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Anna Lührmann
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Frage von Berthold F. •

Frage an Anna Lührmann von Berthold F. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Lührmann,

auch wenn ich nicht in Ihrem Wahlkreis wohne, so haben Sie doch bisher als MdB auch den HTK, in dem ich wohne, betreut. Da Sie mit der Berliner Politik vrertrauter sind als Ihr Kollege Nouripour, möchte ich mich auch an Sie wenden.

Ihnen dürfte bekannt sein, dass ein Flugsicherungsgesetz vorbereitet wird und die DFS privatisiert werden soll.

Dem Entwurf (siehe http://www.fluglaerm-eppstein.de/cgi-bin/BuReg_050707_Flugsicherheitsgesetz(Entwurf).pdf ) habe ich mir angeschaut und dabei Erschreckendes festgestellt. Soweit es sich mir erschließt, wird die Flugverfahrensplanung, die die DFS auch künftig betreiben darf, weder staatlicher Aufsicht noch Weisung unterliegen
(der entsprechende Satz in §27c LuftVG wird ersatzlos gestrichen). Der der
Schutz vor Lärm soll sich auf unzumutbarem Fluglärm beschränken soll (Leq3 >65
dB(A)?). Da es keinerlei Grenzwerte und Verordnungen gibt, wie Lärm zu
berücksichtigen ist, stützen sich die Behörden bei der Bestimmung der Unzumutbarkeit erfahrungsgemäß auf von der Luftfahrt bezahlte lärmmedizinische Gefälligkeitsgutachten, in denen sehr hohe Werte der Zumutbarkeit genannt werden. Mir scheint, dass die DFS sogar einen Rechtsanspruch auf die Festsetzung von ihr gewünschter Verfahren bekommen würde; die gesetzlich vorgesehenen Effizienzvorgaben wären für die DFS ein gutes Argument, ihre Vorstellungen durchzudrücken. Somit läuft der Entwurf auf einen Freibrief zur Planung nahezu beliebig lauter Verfahren und großflächiger Verlärmung flughafennaher Regionen hinaus.

Wie wollen Sie künftig gewährleisten, dass die Fluglärmschutzbelange gerade in unserer Region, die zwar erheblich, aber nicht unzumutbar im Sinne der Gefälligkeitsgutachter belastet ist, gewahrt werden? Werden Sie dafür eintreten, dass künftig die Behörden die Bürger nicht nur vor unzumutbarem Fluglärm schützen sollen, sondern auch vor geringerem? An diesem einem Wort "unzumutbarem" in §29 Abs.(2) LuftVG ist übrigens die TABUM-Klage vor dem BVerwG gescheitert. Werden Sie dafür eintreten, dass Bürger im Sinne der Europäischen Verfassung vor einer Flugroutenänderung gehört werden müssen?

Darüber hinaus dürfte Ihnen auch bekannt sein, dass das Bundeskabinett den Entwurf eines Fluglärmschutzgesetzes beschlossen hat, der als Lex Fraport weitaus mildere Grenzwerte für den Ausbau des Frankfurter Flughafens vorsieht als bei den letzten Planfeststellungsbeschlüssen in anderen Bundesländern angewandt wurden, für Ausbauten nach 2010 vorgesehen sind sowie in der Mediation beschlossen wurden. Mit diesem Gesetz würde es der Hessischen Landesregierung unmöglich gemacht werden, die Schutzgrenzen der Mediation in einem Planfeststellungsbeschluss festzulegen. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie auch darauf hinweisen, dass die Mediatoren 5 DM je Fluggast für Lärmschutzmaßnahmen für zumutbar hielten - der Fraport scheinen jetzt 0,50 Cent schon zu viel zu sein (ergibt sich, wenn die geschätzten 350 Mio. Euro für Lärmschutzmaßnahmen nach dem Entwurf 2004 auf 10 Jahre und 70 Mio. Fluggäste p.a. verteilt werden)

Ich frage Sie daher, für welche Grenzwerte bei der Novellierung des Fluglärmschutzgesetzes Sie eintreten werden, und ob Sie eine Benachteiligung der Frankfurter Region gegenüber anderen Regionen hinnehmen werden.

