Frage an Annegret Krischok von Mark R. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Krischok,
an der Senatsvereinbarung zwischen Eon Vattenfall gab es ja bei der Expertenanhörung am 22. März erhebliche Kritik, auch die Berater die der Senat benannt hat haben sich sehr zurückhaltend geäußert. Hat sich daran aus Ihrer Sicht seitdem z. B. bei der Anhörung am 2. April etwas geändert und in welchen Punkten?
Im Abendblatt vom 23.3. war zur Anhörung vom 22.3. z. B zu lesen:
"Die zentralen Funktionen werden weiterhin von Vattenfall und E.on übernommen", sagte Schlemmermeier. So habe die Stadt
weder Einflussmöglichkeiten auf den Wirtschaftsplan der Gesellschaft, noch habe die Stadt das
Recht, einen Geschäftsführer zu benennen. Auch Wolfgang Zander wies darauf hin: "Es
bestehen starke Abhängigkeiten. Sie können lediglich nach fünf Jahren einen Wirtschaftsprüfer
die Geschäfte überprüfen lassen. Das geht nicht. Sie müssen operativ eingreifen können."
Ich erinnere mich dass die SPD schon einmal von Vattenfall über den Tisch gezogen wurde: Beim Kauf der HEW wurde versprochen aus der Atomkraft auszusteigen... Glauben Sie dass die Kräfteverhältnisse diesmal wirklich anders sind und warum?
Mit freundlichen Grüßen,
Mark Redler
Sehr geehrter Herr Redler,
vielen Dank für Ihre Nachfrage. Gerne nehme ich hierzu Stellung.
Sie fragen, ob und in welchen Punkten sich die Sichtweise seit der Anhörung am 2. April geändert habe. Hierzu zitieren Sie Punkte aus dem Hamburger Abendblatt, die offenbar von besonderer Bedeutung für Sie sind:
Zentrale Funktionen würden weiterhin von Vattenfall und E.on übernommen. Die Stadt habe weder Einflussmöglichkeiten auf den Wirtschaftsplan der Gesellschaft. Außerdem habe die Stadt nicht das Recht, einen Geschäftsführer zu benennen. Sie befürchten darüber hinaus, dass Vattenfall die Stadt Hamburg über den Tisch gezogen hat.
Bei der Abstimmung in der Bürgerschaft geht es nicht allein darum, ob die Stadt sich mit 25,1% an den Netzgesellschaften für Strom, Gas und Fernwärme beteiligt, sondern auch darum, ob und wie wir in Hamburg die Energiewende schaffen und den Klimaschutz voranbringen.
Der Senat hat neben der 25,1%tigen Beteiligung an den Netzgesellschaften in einem zusätzlichen Kooperationsvertrag u.a. Folgendes mit Vattenfall und E.ON vereinbart:
Die Fernwärme wird künftig klimafreundlicher und effizienter in einem hocheffizienten Gas-Dampf-Turbinen-Kraftwerk (GuD-Kraftwerk) erzeugt. Damit wird die vielerorts umstrittene Moorburg-Trasse überflüssig. Das alte Heizkraftwerk Wedel wird durch ein effizientes Gaskraftwerk ersetzt - so wie es die SPD bereits gefordert hatte, bevor der CDU-GAL-Senat das Kohlekraftwerk Moorburg genehmigte.
Mit zusätzlichen Speichern am Standort des neuen GuD-Kraftwerk und in Tiefstack sowie "Power to Gas" (eine Technik zur Speicherung von Strom aus Erneuerbaren Energien) soll dafür gesorgt werden, dass die rasant wachsenden Erneuerbaren Energien auch effizient genutzt werden können. Speichertechnologien werden dringend gebraucht, gerade für die Verwendung von Windenergien in der Nord- und Ostsee, da Pumpwasserspeicher, Druckluftspeicher oder Elektroautos sowie der kostspielige und mancherorts umstrittene Ausbau der Netze dazu nicht ausreichen. Bislang tut sich die Bundesrepublik schwer mit der Unterstützung und der Forcierung dieser für die Energiewende absolut notwendigen Speicherkapazitäten. In Hamburg wird das jetzt in Angriff genommen.
Mit einem umfangreichen Zubau von Blockheizkraftwerken und ihre Zusammenschaltung zu sog. virtuellen Kraftwerken wird in Hamburg die effiziente dezentrale Energieerzeugung ausgebaut. Insgesamt werden die Energieversorger in Hamburg 1,6 Mrd. Euro investieren. Das ist vertraglich festgelegt.
Auch Elektromobilität und sogenannten smart grid (ein intelligentes Stromnetz, das die kommunikative Vernetzung und Steuerung von Stromerzeugern ermöglicht) werden weiter voran gebracht. Dazu kommen noch zahlreiche weitere, für die Energiewende wichtige Maßnahmen. (Siehe dazu: Drucksache 20/2392)
Insgesamt verpflichten sich die beiden Partner-Unternehmen zu einer deutlichen Reduzierung der CO2-Emissionen. E.ON Hanse will bis 2015 gegenüber 2008 15% und Vattenfall will bei der Fernwärme bis 2020 im Vergleich zu heutigen Zustand 27% CO2 einsparen.
Durch die Vereinbarungen mit den Energieversorgern zu einem „Energiekonzept für Hamburg“ wird es gelingen, in der Hansestadt einen deutlichen Beitrag zur Minderung der Treibhausgase zu leisten und die Energiewende anzuschieben. Allein mit einer 25,1%igen Beteiligung an den Netzgesellschaften, deren Tätigkeitsgebiet bei Strom und Gas nach dem EnergiewirtschaftsGesetz auf den Netzbetrieb beschränkt ist, hätte man diese Maßnahmen nicht erreichen können. Auch der vollständige Erwerb der Netze würde uns in Sachen Energiewende und Klimaschutz erst mal nicht weiter bringen. Allein das Eigentum an den Netzen bewirkt keine Energiewende!
