/Nicht-Befristung mit Sozialversicherungspflicht? Letztere ist ja auch in atypischen Arbeitsverhältnissen vorhanden.
- Sehen Sie die Befristung mit Blick auf die Verhandlungsposition des Arbeitnehmers als unproblematisch an, und wenn nein, welche Maßnahmen empfehlen Sie gegen welche Probleme?
- Gibt es Kriterien, bei deren Erreichen Sie die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung befürworten würden und wenn ja, wie sehen diese aus?
Mit vielem Dank und freundlichen Grüßen,
Achim Lorenz
Sehr geehrter Herr Lorenz,
gerne gehe ich abschließend auf Ihre Nachfragen zum Thema „sachgrundlose Befristung“ ein.
Das Ziel der Union ist die Vollbeschäftigung mit möglichst unbefristeten Anstellungsverhältnissen. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist und bleibt zudem eine wesentliche Grundlage für den Aufbau einer soliden Alterssicherung.
Ich stimme Ihnen zu, dass der öffentliche Dienst bei der Reduzierung sachgrundloser Befristungen mit gutem Beispiel vorangehen sollte, wenn die Möglichkeiten dazu bestehen. Eine sachgrundlose Befristung beispielsweise bei Planstellen ist deshalb abzulehnen. Hier sollten Landes- und Bundesministerien tatsächlich eine Vorbildfunktion übernehmen. So sank die Zahl von befristeten Arbeitsverhältnissen im CDU-geführten Verteidigungsministerium in den letzten drei Jahren um 9 Prozent. In den SPD-geführten Ressorts für Arbeit und Soziales stieg die Zahl im gleichen Zeitraum jedoch um 25 Prozent. Im SPD-Familienministerium sogar um 40 Prozent.
Für weitere Recherchen empfehle ich Ihnen, sich an das Statistische Bundesamt zu wenden. Laut dessen Untersuchungen haben derzeit 8,4 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen befristeten Arbeitsvertrag. In den vergangenen zehn Jahren ist die Befristungsquote zudem nahezu konstant geblieben. Ausgehend von der stark gestiegenen Beschäftigungsquote ist das für mich ein Indiz, dass befristete Arbeitsverhältnisse durchaus eine Brückenfunktion in den regulären Arbeitsmarkt haben. Die „Brückenfunktion“ ist auch in der Wissenschaft weitgehend anerkannt. So stellte das Institut für Arbeitsmarkt- und Sozialforschung (IAB) in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales im März 2014 fest, dass je höher der Anteil sachgrundloser Befristungen an den in den Betrieben eingesetzten befristeten Arbeitsverhältnissen ist, auch die Anzahl der innerbetrieblichen Übernahmen in unbefristete Beschäftigung umso stärker steigt.
Genauso wie Investitionsentscheidungen und die damit verbundenen Risiken in der Verantwortung der Unternehmen liegen, obliegen die Lohn- und Beschäftigungspolitik ebenfalls dem Arbeitgeber bzw. den Verhandlungsergebnissen der Tarifpartner. Wo Tarifpartnerschaften oder Branchenmindestlöhne nicht greifen, wurde der Mindestlohn als Verdienstuntergrenze für reguläre Beschäftigungsverhältnisse eingeführt. Dessen Höhe wird zu Recht nicht politisch festgelegt, sondern von einer unabhängigen Expertenkommission definiert. Zur Verhandlungsposition der Arbeitnehmer und den Möglichkeiten der betrieblichen Mitbestimmung bin ich bereits in meiner vorangegangenen Antwort eingegangen. Dem nachvollziehbaren Wunsch nach einer entfristeten Anstellung stehen die ebenfalls begründeten Flexibilisierungserfordernisse der im Wettbewerb stehenden Unternehmen entgegen. Die grundsätzlich nur auf zwei Jahre angelegte sachgrundlose Befristung bildet deshalb einen tragfähigen Kompromiss der Interessen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern.
Was die Zukunft der sachgrundlosen Befristung betrifft, hängt dies maßgeblich von der Entwicklung des Arbeitsmarktes ab. Bei einer stabilen und guten Konjunkturlage mit annähernder Vollbeschäftigung und einem stetig steigenden Fachkräftebedarf wird diese Befristungsform auf lange Sicht überflüssig, da auch die Unternehmen immer stärker in Konkurrenz um qualifizierte Arbeitnehmer treten. Wer in einem solchen Umfeld nur befristete Anstellungen in Aussicht stellt, wird mittelfristig Probleme bekommen, wenn er gute Arbeitskräfte gewinnen will.
Mit freundlichen Grüßen
Annette Widmann-Mauz MdB