Fluglärmbetroffene sind eine Minderheit, deren Rechte von vielen Politikern mit den Füßen getreten werden. Diesen Politikern fehlt das Bewusstsein, dass zu einer funktionierenden Demokratie auch der Respekt vor den Rechten der Minderheiten gehört. Ich wünsche mir, dass Sie für die Rechte dieser Minderheit, die in unserer Region eine große Minderheit ist, weiterhin eintreten

Berthold Fuld

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Sehr geehrter Herr Fuld,

beim Thema Fluglärm ist es Ziel meiner Arbeit in Berlin und die meiner grünen Kolleginnen und Kollegen in Fraktion und Bundesministerien, den Anwohnerinnen und Anwohnern größtmöglichen Schutz zu gewährleisten. Wenn es nur nach mir gehen würde, würden sich die Grenzwerte im Fluglärmschutzgesetz an den neusten Erkenntnisses der Lärmforschung orientieren (d.h. Tag-Schutzzone maximal 60 dB und Nachtschutzzone maximal 45 dB).

Leider sehen das nicht alle Parteien so. Die CDU und FDP haben sich in ihrer Arbeit ganz klar den Interessen der Fluggesellschaften und Flughafenbetreiber verschrieben (siehe nur den Entwurf des Landesentwicklungsplans der Hessischen Landesregierung) und auch die SPD setzt bei dem Thema falsche Prioritäten. Vor dem Hintergrund dieses massiven Widerstandes war es sehr schwierig für uns, in den letzten sieben Jahren etwas durchzusetzen. Unsere Minister konnten immerhin verhindern, dass das Luftverkehrskonzept zum Tragen kam.

Das bislang geltende Fluglärmgesetz, das aus dem Jahr 1971 stammt und seither nahezu unverändert blieb, ist heute nach übereinstimmender Einschätzung aller beteiligten Experten klar veraltet. Das Gesetz entspricht nicht mehr den aktuellen Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung, es entspricht auch nicht mehr der Rechtsprechung und es entfaltet kaum noch Wirkung, da die Lärmschutzzonen oftmals kaum über das Flughafengelände hinaus reichen. In der dicht besiedelten und verkehrsreichen Bundesrepublik Deutschland gehört der Fluglärm mittlerweile zu den wichtigsten Umweltproblemen. Repräsentativen Befragungen zufolge fühlt sich jeder Dritte durch Fluglärm belästigt. Dies verdeutlicht, dass die Rahmenbedingungen für den Schutz vor Fluglärm dringend verbessert werden müssen. Wie schon geschrieben, sehen das die anderen Parteien anders. Deswegen ist es dem Umweltminister nicht gelungen, in der letzten Legislaturperiode eine Novelle gegen den Widerstand von Verkehrs- und Wirtschaftsminister durchzubringen.

Daher war es unser Ziel, in dieser Legislaturperiode zumindest einige Verbesserungen für die Anwohner durchzusetzen. Das Fluglärmgesetz wurde nach langen und zähen Verhandlungen zwischen dem Umwelt-, dem Verkehrs- und dem Verteidigungsministerium noch vom Kabinett beschlossen, konnte aber nicht mehr durch den Deutschen Bundestag verabschiedet werden. Wie gesagt, ich teile Ihre Kritik an dem Entwurf, bin mir aber sicher, dass die CDU noch niedrigere Standards vorsehen würde und glaube, dass der Kabinettsentwurf zumindest eine geringfügige Verbesserung des Status quo beinhaltet.

Abschließend zur DFS noch ein Statement der grünen Staatssekretärin im Umweltministerium, Margaretha Wolf, dem ich mich anschließen möchte: “Die Rechtsform und die Besitzverhältnisse einer Gesellschaft sind weniger entscheidend als klare Rahmenbedingung für ihre Arbeit. Im Bereich der Flugsicherung ist es nach unserer Auffassung überfällig, dass die Arbeitsvorgabe dahin gehend geändert wird, dass auch die Belastungen und Risiken, die durch Flugrouten am Boden entstehen, in die Betrachtungen mit einbezogen werden. Optimierungen von Flugrouten würden nicht mehr nur unter Gesichtpunkten der Kapazität erfolgen. In diesem Kontext und unter diesen Vorgaben ist auch eine einheitlich operierende europäische Luftraumüberwachung und Flugsicherung sinnvoll.“

Mit freundlichen Grüßen

Anna Lührmann

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