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Anna Lührmann
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Frage von Horst B. •

Frage an Anna Lührmann von Horst B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Lührmann,

am 5. November gab es in im Sitzungssaal „Haus Silberberg“ im Frankfurter Römer eine öffentliche Anhörung wegen des heftig umstrittenen Baus einer dritten Moschee im Stadteil Frankfurt-Hausen. Wie Sie sicher wissen, lehnt ein Großteil der dort lebenden autochthonen, aber auch der allochthonen steuerzahlenden Bevölkerung (insbesondere aus den EU-Staaten, Nord- und Südamerika, Indien und Fernost) dieses Bauvorhaben entschieden ab, weil damit eine Segregation mit unkalkulierbaren Folgen verbunden ist.

Im Verlaufe dieser Sitzung sagte die Stadtverordnete und integrationspolitische Sprecherin der Grünen, Frau Dr. Nargess Eskandari-Grünberg, Frankfurt habe einen Migranten-Anteil von 40 Prozent und fügte wortwörtlich hinzu: „Wenn ihnen das nicht passt, müssen sie woanders hingehen“!

Eine solche Äußerung überschreitet meines Erachtens deutlich die Gepflogenheiten einer demokratischen Streitkultur.

Hier nun meine Frage an Sie als Bundestagsabgeordnete aus der Region:

Liegt die integrationspolitische Sprecherin der Grünen auf der offiziellen Parteilinie der hessischen Grünen oder würden Sie die Aussage entschieden zurückweisen?

Wäre bei Letzterem dann nicht ein Rücktritt Ihrer Frankfurter Kollegin angebracht, um die Stadt Frankfurt am Main vor großem politischen Schaden zu bewahren, nachdem diese Äußerungen inzwischen bundesweit Aufsehen erregt haben?

Eine letzte Frage: Wie bewerten Sie die Problematik der Errichtung von Sakralbauten, wenn es auf Seiten der Bevölkerung keinerlei Zustimmung zu derartigen Projekten gibt? Immerhin wurde die Partei der Grünen aufgrund der Ablehnung der Bevölkerung in Bezug auf Kernkraftwerke gegründet.

Viele Grüße,

Horst Brede

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Antwort von
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Lieber Herr Brede,

vielen Dank für Ihre Anfrage auf Abgeordnetenwatch.de, auf die ich heute wie folgt antworten möchte.

Zunächst möchte ich Ihr Argument aufgreifen, nach welchem der geplante Bau einer dritten Moschee im Stadtteil Frankfurt-Hausen eine "Segregation mit unkalkulierbaren Folgen" nach sich ziehen würde. Dieser Einschätzung widerspreche ich entschieden: gerade die Einbindung aller in unserer Gesellschaft vorhandenen Glaubensrichtungen und Kulturen ist elementar wichtig, um eine erfolgreiche Integration zu gewährleisten. Indem Muslime im Stadtteil Frankfurt-Hausen in einer öffentlichen, neu errichteten Moschee beten können und dies nicht mehr in einem Hinterzimmer fernab der Öffentlichkeit tun müssen, binden wir sie als gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger in das öffentliche Leben ein und schaffen gegenseitiges Vertrauen und Akzeptanz. Demgegenüber führt jedoch gerade die Abwehr religiöser und kultureller Selbstverwirklichung der muslimischen Gemeinden in Frankfurt und darüber hinaus zu ihrer Isolierung und drängt sie an den Rand der Gesellschaft.

Die Aussagen der integrationspolitischen Sprecherin der Grünen, Frau Dr. Nargess Eskandari-Grünberg, während der öffentlichen Anhörung am 05. November im Frankfurter Römer gingen hier in die gleiche Richtung, wurden von ihnen allerdings verkürzt zitiert. Während der Anhörung hat Frau Dr. Nargess Eskandari-Grünberg in einer etwa 10 minütigen Erörterung die integrationspolitische Situation in Frankfurt dargelegt und mit der Aussage "Wenn ihnen das nicht passt, müssen sie woanders hingehen" auf eben diese Situation und deren Unumstößlichkeit hingewiesen: Der Anteil von etwa 40 % Migrantinnen und Migranten an der Frankfurter Bevölkerung ist nicht wegzudiskutieren, ebenso wenig die damit verbundenen Herausforderungen und Probleme. Insofern zielte die Aussage von Frau Dr. Nargess Eskandari-Grünberg darauf ab, diese Situation für alle bewusst zu machen.

Vor diesem Hintergrund hat Frau Dr. Nargess Eskandari-Grünberg sicherlich etwas zu polemisch argumentiert. Mit einem "Verlassen der demokratischen Streitkultur" hat dies allerdings nichts zu tun. Im Gegenteil muss an unserer demokratischen Debattenkultur gezweifelt werden, wenn religiöse und kulturelle Unterschiede als Gefahr angesehen und an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, statt sich mit ihnen argumentativ und auf gleicher Augenhöhe auseinanderzusetzen. Unsere Aufgabe kann und muss es sein, die Gleichwertigkeit eines Moscheebaus gegenüber einem etwaigen Bau einer Kirche und Synagoge zu verdeutlichen und darauf hin zu wirken, nicht diffus gegen "Andere" mobil zu machen, sondern sie nachhaltig in unsere Gesellschaft zu integrieren.

In der Hoffnung, Ihre Frage zufriedenstellend beantwortet zu haben, verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen
Anna Lührmann

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