Anne Krischok
Annegret Krischok
SPD
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Frage von Werner H. •

Frage an Annegret Krischok von Werner H. bezüglich Verkehr

Sehr geehrte Frau Krischok,

am 18. April 2012 stimmt die Bürgerschaft über die Beteiligung der Stadt Hamburg an den Netzgesellschaften für Strom, Gas und Fernwärme in Höhe von 25,1 Prozent ab. Im Vorfeld wurden Experten angehört und Gutachten erstellt. Nicht wenige Experten und Gutachter raten von der geplanten Beteiligung ab. Vor diesem Hintergrund habe ich einige Fragen an Sie.

1. Der Kaufpreis wird als überhöht und nicht korrekt ermittelt angesehen. Was sagen Sie dazu?

2. Die Rückzahlung des notwendigen Kredits würde viele Jahrzehnte dauern. Aus der Drucksache 20/4929 geht nicht hervor, dass überhaupt eine Tilgung vorgesehen ist. Halten Sie das für ein solides Finanzierungsmodell?

3. Nach Abzug der Kosten (Zinsen und Bürgschaftsgebühr) bleibt von den Gewinnabführungen an die Stadt Hamburg kaum etwas übrig. Was halten Sie davon?

4. Die der Stadt Hamburg zu zahlende Garantiedividende ist sehr niedrig bemessen und kann zudem von den beteiligten Konzernen einseitig gekündigt werden. Halten Sie das für angemessen?

5. Die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Stadt Hamburg sind gering. Wie können unter solchen Voraussetzungen Ihrer Meinung nach die energiepolitischen Ziele Hamburgs erreicht werden?

6. E.ON Hanse und Vattenfall sind privatwirtschaftliche Unternehmen, die sich weder am Gemeinwohl orientieren noch soziale Verantwortung übernehmen, sondern die Erzielung möglichst hoher Gewinne, auch zulasten der Bevölkerung, anstreben. Halten Sie es für richtig, mit solchen Unternehmen Partnerschaften einzugehen? Falls ja, warum?

7. Die angestrebte Beteiligung ignoriert die Forderung der Initiative „Unser Hamburg – Unser Netz“. Meinen Sie nicht, dass erst einmal das Ergebnis des anstehenden Volksentscheids über die Rücknahme der Energieversorgungsnetze in die öffentliche Hand abzuwarten ist?

Mit freundlichen Grüßen

Werner Horch

Anne Krischok
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Horch,

vielen Dank für Ihre Fragen, die ich gerne beantworte:

Zur Frage 1.: Der Kaufpreis wird als überhöht und nicht korrekt ermittelt angesehen. Was sagen Sie dazu?

Die Stadt Hamburg hat sich in 2011 ausführlich über den Wert der Energienetze informiert. Dazu wurden von den Energieunternehmen alle relevanten Unterlagen zur Verfügung gestellt und durch Wirtschaftsgutachter und eigenen Rechts-, Unternehmens- und Energieexpertinnen und -experten genau geprüft. Das Ergebnis der Prüfungen und Verhandlungen mit den Energieunternehmen waren die jeweiligen Kaufpreise für das Strom-, Gas- und Fernwärmenetz.

Die Stadt hat zudem einem Kaufpreisrisiko vorgebeugt. Entsprechend den Verträgen können nach fünf Jahren Anpassungen vorgenommen werden, falls dies erforderlich sein sollte. Kaufpreisanpassungen für Gas und Fernwärme sind ab 2018 und für Strom ab 2019 vorgesehen. Die Kaufpreisanpassungen sind nach oben und unten begrenzt: für Strom und Fernwärme auf -+/-10%, für Gas auf +/- 20%.

Bei der Garantiedividende handelt es sich nicht um eine Gewinnbeteiligung, sondern um einen festen Zinssatz auf den jeweiligen Kaufpreis der Netze. Die in den Verträgen so genannten Gewinnabführungsverträge (Garantiedividende) werden für Gas und Fernwärme bis zum 31.12.2017 und für Strom bis zum 31.12.2018 fest abgeschlossen. Die Stadt erhält diese Dividende in gleichbleibender Höhe, unabhängig davon, wie gut oder schlecht das Geschäft im Einzelnen läuft.

Für die Strom- und Gasnetzbeteiligung bewegt sie sich im Rahmen dessen, was nach dem Leitfaden von Bundesnetzagentur und Kartellamt für diesen regulierten Energiebereich zulässig ist.
Bei der unregulierten Fernwärme ist berücksichtigt worden, dass das Fernwärmegeschäft bei mittelfristig rückläufiger Nachfrage (Erfolg vermehrter Wärmedämmung und Klimawandel) mit einem betriebswirtschaftlichen Risiko belastet ist. Da dieses Risiko allein vom Fernwärmeversorger getragen wird, muss es sich in der Höhe der an die Stadt zu zahlenden Garantiedividende abbilden.
Was die Refinanzierung des Kaufpreises angeht, so sind in den Verträgen Anpassungsklauseln vorgesehen.

