Frage an Anna Christmann von Sami A. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Christmann,
ich konnte in den vergangenen Jahren leidliche Erfahrungen an bayerischen Gerichten (FG Amberg und OLG Nürnberg) sammeln. Als ehemaliger Stuttgarter interessiert mich Ihre Haltung zu Gutachten in familienrechtlichen Angelegenheiten besonders.
Gutachter werden in familienrechtlichen Fällen von Richtern direkt beauftragt. Daß es das Wort “Gefälligkeitsgutachten” gibt, ist dabei sicherlich kein Zufall. Man könnte zu der Auffassung kommen, daß es sich in vielen Fällen gar um ein symbiotisches Verhältnis zwischen Richtern und Gutachtern handelt. Daß viele Richter immer wieder dieselben Gutachter beauftragen, könnte man hierfür als Indiz betrachten.
Neben der Beauftragung von Gutachtern ist auch die Qualität der meisten Gutachten höchst fragwürdig. So hat eine Studie von Prof. Dr. Werner Leitner ergeben, daß die überwiegende Mehrheit der Gutachten nicht die Mindestvoraussetzungen an Gutachten in familienrechtlichen Verfahren erfüllen. In meinem Fall wollten die Richter am OLG Nürnberg kein Gegengutachten zulassen, weil man die Gutachterin ja kenne und sie laut dem vorsitzenden Richter gute Arbeit leiste (wie er zu dieser Einschätzung kam, bleibt mir ein Rätsel). Im Nachgang an das Verfahren habe ich das Gutachten an den o.g. Prof. Dr. Leitner geschickt, der das Gutachten als höchst mangelhaft eingestuft hat.
Bereits im Koalitionsvertrag der 18. Legislaturperiode war das Thema Gutachten in familiengerichtlichen Verfahren ein Thema, so hieß es:
“[...] die Qualität von Gutachten insbesondere im familiengerichtlichen Bereich verbessern” (S.154).
Warum gibt es keine zentrale Stelle die sich um die Vergabe von Aufträgen für Gutachten kümmert und die Gutachten regelmäßig Qualitätskontrollen unterzieht? Würden Sie sich dafür einsetzen, daß so eine Stelle geschaffen wird? Damit würde man ausschließen, daß Richter nur ihnen gefällige Gutachter beauftragen und gleichzeitig würde man die Qualität sichern.
Mit freundlichen Grüßen,
S. A.
Sehr geehrter Herr A.,
vorweg tut es mir leid, dass Sie schlechte Erfahrungen an den Gerichten gesammelt haben.
Bereits in der letzten Wahlperiode hat der Bundestag das "Gesetz zur Änderung des Sachverständigenrechts und zur weiteren Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit" (Drs. 18/6985) verabschiedet. Wir Grünen hatten damals im Ergebnis nicht zustimmen können, weil an dieses - an sich begrüßenswerte - Gesetz im Omnibusverfahren noch weitere gravierenden Regelungen gehängt wurden, die in ein eigenes Gesetzgebungsverfahren gehört hätten.
Für uns Grüne bedeutet das, es gibt durchaus noch Luft nach oben, was die Qualitätssicherung in familienrechtlichen Verfahren angeht. Einige Aspekte haben wir nun in unserem aktuellen Antrag "Fortbildung von Richterinnen und Richtern sowie Qualitätssicherung im familiengerichtlichen Verfahren" (Drs. 19/8568) http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/085/1908568.pdf aufgegriffen. Darin verdeutlichen wir die Notwendigkeit von strukturellen Veränderungen, wie etwa der Einführung einer obligatorischen richterlichen Fortbildung sowie der Aufnahme von spezifischen qualitativen Eingangsvoraussetzungen für Familienrichter*innen.
Ihre Frage, warum es denn keine zentrale Stelle für die Vergabe von Gutachten gibt, ist grundsätzlich durchaus nachvollziehbar. Allerdings würde eine solche Stelle gegen den Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit verstoßen und ist somit nicht umsetzbar.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit dieser Antwort weiterhelfen.
Mit freundlichen Grüßen,
Anna Christmann