Frage an Annette Widmann-Mauz von Margret S. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Widmann-Mauz,
ich habe mich gerade auf der Homepage der Initiative „Ich bin keine Fallpauschale“ informiert. Diese fordert für die Schwerst- und Spezialfälle an den Universitäts-Kinderkliniken umgehend eine faire und kostendeckende Vergütung, die sich am tatsächlichen Behandlungs- und Pflegeaufwand orientiert.
Denn an deutschen Universitäts-Kinderkliniken herrscht akuter finanzieller Notstand: Dort sammeln sich kostenintensive Schwerst- und Spezialfälle. Jedoch werden die entstehenden Kosten aufgrund der geltenden Fallpauschalenregelung oft nur zu einem Teil erstattet und müssen von den Kliniken mit getragen werden.
Die Folgen: Die Behandlung und Pflege kranker Kinder verschlechtert sich, da die Universitäts-Kinderkliniken dazu gezwungen sind, die entstehenden Millionendefizite durch Stellenabbau bei Ärzten und Pflegepersonal auszugleichen.
Ein erster Schritt sind der Versorgungszuschlag und die Analyse der Extremkostenfälle, die am 14. Juni 2013 im Bundestag beschlossen wurden. Jedoch reichen diese Maßnahmen bei Weitem nicht, um die an deutschen Universitäts-Kinderkliniken in den letzten Jahren entstandenen und entstehenden Defizite zu decken. So ist es mittlerweile leider die Regel, dass Pflege- und Arztpersonal über Eltern- und Fördervereine mitfinanziert werden.
Was benötigt wird, ist eine kostendeckende Finanzierung – umgehend. Damit auch in Zukunft alle Kinder gut versorgt werden können.
Die Erfahrungsberichte aus den Universitäts-Kinderkliniken haben mich sehr bewegt.
Was werden Sie tun, damit sich bei diesem wichtigen Thema in naher Zukunft etwas verändert?
Mit freundlichen Grüßen
Margret Schill
Sehr geehrte Frau Schill,
vielen Dank für Ihre Mail, in der Sie mir Ihre Sorgen über die finanzielle Situation der Universitätskinderkliniken schildern. Auch mir gehen die Berichte der betroffenen Eltern und des Klinikpersonals sehr nahe.
Krankenhäuser wie das Universitätsklinikum Tübingen leisten mit ihren Beschäftigten einen unverzichtbaren Beitrag zu einer qualitativ hochwertigen medizinischen Versorgung der Menschen in unserem Land. Sie erfüllen mit großem Engagement eine für die gesamte Bevölkerung elementar wichtige Aufgabe. Ich habe vor diesem Hintergrund zahlreiche Gespräche geführt, wie Problemen, die aus einer besonderen Spezialisierung der Kinderklinik erwachsen, zukünftig noch besser Rechnung getragen werden kann. Nach Auskunft des zuständigen Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) wird aktuell insbesondere die Kinderonkologie weitergehenden Analysen unterzogen. Zudem wird für die Vergütung von Krankenhausleistungen ab dem Jahr 2014 geprüft, ob für Fälle mit der Notwendigkeit einer zweiten Stammzellentransplantation ein krankenhausindividuell zu verhandelndes Zusatzentgelt ausgewiesen werden kann. Für solche nicht sachgerecht vergüteten Extremkostenfälle kann bereits heute eine nähere Überprüfung durch das InEK erfolgen, die z.B. für das Jahr 2013 dazu geführt hat, dass Lebertransplantationen bei Kindern unter 6 Jahren höher vergütet werden.
Mit den jüngst auf meine Anregung hin vom Bundestag beschlossenen Änderungen beauftragt der Gesetzgeber bei so genannten Kostenausreißern zudem eine darüber hinausgehende systematische Prüfung und eine zusätzliche Datenerhebung mit dem Ziel, Ansätze für eine sachgerechte Vergütung dieser Fälle gezielt voran zu bringen. Die bereits heute ausgeprägte Sachgerechtigkeit der Vergütung kann damit weiter verbessert werden.