Zur Frage 2.: Die Rückzahlung des notwendigen Kredits würde viele Jahrzehnte dauern. Aus der Drucksache 20/4929 geht nicht hervor, dass überhaupt eine Tilgung vorgesehen ist. Halten Sie das für ein solides Finanzierungsmodell?

Für Zins und Tilgung sind die sog. Ausgleichszahlungen gedacht (Garantiedividende), die dazu beiträgt, dass ein Zinsrisiko ausgeschlossen ist. In der von Ihnen benannten Drucksache (Es handelt sich dabei um die Drucksache 20/2949 und nicht um 20/4929) ist kein Tilgungsende genannt worden, weil wir über die künftigen Regulierungsperioden und die von der Bundesnetzagentur anerkannten Dividenden schlicht keine validen Aussagen machen können. Entsprechende Festsetzungen werden erst in den kommenden Jahren erfolgen. Ansonsten sind längerfristige Kredite als solche kein unsolides Finanzmodell.

Zur Frage 3: Nach Abzug der Kosten (Zinsen und Bürgschaftsgebühr) bleibt von den Gewinnabführungen an die Stadt Hamburg kaum etwas übrig. Was halten Sie davon?

Bei der Garantiedividende handelt es sich nicht um eine Gewinnbeteiligung, sondern um einen festen Zinssatz auf den jeweiligen Kaufpreis der Netze. Die in den Verträgen so genannten Gewinnabführungsverträge (Garantiedividende) werden für Gas und Fernwärme bis zum 31.12.2017 und für Strom bis zum 31.12.2018 fest abgeschlossen. Die Stadt erhält diese Dividende in gleichbleibender Höhe, unabhängig davon, wie gut oder schlecht das Geschäft im Einzelnen läuft.
Für die Strom- und Gasnetzbeteiligung bewegt sie sich im Rahmen dessen, was nach dem Leitfaden von Bundesnetzagentur und Kartellamt für diesen regulierten Energiebereich zulässig ist.
Bei der unregulierten Fernwärme ist berücksichtigt worden, dass das Fernwärmegeschäft bei mittelfristig rückläufiger Nachfrage (Erfolg vermehrter Wärmedämmung und Klimawandel) mit einem betriebswirtschaftlichen Risiko belastet ist. Da dieses Risiko allein vom Fernwärmeversorger getragen wird, muss es sich in der Höhe der an die Stadt zu zahlenden Garantiedividende abbilden.
Was die Refinanzierung des Kaufpreises angeht, so sind in den Verträgen Anpassungsklauseln vorgesehen.

Zur Frage 4: Die der Stadt Hamburg zu zahlende Garantiedividende ist sehr niedrig bemessen und kann zudem von den beteiligten Konzernen einseitig gekündigt werden. Halten Sie das für angemessen?

Hier verweise ich auf meine Antwort zur Frage 3.
Sollte von Seiten der Energiekonzerne diese Garantiedividende gekündigt werden, hat die Stadt Hamburg das Recht, den gesamten Vertrag rück abzuwickeln, die Beteiligung zu beenden und den Kaufpreis zzgl. der bis dahin geltenden Garantiedividende erstattet zu bekommen.

Zur Frage 5: Die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Stadt Hamburg sind gering. Wie können unter solchen Voraussetzungen Ihrer Meinung nach die energiepolitischen Ziele Hamburgs erreicht werden?

Bei der Abstimmung in der Bürgerschaft geht es nicht allein darum, ob die Stadt sich mit 25,1% an den Netzgesellschaften für Strom, Gas und Fernwärme beteiligt, sondern auch darum, ob und wie wir in Hamburg die Energiewende schaffen und den Klimaschutz voranbringen.

Der Senat hat neben der 25,1%igen Beteiligung an den Netzgesellschaften in einem zusätzlichen Kooperationsvertrag weitere Vereinbarungen mit Vattenfall und E.ON vereinbart:

Die Fernwärme wird künftig klimafreundlicher und effizienter in einem hocheffizienten Gas-Dampf-Turbinen-Kraftwerk (GuD-Kraftwerk) erzeugt. Damit wird die vielerorts umstrittene Moorburg-Trasse überflüssig. Das alte Heizkraftwerk Wedel wird durch ein effizientes Gaskraftwerk ersetzt - so wie es die SPD bereits gefordert hatte, bevor der CDU-GAL-Senat das Kohlekraftwerk Moorburg genehmigte.

