Frage an Annegret Krischok von Wiebke H. bezüglich Verkehr
Sehr geehrte Frau Krischok,
sie waren als Vorsitzende des Umweltausschusses bei den Anhörungen der letzten Monate zum Thema Energienetze, ich auch. Am 18.4. entscheidet die Bürgerschaft, ob sie der 25,1 % Beteiligung Hamburgs an den Netz- und Wärmegesellschaften von Vattenfall und E.on zustimmt.
Die Expertenanhörung am 22.3. hat heftige Kritikpunkte an den Verträgen offenbart, die laut der Experten dazu führen müssten, auszusteigen. Sie wurden in der Senatsanhörung nicht entschärft. Vielmehr hat der Senat durch widersprüchliche Aussagen noch zusätzlich Verwirrung gestiftet. Zu vielen Themen gab es überhaupt keine Aufklärung. Info: www.unser-netz-hamburg.de/kampagnenblog
Jetzt haben der Haushalts- und Umweltausschuss der Bürgerschaft mit den Stimmen der SPD-Abgeordneten die Zustimmung zu den Verträgen empfohlen.
Ich befürchte, dass bei dieser weit reichenden und geldintensiven Entscheidung, die die Freiheit des Parlaments für eine gute Energiepolitik langfristig erheblich einschränken wird, nicht die Sachlage, sondern der Fraktionszwang und vor allem die strenge Führung des Bürgermeisters und SPD-Landesvorsitzenden Olaf Scholz maßgeblich ist. Wie steht es mit Ihnen bezüglich einer Entscheidung nach bestem Wissen und Gewissen? Wie rechtfertigen Sie Ihre Zustimmung angesichts der massiven Kritiken am Vertragskonstrukt rechtfertigen?
Warum werden die Verträge nicht einfach veröffentlicht, wenn sie doch so gut für die Stadt sind? Die Stellen, wo tatsächlich Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse betroffen sind, könnte man ja schwärzen.
Vattenfall verklagt Deutschland jetzt vor dem internationalen Schiedsgericht auf mehrere Milliarden € Schadenersatz wegen des Atomausstiegs. Ich halte es für naiv zu glauben, dass die Stadt und die Energiekonzerne "freundschaftlich" zusammen arbeiten werden, denn die ureigenen Interessen Gemeinnutz und Profitmaximierung sind nun mal gegensätzlich. Was macht sie glauben, dass Vattenfall und E.on gute Partner sein werden?
Sehr geehrte Frau Hansen,
vielen Dank für Ihre Fragen.
Sie schreiben, dass es in der Expertenanhörung am 22.3. heftige Kritikpunkte an den Verträgen gegeben habe, die nach Ihrer Auffassung zu einem Ausstieg aus den Verträgen führen sollten. Sie führen ferner an, dass die Aussagen des Senats bei Ihnen Verwirrung gestiftet habe.
Zu den von Ihnen angeführten kritischen Ausführungen in der Expertenanhörung, die ich mit geleitet habe: Die Experten waren nicht einheitlich kritisch gegen das Senatsmodell. Sowohl Bremen als auch Bremerhaven (Dort unter einer Rot-Grünen Landesregierung) verfolgen eine Minderheitsbeteiligung, wie sie der Senat plant, als Option.
Der Experte der HWWI meinte, dass Vattenfall und E.On auch ohne jegliche Kooperationsvereinbarung alle von der Stadt gewünschten klimapolitischen Anstrengungen durchführen hätten. Das mag seine Meinung sein. Ich teile sie nicht und denke, dass er hier unrecht hat.
Die Stadt hat sich bei der Bewertung der Unternehmen nicht nur auf deren Zahlen verlassen, sondern diese in der Art und Weise kritisch hinterfragt, wie dies von den Experten gefordert wurde. Das war auch ein Ergebnis der anschließenden Senatsbefragung.
Weiter haben wir in der SPD-Fraktion zum Teil auch politisch andere Schwerpunkte als mancher Experte: Wir wollen beispielsweise die drei Netzgesellschaften nicht zusammenlegen, um nicht Hamburger Arbeitsplätze zu gefährden.
Ansonsten stelle ich Ihnen gerne nochmals die vertraglich abgestimmten Mitwirkungsrechte dar:
In den paritätisch besetzen Aufsichtsräte (50% Arbeitgeber, 50% Arbeitnehmer) aller drei Netzunternehmen Unternehmen besetzt die Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement - HGV - die Hälfte der Arbeitgeberbank.
Die Mitbestimmungsrechte der HGV beziehen sich auf Abschluss- und Veränderung von Unternehmensverträgen, Feststellung des Jahresabschlusses und der Gewinnverwendung, Zustimmung zu Maßnahmen nach dem Umwandlungsgesetz, Erlass und Änderungen von Geschäftsordnungen (soweit darin Zustimmungserfordernisse aufgestellt oder geändert werden), Beschlussfassung über den Jährlichen Investitionsplan, die Wahl des Abschlussprüfers und die Zustimmung zu außergewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen. Außerdem bestehen Informations- und Prüfungsrechte hinsichtlich der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung, der Entwicklung der Vermögens- und Ertragslage, der Liquidität und Rentabilität der Gesellschaft, über verlustbringende Geschäfte und die Ursachen von Verlusten sowie über Ursachen deines in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesenen Jahresfehlbetrag.
Sie unterstellen in Ihrem Brief, dass die Abgeordneten der SPD-Fraktion und somit auch ich aufgrund eines wie auch immer gearteten Druckes und nicht aus eigener Überzeugung den Verträgen zustimmen könnten.
