Frage an Anna Lührmann von Petra B. bezüglich Umwelt
Die Grünen setzen sich ja immer für den Schutz von Kröten ein. Auf Wunsch der Grünen wurden Millionen von Euro in Krötentunnel investiert. Aber wo bleibt der Aufschrei der Grünen, wenn es um Vögel geht, die elendig in den Fängen der Tausenden von Windrädern in Deutschland verenden. Darunter auch vom Aussterben bedrohte Arten wie Rotmilan und Seeadler. Sind Kröten etwa mehr wert als Vögel?
Sehr geehrte Frau Baum,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Frösche sind nicht mehr wert als Vögel. Wir setzen uns für den Schutz aller Tiere ein.
Doch nach aktuellen Erkenntnissen stellen Windkrafträder keine Bedrohung für den Bestand einzelner Vogelarten dar.
Die öffentlichen Diskussionen um die Windenergie werden teilweise sehr emotional und zum Teil unsachlich geführt. Einen Beitrag zur Versachlichung liefern u.a. die Ergebnisse einer Studie des Naturschutzbundes Deutschland (NABU). Sie hat die Auswirkungen regenerativer Energiegewinnung auf die biologische Vielfalt am Beispiel der Vögel untersucht. Ein Ergebnis der Studie ist, dass die von Windenergieanlagen ausgehenden Beeinträchtigungen auf die Vogelfauna nicht in dem Maße eintreten, wie dies in der Vergangenheit vermutet und in der Presse dargestellt wurde. Zur Verminderung der Vogelschlaggefahr kommt es auf eine standortbezogene Risikoabschätzung im Einzelfall an. Eine weitere Studie des Deutschen Naturschutzringes (DNR) bestätigt, dass der Ausbau der Windenergie sowohl mit den Belangen des Landschafts- und Naturschutzes als auch des Gesundheitsschutzes vereinbart werden kann. Sowohl hinsichtlich des Naturschutzaspektes, als auch des Landschaftsbildes müssen die auf der kommunalen Ebene vorhandenen Steuerungsinstrumente genutzt werden, um z.B. Standorte an Gewässern und Feuchtgebieten sowie in Wäldern zu vermeiden, da hier das Kollisionsrisiko für Vögel und Fledermäuse höher ist als an anderen Standorten. Darüber hinaus werden im Rahmen der konkreten Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen standortspezifische Naturschutzbelange und Aspekte des Landschaftsbildes geprüft, bewertet und ggf. Auflagen für Vermeidungs-, Verminderungs- und Ausgleichsmaßnahmen formuliert.
Grundsätzlich ist anzumerken, dass andere anthropogen bedingte Mortalitätsursachen weitaus erheblicher sind als die Kollisionsraten an Windenergieanlagen. ERICKSON et al. (Avian Collisions with Wind Turbines: A Summary of Existing Studies and Comparisons to Other Sources of Avian Collision Mortality in the United States, NWCC Resource Document Washington, D.C. Western EcoSystems Technology Inc.2001) legen für die USA einen konkreten Vergleich der jährlichen Kollisionsopfer vor. An Fahrzeugen kollidieren demnach ca. 60 - 80 Mio. Vögel, an Gebäuden/Fenstern ca. 98 - 980 Mio., an Freileitungen Zehntausende - 17 Mio., an Sendemasten ca. 4 - 50 Mio. und an Windenergieanlagen etwa 10.000 - 40.000. Einen umfassenden Überblick über wissenschaftliche Untersuchungen aus Deutschland und aus internationalen Quellen sowie deren (statistische) Auswertung zu Auswirkungen von Windkraftanlagen auf Vögel und Fledermäuse gibt die kürzlich veröffentlichte Studie des NABU „Auswirkungen regenerativer Energiegewinnung auf die biologische Vielfalt am Beispiel der Vögel und der Fledermäuse“ ( http://www.nabu.de/m05/m05_03/03410.html ), die aus Mitteln des Bundesumweltministeriums finanziert und vom Bundesamt für Naturschutz fachlich betreut wurde.
Bezüglich erfasster Todfunde von Fledermäusen und Vögeln tauschen sich die Vogelschutzwarten der Länder untereinander aus. Die zentrale Erfassung von Vogel- und Fledermausschlagopfern durch Windkraftanlagen erfolgt in der Zentralen Fundkartei der Staatlichen Vogelschutzwarte im Landesumweltamt Brandenburg.
Im Erfassungszeitraum von 1989 bis November 2004 sind dort bundesweit 278 Todfunde von Vögeln an Windkraftanlagen registriert worden. Bisher sind 285 Fledermaustodfunde als Schlagopfer (seit 1998) erfasst (jeweils Stand 16.11.04). Folgende Fledermausarten sind am meisten betroffen: Großer Abendsegler (132), Rauhautfledermaus (51), Zwergfledermaus (30), unspezifizierte Pipistrellus-Arten (20), Zweifarbfledermaus (10) und Kleiner Abendsegler (14). Bei den Vögeln sind dies mit 10 oder mehr Individuen die Arten Rotmilan (44), Mäusebussard (27), Seeadler (14), Silbermöwe (12) und Turmfalke (10) (Stand 16. November 2004).
Seit Beginn der Erfassung im Jahre 1989 wurden bis November 2004 also insgesamt 44 Rotmilane als Opfer von Windkraftanlagen gefunden. Der Bestand des Roten Milan in Deutschland wird für das Jahr 2000/2001 zwischen 10.669 und 13.018 Brutpaaren geschätzt (Flächendeckend liegen keine aktuelleren Zahlen vor, von bedeutenden Bestandsveränderungen ist nicht auszugehen.) Das sind kumuliert rund 0,2 Prozent des aktuellen Bestandes beziehungsweise 0,04 Prozent bezogen auf die Todfunde des Jahres 2004. Von einer Gefahr für den Bestand des Rotmilans durch Windkraftanlagen kann also in keinem Fall die Rede sein.
Mit freundlichen Grüßen,
Anna Lührmann