Mit zusätzlichen Speichern am Standort des neuen GuD-Kraftwerk und in Tiefstack sowie "Power to Gas" (eine Technik zur Speicherung von Strom aus Erneuerbaren Energien) soll dafür gesorgt werden, dass die rasant wachsenden Erneuerbaren Energien auch effizient genutzt werden können. Speichertechnologien werden dringend gebraucht, gerade für die Verwendung von Windenergien in der Nord- und Ostsee, da Pumpwasserspeicher, Druckluftspeicher oder Elektroautos sowie der kostspielige und mancherorts umstrittene Ausbau der Netze dazu nicht ausreichen. Bislang tut sich die Bundesrepublik schwer mit der Unterstützung und der Forcierung dieser für die Energiewende absolut notwendigen Speicherkapazitäten. In Hamburg wird das jetzt in Angriff genommen.

Mit einem umfangreichen Zubau von Blockheizkraftwerken und ihre Zusammenschaltung zu sog. virtuellen Kraftwerken wird in Hamburg die effiziente dezentrale Energieerzeugung ausgebaut. Insgesamt werden die Energieversorger in Hamburg 1,6 Mrd. Euro investieren. Das ist vertraglich festgelegt.

Auch Elektromobilität und sogenannter smart grid (ein intelligentes Stromnetz, das die kommunikative Vernetzung und Steuerung von Stromerzeugern ermöglicht) werden weiter voran gebracht. Dazu kommen noch zahlreiche weitere, für die Energiewende wichtige Maßnahmen. (Siehe dazu: Drucksache 20/2392)

Insgesamt verpflichten sich die beiden Partner-Unternehmen zu einer deutlichen Reduzierung der CO2-Emissionen. E.ON Hanse will bis 2015 gegenüber 2008 15% und Vattenfall will bei der Fernwärme bis 2020 im Vergleich zu heutigen Zustand 27% CO2 einsparen.

Durch die Vereinbarungen mit den Energieversorgern zu einem „Energiekonzept für Hamburg“ wird es gelingen, in der Hansestadt einen deutlichen Beitrag zur Minderung der Treibhausgase zu leisten und die Energiewende anzuschieben. Allein mit einer 25,1%igen Beteiligung an den Netzgesellschaften, deren Tätigkeitsgebiet bei Strom und Gas nach dem EnergiewirtschaftsGesetz auf den Netzbetrieb beschränkt ist, hätte man diese Maßnahmen nicht erreichen können. Auch der vollständige Erwerb der Netze würde uns in Sachen Energiewende und Klimaschutz erst mal nicht weiter bringen. Allein das Eigentum an den Netzen bewirkt keine Energiewende.

In den paritätisch besetzen Aufsichtsräte (50% Arbeitgeber, 50% Arbeitnehmer) aller drei Netzunternehmen Unternehmen besetzt die Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement - HGV - die Hälfte der Arbeitgeberbank.
Zu den Mitbestimmungsrechten der HGV:
Diese beziehen sich auf Abschluss und Veränderung von Unternehmensverträgen, Feststellung des Jahresabschlusses und der Gewinnverwendung, Zustimmung zu Maßnahmen nach dem Umwandlungsgesetz, Erlass und Änderungen von Geschäftsordnungen (soweit darin Zustimmungserfordernisse aufgestellt oder geändert werden), Beschlussfassung über den jährlichen Investitionsplan, die Wahl des Abschlussprüfers und die Zustimmung zu außergewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen. Außerdem bestehen Informations- und Prüfungsrechte hinsichtlich der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung, der Entwicklung der Vermögens- und Ertragslage, der Liquidität und Rentabilität der Gesellschaft, über verlustbringende Geschäfte und die Ursachen von Verlusten sowie über Ursachen des in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesenen Jahresfehlbetrages.

Aufsichtsräte haben nur begrenzten Einfluss auf das operative Geschäft. Sie haben vor allem eine Kontrollfunktion. Das gilt auch für die der Netzgesellschaften. Deshalb hat der Senat mit den Konzernen zusätzlich eine Reihe von Zielen und Investitionen für Klimaschutz und Energiewende - u.a. für ein GuD-Kraftwerk für die Fernwärme und die Investition in Speichertechnologien für Erneuerbare Energien - von insgesamt 1,6 Mrd. Euro und deren Unterstützung des „Energiekonzepts für Hamburg“ vereinbart. Hinsichtlich der Investitionsplanungen gilt, dass diese zwischen den Partnern einvernehmlich beschlossen werden müssen. Die kann hier nicht allein entscheiden, aber ohne die Stadt kann auch der Mehrheitsgesellschafter keine Entscheidung treffen.
Eine Übertragung von Gesellschaftsteilen an Dritte ohne ausdrückliche Zustimmung des anderen Partners, ist bis Ende 2017 unzulässig. Danach stehen den Partnern jeweils ein Vorkaufsrecht und ein Mitveräußerungsrecht zu.