Ob und wann es im Übrigen gelingen würde, die Netze nach langen Rechtsstreitigkeiten tatsächlich zu übernehmen, ist ungewiss: Denn die jetzigen Eigentümer halten daran fest, und gerichtliche Auseinandersetzungen können Jahre andauern. Mit der jetzigen Einigung kann jedoch heute schon mit wichtigen, zukunftsweisenden Maßnahmen zur Energiewende begonnen werden.
Durch die jetzige Form der Beteiligung mit der zusätzlichen energiepolitischen Vereinbarung trägt die Stadt keinerlei wirtschaftliches Risiko. Das ist im Wärmebereich wegen immer besserer Gebäudeisolierung und steigenden Temperaturen infolge des Klimawandels nicht unerheblich. Die Garantiedividende deckt darüber hinaus den Zinsaufwand zur Finanzierung der Kaufpreisforderung ab.
Einen Nachteil könnte man darin sehen, dass die Stadt die Einnahmen aus den Netzgebühren nicht für sich verbuchen kann. Da allerdings für den regulierten Bereich Strom und Gas heute noch nicht bekannt ist, welche Bedingungen die Bundesnetzagentur ab 2013/2014 für Netzbetriebe festlegt, würde ein nicht unerhebliches, aber nicht genau bezifferbares wirtschaftliches Risiko auf die Stadt zukommen, zumal uns die entsprechenden Daten nicht vorliegen.
Die Umsetzung der Verträge soll nach dem Willen der SPD Fraktion eng durch Parlament und Öffentlichkeit begleitet und kontrolliert werden. Dazu wird die SPD Fraktion einen entsprechenden Zusatzantrag auf den Weg bringen.
Zu Ihrer Kritik, dass die Stadt Hamburg keinen Geschäftsführer stellt:
Schon heute ist Hamburg durch die Hamburgische Gesellschaft für Vermögensbeteiligung (HGV) an vielen Einrichtungen und Unternehmen beteiligt - ohne immer einen bzw. den Geschäftsführer zu stellen. Genauere Daten können sie dem im Internet verfügbaren Jahresbericht entnehmen: http://www.hgv.hamburg.de/Beteiligungen.html
Die Geschäftsführung ist dennoch an die Unternehmens- und Geschäftsziele gebunden, die im Aufsichtsrat einvernehmlich mi allen Anteilseignern beschlossen werden. Zudem ist die Geschäftsführung der Hamburgischen Bürgerschaft und dem dortigen Ausschuss für Öffentliche Unternehmen auskunftspflichtig.
Die Umsetzung der Verträge und der energiepolitischen Vereinbarungen sollen nach dem Willen der SPD-Fraktion eng durch Parlament und Öffentlichkeit begleitet und kontrolliert werden. Die Unternehmen bzw. Gesellschaften sind verpflichtet, regelmäßig Rechenschaft abzulegen und entsprechende Einblicke in die Geschäfte und die Investitionsplanungen zu geben.
In den paritätisch besetzen Aufsichtsräte (50% Arbeitgeber, 50% Arbeitnehmer) aller drei Netzunternehmen Unternehmen besetzt die Hamburger Gesellschaft für vermögens- und Beteiligungsmanagement - HGV - die Hälfte der Arbeitgeberbank.
Die Mitbestimmungsrechte der HGV beziehen sich auf Abschluss- und Veränderung von Unternehmensverträgen, Feststellung des Jahresabschlusses und der Gewinnverwendung, Zustimmung zu Maßnahmen nach dem Umwandlungsgesetz, Erlass und Änderungen von Geschäftsordnungen (soweit darin Zustimmungserfordernisse aufgestellt oder geändert werden), Beschlussfassung über den Jährlichen Investitionsplan, die Wahl des Abschlussprüfers und die Zustimmung zu außergewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen. Außerdem bestehen Informations- und Prüfungsrechte hinsichtlich der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung, der Entwicklung der Vermögens- und Ertragslage, der Liquidität und Rentabilität der Gesellschaft, über verlustbringende Geschäfte und die Ursachen von Verlusten sowie über Ursachen des in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesenen Jahresfehlbetrages.
Aufsichtsräte haben nur begrenzten Einfluss auf das operative Geschäft. Sie haben vor allem eine Kontrollfunktion. Das gilt auch für die der Netzgesellschaften. Deshalb hat der Senat mit den Konzernen zusätzlich eine Reihe von Zielen und Investitionen für Klimaschutz und Energiewende - u.a. für ein GuD-Kraftwerk für die Fernwärme und die Investition in Speichertechnologien für Erneuerbare Energien - von insgesamt 1,6 Mrd. Euro und deren Unterstützung des „Energiekonzepts für Hamburg“ vereinbart. Hinsichtlich der Investitionsplanungen gilt, dass diese zwischen den Partnern einvernehmlich beschlossen werden müssen. Die kann hier nicht allein entscheiden, aber ohne die Stadt kann auch der Mehrheitsgesellschafter keine Entscheidung treffen.
Eine Übertragung von Gesellschaftsteilen an Dritte ohne ausdrückliche Zustimmung des anderen Partners, ist bis Ende 2017 unzulässig. Danach stehen den Partnern jeweils ein Vorkaufsrecht und ein Mitveräußerungsrecht zu.
Ich hoffe, damit Ihre Fragen beantwortet zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Anne Krischok
MdHB - SPD-Bürgerschaftsabgeordnete