Die von Ihnen und auch von anderer Seite vorgetragene Sorge im Hinblick auf die finanzielle Situation der Krankenhäuser wird vom Bundesministerium für Gesundheit und von mir persönlich sehr ernst genommen. Auch wenn sich die Lage in den einzelnen Häusern recht unterschiedlich darstellt, ist aus meiner Sicht Handlungsbedarf gegeben. Insofern begrüße ich es sehr, dass es uns mit dem am 14. Juni 2013 im Bundestag in 2./3. Lesung beratenen und am 5. Juli 2013 im Bundesrat verabschiedeten Gesetzentwurf zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung gelungen ist, ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das kurzfristig zur wirksamen Verbesserung der finanziellen Situation der Krankenhäuser führen wird. Im Einzelnen sind insbesondere folgende Maßnahmen vorgesehen:
- Die Krankenhäuser erhalten einen nach Behandlungsschwere differenzierten Versorgungszuschlag.
- Ein Hygiene-Förderprogramm sorgt dafür, dass leichter Fachkräfte für die Einhaltung der Hygienevorschriften eingestellt und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Hygienefachkräften qualifiziert fort- und weitergebildet werden können.
- Die Krankenhäuser werden dabei unterstützt, die Tariflohnsteigerungen des Jahres 2013 finanzieren zu können.
- Bei den Vereinbarungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen können die spezifischen Kosten eines Krankenhauses besser berücksichtigt werden. Der Verhandlungsrahmen wird entsprechend erweitert.
Diese Maßnahmen zur Stabilisierung der Versorgung führen zu einer Entlastung der Krankenhäuser in den Jahren 2013 und 2014 in Höhe von 1,1 Mrd. Euro. Hierzu kommt die Entlastung der Krankenhäuser durch die Eröffnung des Verhandlungskorridors bis zum vollen Orientierungswert.
Unabhängig davon wird zusätzlich die Rolle der in den Ländern unzureichenden Investitionskostenfinanzierung für die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser zu prüfen sein. Für Baden-Württemberg hat der zuständige Landkreistag ein Investitionsdefizit von rund 1 Mrd. Euro festgestellt. Neben den Maßnahmen des Bundes zur Unterstützung unserer Kliniken erwarte ich deshalb, dass die Länder verstärkt ihrer Verpflichtung zur angemessenen Investitionskostenfinanzierung nachkommen.
Unabhängig davon brauchen wir aber eine grundsätzliche Strukturdebatte, die langfristige und tragfähige Lösungen für unsere Krankenhäuser beinhaltet. Einfach in immer kürzeren Abständen mehr Geld in das System umzuleiten, löst die bestehenden strukturellen Probleme nicht, sondern verschiebt sie nur auf morgen. U.a. muss darauf hingewirkt werden, dass Betriebskosten und Investitionskosten Hand in Hand verlässlich finanziert werden. Auf diese Weise können Krankenhäuser auch solide kalkulieren und wirtschaftlich arbeiten.
Den genannten Themen widme ich mich mit großem Nachdruck und will diese auch in der kommenden Legislaturperiode mit hoher Dringlichkeit angehen.
Festzuhalten bleibt jedoch, dass die aktuellen Maßnahmen die Krankenhäuser bei ihrer verantwortungsvollen Aufgabe unterstützen, eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung im Sinne der Patientinnen und Patienten in der Fläche sicher stellen zu können. Sie tragen auch dazu bei, die Situation für die Pflegekräfte sowie die Ärztinnen und Ärzte zu verbessern, die in den Kliniken durch zunehmende Arbeitsverdichtung unter Druck stehen. Die geplanten Verbesserungen treten zum 1. August 2013 in Kraft.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre
Annette Widmann-Mauz MdB