Das weise ich zurück.
Als Vorsitzende des Umweltausschusses habe ich mich selbstverständlich intensiv mit dem Thema auseinander gesetzt. Am 18. November 2011 fand eine öffentliche Anhörung zum Volksentscheid zum Rückkauf der Energienetze statt, am 22.3.2012 wurde das Thema „Beteiligung an den Netzen" in einer öffentliche Experten- und am 2.4. und 12.4.2012 in einer öffentlichen Senatsbefragung in mehrstündigen gemeinsamen Sitzungen von Umwelt- und Haushaltsausschuss erörtert.
Für weitere Informationen empfehle ich Ihnen die Drucksache 20/2392 "Hamburg schafft die Energiewende - strategische Beteiligung Hamburgs an den Netzgesellschaften für Strom, Gas und Fernwärme" und die Drucksache 20/2949 "Beteiligung der Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement mbH an den Netzgesellschaften für Strom, Gas und Fernwärme".
Die Bürgerschaft wird am 18.4.2012 in erster Lesung und in zweiter Lesung (voraussichtlich) am 9./10. Mai 2012 endgültig abstimmen. (Voraussichtlich Ende) 2013 werden aber die Hamburgerinnen und Hamburger in einem Volksentscheid darüber befinden, ob die Stadt die Netze zu 100% erwirbt oder sich mit 25,1% an den Netzgesellschaften beteiligt und zusätzlich mit den Energieversorgern Maßnahmen vereinbart, die die Energiewende und den Klimaschutz in den Stadt befördern.
Für den Fall, dass die Initiative "Unser Hamburg - unser Netz" beim Volksentscheid erfolgreich sein wird, werden die Verträge mit E.ON und Vattenfall rück abgewickelt. Der Volksentscheid wird darum nicht leer laufen.
In der anhaltenden Debatte um die Energienetze geht es nicht nur darum, ob die Stadt die Netze zu 100% kauft oder sich mit 25% an den Netzgesellschaften beteiligt, sondern auch darum, ob und wie wir in Hamburg die Energiewende möglichst zügig umsetzen und den Klimaschutz voranbringen können. Selbst wenn die Stadt die Energienetze zu 100% übernähme, wären wir mit der Energiewende und dem Klimaschutz noch keinen Schritt weiter gekommen. Beispielsweise wären Fragen der Investitionen (in die Netze, Speichertechnologien, Erzeugeranlangen) damit nicht geklärt.
Allein mit einer 25,1%igen Beteiligung an den Netzgesellschaften, deren Tätigkeitsgebiet bei Strom und Gas nach dem EnergiewirtschaftsGesetz auf den Netzbetrieb beschränkt ist, hätte man diese Maßnahmen nicht erreichen können. Auch der vollständige Erwerb der Netze würde uns in Sachen Energiewende und Klimaschutz erst mal nicht weiter bringen. Allein das Eigentum an den Netzen bewirkt nämlich keine Energiewende.
Mit einer Verpflichtung zur vollständigen Übernahme der Netze würde ab dem Entscheidungszeitpunkt eine längere Phase von Unsicherheit im Hinblick auf die rechtliche Zulässigkeit und tatsächliche Umsetzbarkeit eines solchen Schritts entstehen, weil die Versorger einen Herausgabeanspruch der Stadt nicht anerkennen. Infolgedessen werden die jetzt in den Kooperationsvereinbarungen zusätzlich vereinbarten Investitionen in die innovativen energiepolitischen Projekte verzögert.
Was die GAL genau will, ist nicht bekannt. Auch die Volksinitiative hat bisher kein umfassenderes Energiekonzept vorgelegt, wobei dies auch nicht deren Anspruch war, jedoch liegt damit auch keine konkrete Alternative zur Energiewende und künftiger Energiepolitik vor. Der Hamburger Senat hat hingegen ein erstes Energiekonzept mit den Vereinbarungen mit Vattenfall und E.ON vorgelegt. Weitere Schritte folgen zeitnah.
Die in den Verträgen so genannten Gewinnabführungsverträge (Garantiedividende) werden für Gas und Fernwärme bis zum 31.12.2017 und für Strom bis zum 31.12.2018 fest abgeschlossen. Die Stadt erhält diese Dividende in gleichbleibender Höhe, unabhängig davon, wie gut oder schlecht das Geschäft im Einzelnen läuft.
Die Verträge wirken sich nicht auf die Entwicklung der Energiepreise aus. Die Verträge beziehen sich auf die Netzgesellschaften. Die Durchleitungsgebühren für Strom und Gas werden von der Bundesnetzagentur genehmigt und die Preisgestaltung ist durch die Regulierungsbehörde begrenzt. Die Energiepreise werden von den Energieversorgern festgelegt. Auf deren Preispolitik hat die Hansestadt - mit oder ohne Beteiligung an den Netzgesellschaften - keinen Einfluss. Bislang haben die Energieunternehmen nachweislich keine überdurchschnittlichen Preise für Strom, Gas oder Wärme erhoben.
Zu Ihrer Frage zur nicht-erfolgten Vertragsveröffentlichung:
Die Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft hatten sehr wohl die Möglichkeit, die Verträge einzusehen. Die Verträge sind nicht publiziert worden, weil dort Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthalten sind. Sie hätten daher so umfangreich geschwärzt werden müssen, dass diese für interessierte Außenstehende inhaltlich vermutlich aussagelos wären.
Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen damit beantwortet habe.
Mit freundlichen Grüßen
Anne Krischok
MdHB - SPD-Bürgerschaftsabgeordnete