Dr. Ann-Veruschka Jurisch in der Kuppel
Ann-Veruschka Jurisch
FDP
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Frage von Daniel W. •

Unterstützen Sie die Prüfung und Einleitung eines Verfahrens nach Art. 20 Abs. 2, hilfsweise Abs. 3 GG namens des Bundestages gegen die Partei Alternative für Deutschland? Warum oder warum nicht?

Die AfD ist von der Mehrzahl der Verfassungsschutzämter unter Beobachtung genommen, mehrere Ämter stufen sie als gesichert rechtsextremistisch ein. Führende Vertreter:innen erklären sich offen gegen die Akzeptanz grundlegender Verfassungsprinzipien. Nicht zuletzt in der konstituierenden Sitzung des Thüringer Landtags hat die Partei auch ihr aktiv-kämpferisches Agieren gegen die rechtsstaatlich-parlamentarische Verfassungsordnung unter Beweis gestellt. Die Partei wird nicht trotz, sondern wegen dieses Auftretens und Inhalts gewählt. Der Parlamentarische Rat hat das GG mit entsprechenden Mitteln ausgestattet, um die Verfassungsordnung vor ihren Feinden zu schützen. Die Erkenntnislage wie auch die politische Relevanz (entsprechend EGMR-Rechtsprechung) sind so evident wie bei keinem anderen Verbotsverfahren in der Bundesrepublik. Noch sind die politischen Organe handlungsfähig, sie sollten es auch tun und nicht warten, bis wir österreichische oder Thüringer Verhältnisse im Bund haben.

Dr. Ann-Veruschka Jurisch in der Kuppel
Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr W., 

vielen Dank, dass Sie sich mit dieser wichtigen und grundlegenden Frage an mich wenden. Ihre Argumentation verdeutlicht die Dringlichkeit der Debatte um ein Verbot der AfD, und ich stimme Ihnen in einem zentralen Punkt zu: Die Demokratie muss sich gegen ihre Feinde wehren.

Ich möchte klarstellen, dass ich ein Parteiverbotsverfahren nach Artikel 21 GG nicht ablehne. Im Gegenteil: Ich bin bereit, die Prüfung und Einleitung eines solchen Verfahrens zu unterstützen – aber nur, wenn die rechtlichen Voraussetzungen dafür tragfähig sind. Denn es steht für mich außer Frage, dass wir der AfD keine Bühne bieten dürfen, sich als "Opfer des Systems" zu inszenieren. Genau das würde jedoch geschehen, wenn ein Verfahren ohne ausreichende Beweislage scheitert. Die AfD würde dies als Beweis ihrer eigenen Erzählung nutzen und dadurch möglicherweise noch an Zustimmung gewinnen.

Die Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz – auch als gesichert rechtsextremistisch – ist ein deutliches Signal, das ich sehr ernst nehme. Diese Einstufung liefert wichtige Anknüpfungspunkte für ein mögliches Verbotsverfahren. Ich unterstütze deshalb die Arbeit der Sicherheitsbehörden, die Beweise sammeln, um eine gerichtsfeste Grundlage für ein Verfahren zu schaffen. Denn nur ein erfolgreiches Verfahren wird die AfD tatsächlich schwächen.

Ich verstehe die Dringlichkeit, die Sie ansprechen, und teile die Sorge, dass die AfD in ihrer aktuellen Form eine Gefahr für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung darstellt. Sie hat es geschafft, den politischen Diskurs zu verschieben und ihre antidemokratische Ideologie in die Mitte der Gesellschaft zu tragen. Diese Entwicklung beobachte ich mit großer Sorge.

Allerdings ist ein Parteiverbotsverfahren kein Symbolakt, sondern ein juristisches Verfahren mit extrem hohen Hürden. Das Bundesverfassungsgericht verlangt eine klare, gerichtsfeste Beweislage, die eine aktiv-kämpferische Haltung der Partei gegen die demokratische Grundordnung belegt. Diese Beweispflicht liegt bei den antragsberechtigten Organen – also Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung. Würde ein Verfahren ohne eine solche Grundlage angestoßen und scheitern, wäre der Schaden enorm. Die AfD könnte dies als Sieg für sich reklamieren und damit eine noch größere Bedrohung für die Demokratie darstellen.

Deshalb werde ich mich weiterhin dafür einsetzen, dass die Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden konsequent genutzt und ausgewertet werden. Wenn diese Grundlage ausreicht, werde ich mich für die Einleitung eines Verbotsverfahrens aussprechen. Bis dahin ist es aus meiner Sicht notwendig, die Gefahr, die von der AfD ausgeht, offen zu benennen, ihren Einfluss in Parlamenten kritisch zu begleiten und durch klare Argumente und politische Arbeit zu entkräften.

Ich teile Ihre Überzeugung, dass die Demokratie wehrhaft sein muss. Aber Wehrhaftigkeit bedeutet für mich auch, mit Besonnenheit zu handeln – entschlossen, aber nicht übereilt. Deshalb werde ich weiterhin die Faktenlage kritisch prüfen und meine Haltung regelmäßig neu bewerten. Sollte es eine belastbare Grundlage für ein Parteiverbotsverfahren geben, werde ich mich dafür einsetzen.

Ich danke Ihnen, dass Sie sich so intensiv mit diesem Thema auseinandersetzen und Ihre Perspektive mit mir teilen. Es zeigt, dass das Engagement für unsere Demokratie lebt – und das ist ein wichtiger Baustein unserer wehrhaften Demokratie.

Mit freundlichen Grüßen
Ann-Veruschka Jurisch 

 

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