Frage an Annette Widmann-Mauz von Niels O. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Frau Widmann-Mauz
in den letzten Jahren habe ich mich immer wieder mit Menschen unterhalten, die Arbeitslosengeld II, also Hartz4 bezogen haben. Die Erzählungen haben mich oft schockiert und ich fand den Umgang mit den Leuten unmenschlich. Ein Sachverhalt beschäftigt mich aber besonders:
Wie ich erfahren habe, dürfen Hartz4-Empfänger ihren Landkreis nur nach vorheriger Genehmigung, einzuholen mindestens eine Woche vorher, aber nicht früher als drei Wochen vorher verlassen.
Mit einigem Schrecken stellte ich fest, dass sich unser Staat in Artikel 11, Absatz 2 des Grundgesetzes dieses Recht wohl tatsächlich einräumt. Welchen Grund es dafür geben soll, ist mir allerdings nicht ersichtlich.
Meine Frage an Sie: Wie ist Ihre Haltung als Politikerin zur Reisefreiheit von Hartz4-Empfängern? Käme es zu einer Abstimmung über diese Regelung, würden Sie für die Abschaffung der genannten Einschränkungen stimmen oder nicht?
Diese Frage werde ich auch den anderen Kandidaten meines Landkreises über dieses Portal stellen.
Mit den besten Grüßen
Niels Ott
Sehr geehrter Herr Ott,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage zur Notwendigkeit der sogenannten Erreichbarkeitsanordnung (EAO) in Verbindung mit § 7 Abs. 4a SGB II.
Die EAO für Empfänger von Leistungen nach SGB II gilt seit 2006. Hintergrund ist die Sicherstellung, dass Erwerbslose durch die sie betreuende Arbeitsagentur postalisch an ihrem gemeldeten Wohnort erreichbar sind. Es geht dabei nicht um einen permanenten Aufenthalt im angemeldeten Landkreis. Selbstverständlich können Erwerbslose diesen für mehrere Tage verlassen. Dabei ist jedoch dafür Sorge zu tragen, dass z.B. der Briefkasten mehrmals in der Woche gelehrt wird, damit Einladungen von Seiten des Arbeitsamtes dem Adressaten zeitnah zugehen können und er diese Termine einhalten kann.
Ziel der Unterstützungsleistungen nach SGB II ist nicht die dauerhafte Sicherung des Lebensunterhalts, sondern eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt. Wer in diesen vermittelt werden will, muss für das Jobcenter u.a. zur Übermittlung von Arbeitsangeboten erreichbar sein und sich logischerweise mit diesem über Zeiten der Abwesenheit abstimmen.
Zudem kann die Agentur für Arbeit bis zu drei Kalenderwochen Urlaub im Jahr genehmigen. Dies folgt nach ähnlichen Prinzipien wie die Abstimmung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Normalbeschäftigungsverhältnis. Eine Ablehnung durch die betreuende Agentur ist möglich, wenn im beantragten Zeitraum eine Vermittlung wahrscheinlich ist oder eine Eingliederungsmaßnahme beginnen soll. Als Kompensation für einen nicht genehmigten Urlaub sind selbstverständlich Ersatztermine möglich. Für eigene Weiterbildungsmaßnahmen oder ehrenamtliche Tätigkeiten von Leistungsbeziehern nach SGB II können zudem weitere drei Wochen Abwesenheit im Jahr ermöglicht werden.
Derartige Abstimmungsregelungen wie in § 7 Abs. 4a SGB II sind erforderlich geworden, nachdem es in der Vergangenheit zu erheblichem Leistungsmissbrauch durch längerfristige und zum Teil mehrmonatige Abwesenheiten auch im Ausland gekommen ist. Aus den o.g. Gründen halte ich die bestehende Regelung für vertretbar, zumal für Erwerbslose und die sie betreuenden Agenturen entsprechende Spielräume geschaffen wurden.
In der Hoffnung, Ihnen meine Position zu diesem Thema transparent gemacht zu haben, verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Annette Widmann-Mauz MdB