Die Umsetzung der Verträge und der energiepolitischen Vereinbarungen sollen zudem nach dem Willen der SPD-Fraktion eng durch Parlament und Öffentlichkeit begleitet und kontrolliert werden. Die Unternehmen bzw. Gesellschaften sind verpflichtet, regelmäßig Rechenschaft abzulegen und entsprechende Einblicke in die Geschäfte und die Investitionsplanungen zu geben.

Hinsichtlich der Investitionsplanungen gilt, dass diese zwischen den Partnern einvernehmlich beschlossen werden müssen. Die Stadt kann hier nicht allein entscheiden, aber ohne die Stadt kann auch der Mehrheitsgesellschafter keine Entscheidung treffen.

Eine Übertragung von Gesellschaftsteilen an Dritte ohne ausdrückliche Zustimmung des anderen Partners ist bis Ende 2017 unzulässig. Danach stehen den Partnern jeweils ein Vorkaufsrecht und ein Mitveräußerungsrecht zu.

Zur Frage 6.: E.ON Hanse und Vattenfall sind privatwirtschaftliche Unternehmen, die sich weder am Gemeinwohl orientieren noch soziale Verantwortung übernehmen, sondern die Erzielung möglichst hoher Gewinne, auch zulasten der Bevölkerung, anstreben. Halten Sie es für richtig, mit solchen Unternehmen Partnerschaften einzugehen? Falls ja, warum?

Durch die Vereinbarungen mit den Energieversorgern zu einem „Energiekonzept für Hamburg“ wird es gelingen, in der Hansestadt einen deutlichen Beitrag zur Minderung der Treibhausgase zu leisten und die Energiewende anzuschieben. Allein mit einer 25,1%igen Beteiligung an den Netzgesellschaften, deren Tätigkeitsgebiet bei Strom und Gas nach dem EnergiewirtschaftsGesetz auf den Netzbetrieb beschränkt ist, hätte man diese Maßnahmen nicht erreichen können. Auch der vollständige Erwerb der Netze würde uns in Sachen Energiewende und Klimaschutz erst mal nicht weiter bringen. Allein das Eigentum an den Netzen bewirkt keine Energiewende.

Die Verträge wirken sich nicht auf die Entwicklung der Energiepreise aus. Die Verträge beziehen sich auf die Netzgesellschaften. Die Durchleitungsgebühren für Strom und Gas werden von der Bundesnetzagentur genehmigt und die Preisgestaltung ist durch die Regulierungsbehörde begrenzt. Die Energiepreise werden von den Energieversorgern festgelegt. Auf deren Preispolitik hat die Hansestadt - mit oder ohne Beteiligung an den Netzgesellschaften - keinen Einfluss. Bislang haben die Energieunternehmen nachweislich keine überdurchschnittlichen Preise für Strom, Gas oder Wärme erhoben.

Zu 7.: Die angestrebte Beteiligung ignoriert die Forderung der Initiative „Unser Hamburg - Unser Netz“. Meinen Sie nicht, dass erst einmal das Ergebnis des anstehenden Volksentscheids über die Rücknahme der Energieversorgungsnetze in die öffentliche Hand abzuwarten ist?

Die Bürgerschaft wird am 18.4.2012 in erster Lesung und in zweiter Lesung (voraussichtlich) am 9./10. Mai 2012 endgültig abstimmen. (Voraussichtlich Ende) 2013 werden aber die Hamburgerinnen und Hamburger in einem Volksentscheid darüber befinden, ob die Stadt die Netze zu 100% erwirbt oder sich mit 25,1% an den Netzgesellschaften beteiligt und zusätzlich mit den Energieversorgern Maßnahmen vereinbart, die die Energiewende und den Klimaschutz in den Stadt befördern.

Den Zeitpunkt der Ansetzung des Volksentscheids (voraussichtlich Ende kommenden Jahres) hat die Initiative "Unser Hamburg - Unser Netz" gewählt. Für den Fall, dass die Initiative "Unser Hamburg - unser Netz" beim Volksentscheid erfolgreich sein wird, werden die Verträge mit E.ON und Vattenfall rück abgewickelt. Der Volksentscheid wird darum nicht leer laufen.

Ich hoffe, Ihre Fragen beantwortet zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

Anne Krischok
MdHB - SPD-Bürgerschaftsabgeordnete